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Lee Fields
Soulige Reise an einen glücklichen Ort

Der amerikanische Soulsänger Lee Fields ist schon 45 Jahre im Geschäft. Aber erst mit seinem Album "My World" gelang ihm 2009 der Schritt ins Rampenlicht. Seine neue Platte heißt "Emma Jean". Darauf beweist Fields, dass er immer noch in Höchstform ist.

Von Anke Behlert | 31.05.2014
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    Lee Fields steht schon seit mehr als 45 Jahren auf der Bühne. ( picture alliance / Foto: Peter Kneffel)
    Wenn man sich das Leben von Lee Fields nur in Form von Zahlen veranschaulicht, hat man schon reichlich Grund zum Staunen. 1969 hat er seine erste Single aufgenommen, seine Platten sind bei 13 verschiedenen Labels erschienen und er hat, von einem kurzen Abstecher ins Immobiliengeschäft in den 80ern abgesehen, ununterbrochen im Studio oder auf der Bühne gestanden. Heute ist Fields eine der wichtigsten Figuren der sogenannten Retro-Soul-Bewegung. Wobei das Wort "retro" bei Lee Fields ein wenig unpassend erscheint, schließlich ist er von Anfang an mit dabei. Der Soul von damals unterscheidet sich seiner Meinung nach nicht sonderlich vom aktuellen. Nur die Umstände haben sich geändert.
    "Die Musik brachte den Menschen Freude. Es gab Rassenkonflikte und die Bürgerrechtsbewegung. Aber in dem Moment, wo man das Radio anmachte, sang dort jemand und man konnte all das hinter sich lassen. Das ist die Aufgabe von Musik. Musik muss dich für eine kurze Zeit an einen anderen Ort bringen können. Als die Soulmusik in den 60ern populär wurde, waren die Menschen nicht besonders glücklich, aber die Musik war inspirierend. Heute ist das genauso. Die wahren Soulsänger wollen ihre Zuhörer für einen Moment an diesen Ort bringen. Das zeichnet Soulmusik in meinen Augen aus."
    Seinen späten Erfolg verdankt Lee Fields auch der Beharrlichkeit der New Yorker Plattensammler Philipp Lehman und Gabriel Roth. Sie hatten sich in den Kopf gesetzt, ein paar neue Stücke mit ihm aufzunehmen, und machten ihn ausfindig. 1996 gründeten sie ihr eigenes Label mit Hausband und allem, was dazu gehört. Daraus entstanden später die beiden Label Daptone Records und Truth & Soul Records, die sich mit Künstlern wie Sharon Jones, Charles Bradley oder eben Lee Fields einen Namen machten.
    Mischung aus Bescheidenheit und Selbstvertrauen
    Fields musikalische Heimat ist der Southern Soul, also die etwas erdigere, rauere Variante, die treibenden Rhythm & Blues mit Gospel verbindet. Auf "Emma Jean" schöpft er aus dem Kern dessen, was diese Musik ausmacht und kleidet die vertrauten Klänge in ein modernisiertes Gewand. Es gibt zum Beispiel Country-Soul- und Bluesrock-Elemente, die sich wie fehlende Puzzleteile nahtlos in die Songs einfügen. So hat nicht nur Black-Keys-Gitarrist Dan Auerbach einen Song beigesteuert, Fields interpretiert auch das Stück "Magnolia" des im letzten Jahr verstorbenen Songwriters J.J. Cale ganz wunderbar neu.
    Für die Texte sucht sich Lee Fields Geschichten aus, die er mit seinem warmen, rohen Gesang am glaubwürdigsten rüberbringen kann.
    "Bei allen Stücken ist es entscheidend, ob ich sie so vortragen kann, dass sie den Hörer bewegen. Ich nehme dann die Rolle der Hauptfigur ein, auf der Bühne und im Studio. Ich muss die Geschichte authentisch vortragen können, so als wäre es mein Leben, das ich dort ausbreite. Das ist wie bei Schauspielern, nur dass ich eben singe."
    Wer schon mal ein Konzert von Lee Fields gesehen hat, weiß, dass er keine Schwierigkeiten hat, sein Publikum mitzureißen und, wie er sagt, an einen anderen Ort zu bringen. Seine Spiritualität spielt dabei eine wichtige Rolle. Er hat diese Mischung aus Bescheidenheit und Selbstvertrauen, kann im entscheidenden Moment den charmanten Entertainer rauslassen und im nächsten der bodenständige Familienmensch sein.
    "Wenn ich singe, versuche ich, meine Seele nach außen zu kehren. Der Entertainer in mir lässt sich vom Geist der Musik leiten. Der Entertainer ist das Ego eines Menschen. Natürlich musst du dem Ego Freiraum lassen, wenn du eine Bühne betrittst. Das kann ich sehr gut. Aber wenn dann das letzte Lied zu Ende ist, packe ich mein Ego wieder weg, um demütig und bescheiden zu sein. Denn das ist die Art, wie man leben sollte."
    Dank seiner Ausdauer, dem unerschütterlichem Glauben an sein Talent und natürlich dem kongenialen Musikerkollektiv im Rücken kann Lee Fields 45 Jahre nach seinem Karrierestart endlich den verdienten Erfolg feiern. Mit "Emma Jean" festigen Lee Fields and The Expressions ihren Platz an der Spitze der neuen alten Soulmänner und -frauen. Möge sie der Geist der Musik noch viele Male heimsuchen.