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Leckerbissen fürs deutsche Fernsehen

Mit "House of the Cards" und "Top of the Lake" kommen diese Woche zwei Erfolgsserien ins deutsche Fernsehen. Beide von namhaften Filmemachern: Jane Campion und David Fincher. Es gibt gute Gründe, warum sie sich jetzt Fernsehserien zuwenden.

Von Jörg Taszman | 07.11.2013
    Ein kleines, malerisches Kaff, "Lake Top" im Süden Neuseelands. Tui, ein 12-jähriges Mädchen ist schwanger und offensichtlich verwirrt und traumatisiert. Robin, eine junge Polizistin, die einst in diesem gottverlassenen Ort aufwuchs, ist zunächst einmal schockiert, als sie mitbekommt, wie unsensibel die Männer auf der Polizeistation das Mädchen verhören wollten.

    "Wer hat gesagt, ihr sollt sie verhören?"

    "Das kleine Ding hat sowieso kein Wort gesagt. Da ist eine Auster gesprächiger."

    "Das Ding hat einen Namen."

    "Detektiv Sergeant Al Parker. Ja, sie hat einen Namen. Steht auf dem Formular. Mehr habe ich aus ihr nicht herausgekriegt."

    "Ich will unter vier Augen mit Tui reden. Open End und ungestört. Keine Unterbrechungen bitte. Klar? Ich will ein lautes, deutliches Ja."

    "Ja."

    Kurz darauf verschwindet das Mädchen spurlos. Robin versucht sie zu finden, gegen den Widerstand des mächtigsten Mannes im Ort, Matt Mitcham, der auch Tuis Vater ist. Jane Campion denkt in Kinobildern und sprengt das "kleine" Format. In "Top of the Lake" spielt die Natur mit einem idyllisch scheinenden Bergsee eine wichtige Rolle. Immer wieder sieht man beeindruckende Totalen mit den Protagonisten im Vordergrund, der Landschaft im Hintergrund.

    Jane Campion bekam für diese in sich abgeschlossene sechsteilige Miniserie von der BBC alle künstlerischen Freiheiten. Sie kann sich so Zeit nehmen, muss sich nicht an das Korsett eines Kinofilmes halten. Das epische Erzählen treibt Filmemacher wie Jane Campion zum Fernsehen. Ganz langsam schält die Regisseurin mit ihrem Ko-Autor Gerard Lee immer mehr Konturen der Geschichte heraus. Es geht um viele dunkle Geheimnisse, inzestuöse Beziehungen, Morde und unerklärliche Todesfälle. Der Vergleich zu "Twin Peaks" von David Lynch ist berechtigt, nur dass "Top of the Lake" nicht so sehr in Surrealismus und Mystik abwandert.

    "House of Cards": Exzellente Darstellerleistungen
    Stilistisch ganz anders kommt "House of Cards", die neue US-Erfolgsserie mit Kevin Spacey als skrupellosen Politiker, daher. Der Begriff "Web- oder Online-Serie" führt in die Irre. Stilistisch unterscheidet sich "House of Cards" nicht von anderen US-Fernsehserien. Regie führten neben David Fincher so namhafte Hollywoodregisseure wie James Foley oder Joel Schumacher. Kevin Spacey ist in dieser Rolle ganz in seinem Element.
    "Was mich angeht, ich bin nur der Fraktionsführer unserer Partei. Ich halte die Dinge am Laufen in diesem kleinlichen und ermatteten Kongress. Mein Job ist die Rohre durchzublasen, damit die Scheiße abfließen kann. Aber nicht muss nicht mehr lange den Klempner spielen. Ich habe auf das richtige Pferd gesetzt und gewonnen. Geben und Nehmen. Willkommen in Washington."

    "House of Cards" wirkt trotz der vielen illustren Regienamen sehr homogen. Unterschiede in der Handschrift lassen sich nicht feststellen. Finchers Verdienst ist effektives Erzählen mit exzellenten Darstellerleistungen im Mittelpunkt. Wenn "Sat 1" nun sonntags um 23.15 Uhr jeweils nur eine Folge ausstrahlt, verschenkt man zu so später Stunde hochintelligentes Sehvergnügen. Serienfans sehen sich auch lieber mehrere Folgen am Stück an. Mutiger ist da schon die Entscheidung, immer mittwochs auf "Pro 7 Maxx" "House of Cards" in der Originalfassung auszustrahlen: ein Novum im deutschen Free TV. Und wenn Kevin Spacey sich über verlogene Politiker mokiert, die Familienwerte hochhalten, aber zu Prostituierten gehen, dann klingt das im Amerikanischen besonders zynisch.

    Bei "Homeland" sahen beim noch sehr jungen Spartensender "Pro 7 Maxx" bis zu 110.000 Zuschauer die OmU-Fassung, während auf SAT 1 etwa 1 - 1,2 Millionen einschalteten. So hat sich das Risiko gelohnt. Bei ARD und ZDF traut man sich weder Originalfassungen noch faire Sendeplätze. So lief am 1. November erstmals im ZDF die 5. Staffel der hochgelobten US-Serie "Mad Men", nachdem sie bisher nur auf ZDF Neo zu sehen war. Die Quoten sind ernüchternd. Zur späten Sendezeit um 23.30 Uhr erreichte man nur einen Marktanteil von ca. 3,5 Prozent. So haben vor allem die großen deutschen TV-Sender und Vollprogramme ein Problem. Sie wollen mit der Qualität von TV-Serien punkten, wissen aber nicht wie. Von Arte könnten sie so einiges lernen.