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Das Trauma der Kriegsgefangenen

Die US-Serie "Homeland" über die Rückkehr des US-Marines Brody aus der afghanischen Kriegsgefangenschaft ist in den USA und Europa ein großer Erfolg. Als Vorlage diente die israelische Serie "Hatufim - In der Hand des Feindes", die seit Donnerstag auf Arte zu sehen ist.

Von Susanne Luerweg | 09.05.2013
    "Schalom und herzlich willkommen zu unserer Sondersendung. Wir berichten über die Freilassung unserer vor 17 Jahren entführten Soldaten. "

    17 Jahre waren Uri und Nimrod in Gefangenschaft. Entführt bei einem geheimen Einsatz der israelischen Armee im benachbarten Libanon. Sie kehren in ein Land zurück, das sie nicht kennen. Zu Familien, die ihnen fremd sind. Und in ein Leben, auf das sie nicht vorbereitet sind.

    "Das ist Ratzaf . Dein Sohn. Er möchte dich auch begrüßen."
    "Freut mich."
    "Das war ja cool".
    "Was willst du? Ich kenn‘ den Typen doch überhaupt nicht."

    Die Gemeinsamkeiten zwischen "Hatufim" und "Homeland" sind in den ersten Folgen nicht zu übersehen. Genau wie Sergeant Brody in "Homeland" fremdeln die Heimkehrer in "Hatufim" mit ihrer alten, neuen Heimat. Selbst die Bildsprache ist ähnlich: die schnellen, hektischen Aufnahmen der jubelnden Menschen am Flughafen, die Slow-Motion-Bilder der Angehörigen in den Warteräumen. Es gibt die gleichen Gesten, die Begrüßung der Familien ist fast identisch. Trotzdem ist "Homeland" keine billige Kopie von "Hatufim", sondern die israelische Ursprungsserie ist einfach eine großartige Vorlage.

    Doch ein Unterschied fällt sofort ins Auge: Während in "Homeland" ein Held nach Hause kehrt, der sich auf den ersten Blick tough gibt, sind die zwei ehemaligen Soldaten im israelischen Original gebrochene Charaktere. Keine vermeintlichen Posterboys, sondern ihrer Männlichkeit beraubte Wracks. Beide Storys haben ihren Reiz. Dennoch wirkt "Hatufim" tiefgründiger, und die Serie zeigt zwei Charaktere, die in der Gefangenschaft stark zusammengewachsen sind.

    "Und?"
    "Komisch irgendwie".
    "Kommst du klar?"
    "Wir treffen uns morgen wieder, oder?"
    "Nurid meinte, das ist die Schwester gewesen von ..."
    "Ja, ich weiß."
    "Alles wird gut."
    "Wir sind zu Hause."

    In beiden Serien scheint jeweils ein ehemaliger Gefangener tot in seine Heimat zurückzukehren. Während es in "Homeland" schon schnell heißt , dass Brody seinen Kameraden getötet hat, bleibt die Rolle der Überlebenden in "Hatufim" zunächst ungeklärt. Was genau in der Gefangenschaft passiert ist, gilt es herauszufinden.
    Diesem so genannten militärischen Debriefing widmet das israelische Original sehr viel mehr Zeit als die US-Adaption. In der amerikanischen Serie wird der Heimkehrer von einer großen Runde Militärs befragt. In "Hatufim" kommen die beiden Protagonisten Nimrod und Uri für längere Zeit in ein spezielles Center, wo sie die Erlebnisse der Gefangenschaft erneut durchleben. Grausamer, aber nachvollziehbar.

    "Die Kette hing von der Decke runter. Sie war so an den Händen zusammen. Ich war dadurch immer nach vorne gebeugt. Immer kamen Leute rein und schlugen mich. Ich hatte einen Sack auf dem Kopf."
    "Könnten Sie es mir einmal zeigen?"

    "Hatufim" ist ein starkes Original, denn die traumatischen Erlebnisse der Gefangenschaft und die Veränderung der Protagonisten durch Folter und Terror werden eindrucksvoll filmisch und erzählerisch umgesetzt.

    Eine großartige Vorlage also, aber vom Stil her doch ganz anders als die thrillerhafte US-Serie. "Hatufim" kommt einem psychologischen Kammerspiel gleich, und das geht phasenweise mehr unter die Haut als die zahlreichen Orts-und Szenenwechsel in "Homeland".

    "Ich möchte Sie unterstützen."
    "Mich unterstützen? Sie wollen also nicht herausfinden, ob ich an der Folter zerbrochen bin, welche Geheimnisse ich verraten habe? Wie mein Verhalten war?"

    Wer also "Homeland" schon kennt, wird "Hatufim" dennoch mit Begeisterung sehen.