Es ist ein kurioses Buch, ein scheinbar wild zusammengewürfeltes Sammelsurium von Informationen, Meinungen und Anekdoten; unterschiedslos steht Triviales neben Tiefgründigem – wie im wirklichen Leben. Ausgiebig greift der Autor auf ihm noch vorliegende Biographien und Sprüchesammlungen zurück, und manches zitiert er nur aus dem Gedächtnis, weil er es irgendwo gelesen oder gehört hat. Schon so manchen Experten hat dies zur Weißglut getrieben, denn einerseits kann aus diesem Buch nichts unkritisch übernommen werden, andererseits ist es unverzichtbar, da viele Überlieferungen hier ihren historischen Unterschlupf fanden. Es ist eine Kompilation, der Unordnung vorzuwerfen wenig sinnvoll ist – es ist eben die Ordnung einer anderen Zeit. Und ausgerechnet dieses Gebräu ist die lesbarste Philosophiegeschichte, die je erschienen ist, wie zum Hohn für all die soliden, gut gearbeiteten, korrekt mit Nachweisen ausgestatteten modernen Geschichten des Denkens etwa von Karl Vorländer oder, häufig gelesen, von Hans Joachim Störig, oder, in jüngster Zeit, von Wolfgang Röd. Allenfalls Jostein Gaarders Roman über die Geschichte der Philosophie, "Sofies Welt", kann da noch mithalten.
Größten Wert legt Diogenes Laertios auf das Leben der Denker, die Art, in der sie ihr Leben mehr oder weniger gekonnt und häufig auf verblüffende Weise bewältigt haben. Klatsch und Tratsch, unsterblich unter den Menschen, würzen dabei die Darstellung mit jener Niedrigkeit, die uns auch schwierige Dinge vertraut erscheinen läßt. Berichtet wird beispielsweise von Aristipp, dem Philosophen der Lust, dass er mit einer Hetäre zusammenlebte und luxuriöse Gastmähler liebte. Auf die damals schon populäre Frage, was denn die Philosophie nütze, war er um eine Antwort nicht verlegen: Sie vermittle die Fähigkeit, "mit jedermann gelassen umzugehen". Da erscheint uns das hehre Gebäude des Gedachten gleich viel faßbarer, wie wahr oder erfunden diese Geschichten auch sein mögen. Daß Diogenes Laertios solchen Wert auf das gelebte Leben gelegt hat, ist kein Zufall: Nicht nur, dass dies schon damals eine dankbare Art der Darstellung war – vielmehr wurde in der Philosophie selbst einst der philosophischen Lebensform und Lebenskunst große Aufmerksamkeit gewidmet, und vor allem im 2./3. Jahrhundert n. Chr., also zur Zeit des Diogenes Laertios, scheint es lebhafte Diskussionen gegeben zu haben zwischen Skeptikern, die die Möglichkeit einer philosophischen Lebenskunst bestritten (und sie zugleich selbst praktizierten), sowie den Vertretern der verschiedenen philosophischen Schulen, denen es sehr auf die gelebte Philosophie ankam.
Ob die Lebensführung, um die es dabei geht, zutreffend als "Verhaltenstheorie" zu übersetzen ist, wie in der vorliegenden Neuausgabe, darüber läßt sich freilich streiten. Wenigstens macht der Übersetzer strittige Stellen wie diese hier und da kenntlich, indem er für diejenigen, die genauer hinsehen, das griechische Wort, in diesem Fall agôgé, einrückt. Die Herkulesarbeit der Übersetzung ist für ihre Gründlichkeit und Reflektiertheit zu rühmen, auch wenn einige Leseproben an heiklen Stellen ergeben, daß dem Übersetzer die eine oder andere Pointe entgangen ist, beispielsweise bei der Geschichte, die Diogenes Laertios von seinem Namensvetter, dem Diogenes, der "in der Tonne lebte", kolportiert: Eines Tages bot Diogenes seinem berühmten Kollegen Platon Feigen an, und als dieser der verführerischen Frucht nicht widerstehen konnte, erreichte ihn der Ordnungsruf: "Teilhaben, nicht aufessen" – eine boshafte Anspielung auf die "Teilhabe", die Platon den Menschen an seiner Idee des Seins nur zugestand. Aber auch frühere Übersetzer übersahen dieses Wortspiel im Griechischen.
Zahllos sind die Namen, von denen hier die Rede ist: bekannte Namen wie Pythagoras, Heraklit, Demokrit, Sokrates, Platon, Aristoteles, Epikur, und weniger bekannte wie Krates, Hipparchia, Zenon, Pyrrhon, Kleanthes, Chrysipp usw. Sie alle, 82 an der Zahl, finden sich nun in neuer Übersetzung in einem wohlfeilen Reclam-Bändchen. Die bisher allein im Gebrauch befindliche Übersetzung von Otto Apelt von 1921 hat damit wohl ausgedient; die "kartonierte Sonderausgabe", die der Meiner Verlag vor kurzem noch in den Handel gebracht hat, darf wohl als Verramschung gewertet werden. Das ist bedauerlich, da diese Übersetzung keineswegs so viel schlechter als die neue ist, aber die Reclam-Ausgabe, erschwinglich auch für Studenten, wird der weiteren Verbreitung des Diogenes Laertios zweifellos förderlich sein, und das ist allemal wünschenswert: Die Begegnung mit der außerordentlich vielfältigen antiken Philosophie wird die zuweilen einfältige Philosophie der Gegenwart nicht unverändert lassen.
Größten Wert legt Diogenes Laertios auf das Leben der Denker, die Art, in der sie ihr Leben mehr oder weniger gekonnt und häufig auf verblüffende Weise bewältigt haben. Klatsch und Tratsch, unsterblich unter den Menschen, würzen dabei die Darstellung mit jener Niedrigkeit, die uns auch schwierige Dinge vertraut erscheinen läßt. Berichtet wird beispielsweise von Aristipp, dem Philosophen der Lust, dass er mit einer Hetäre zusammenlebte und luxuriöse Gastmähler liebte. Auf die damals schon populäre Frage, was denn die Philosophie nütze, war er um eine Antwort nicht verlegen: Sie vermittle die Fähigkeit, "mit jedermann gelassen umzugehen". Da erscheint uns das hehre Gebäude des Gedachten gleich viel faßbarer, wie wahr oder erfunden diese Geschichten auch sein mögen. Daß Diogenes Laertios solchen Wert auf das gelebte Leben gelegt hat, ist kein Zufall: Nicht nur, dass dies schon damals eine dankbare Art der Darstellung war – vielmehr wurde in der Philosophie selbst einst der philosophischen Lebensform und Lebenskunst große Aufmerksamkeit gewidmet, und vor allem im 2./3. Jahrhundert n. Chr., also zur Zeit des Diogenes Laertios, scheint es lebhafte Diskussionen gegeben zu haben zwischen Skeptikern, die die Möglichkeit einer philosophischen Lebenskunst bestritten (und sie zugleich selbst praktizierten), sowie den Vertretern der verschiedenen philosophischen Schulen, denen es sehr auf die gelebte Philosophie ankam.
Ob die Lebensführung, um die es dabei geht, zutreffend als "Verhaltenstheorie" zu übersetzen ist, wie in der vorliegenden Neuausgabe, darüber läßt sich freilich streiten. Wenigstens macht der Übersetzer strittige Stellen wie diese hier und da kenntlich, indem er für diejenigen, die genauer hinsehen, das griechische Wort, in diesem Fall agôgé, einrückt. Die Herkulesarbeit der Übersetzung ist für ihre Gründlichkeit und Reflektiertheit zu rühmen, auch wenn einige Leseproben an heiklen Stellen ergeben, daß dem Übersetzer die eine oder andere Pointe entgangen ist, beispielsweise bei der Geschichte, die Diogenes Laertios von seinem Namensvetter, dem Diogenes, der "in der Tonne lebte", kolportiert: Eines Tages bot Diogenes seinem berühmten Kollegen Platon Feigen an, und als dieser der verführerischen Frucht nicht widerstehen konnte, erreichte ihn der Ordnungsruf: "Teilhaben, nicht aufessen" – eine boshafte Anspielung auf die "Teilhabe", die Platon den Menschen an seiner Idee des Seins nur zugestand. Aber auch frühere Übersetzer übersahen dieses Wortspiel im Griechischen.
Zahllos sind die Namen, von denen hier die Rede ist: bekannte Namen wie Pythagoras, Heraklit, Demokrit, Sokrates, Platon, Aristoteles, Epikur, und weniger bekannte wie Krates, Hipparchia, Zenon, Pyrrhon, Kleanthes, Chrysipp usw. Sie alle, 82 an der Zahl, finden sich nun in neuer Übersetzung in einem wohlfeilen Reclam-Bändchen. Die bisher allein im Gebrauch befindliche Übersetzung von Otto Apelt von 1921 hat damit wohl ausgedient; die "kartonierte Sonderausgabe", die der Meiner Verlag vor kurzem noch in den Handel gebracht hat, darf wohl als Verramschung gewertet werden. Das ist bedauerlich, da diese Übersetzung keineswegs so viel schlechter als die neue ist, aber die Reclam-Ausgabe, erschwinglich auch für Studenten, wird der weiteren Verbreitung des Diogenes Laertios zweifellos förderlich sein, und das ist allemal wünschenswert: Die Begegnung mit der außerordentlich vielfältigen antiken Philosophie wird die zuweilen einfältige Philosophie der Gegenwart nicht unverändert lassen.