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Leicht, aber stabil

Luftfahrt.- Durch das Leichtbauverfahren sollen die Flugzeuge von morgen sparsamer werden. Daher werden neben dem Rumpf auch die Tragflächen moderner Jets aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen bestehen. Damit die leichten Flügel hinreichend stabil sind, machen Forscher in Göttingen derzeit Tests im Windkanal.

Von Ralf Krauter |
    Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Zweigstelle Göttingen. Holger Mai steht in einer Halle, groß wie ein Flugzeughangar. Vor ihm: Eine riesige blaue Stahlkammer, in die links und rechts ein meterdickes graues Rohr mündet. Bei Experimenten sorgt ein Kompressor im Stockwerk darunter dafür, dass in der Röhre ordentlich der Wind pfeift.

    "Also was wir jetzt hier sehen, ist der transsonische Windkanal Göttingen. Der Windkanal ist 50 Meter lang. Die Luft läuft kontinuierlich im Kreis herum. Mit diesem Windkanal kann man Fluggeschwindigkeiten von Mach 0,3 bis Mach 2,5 – das ist also die 2,5-fache Schallgeschwindigkeit – simulieren."

    Momentan begnügt sich der Physiker vom Institut für Aeroelastik allerdings mit Mach 0,8 - der Reisefluggeschwindigkeit moderner Passagierflugzeuge. Um deren Nachfolger leichter und damit sparsamer zu machen, setzen Ingenieure große Hoffnung in Kohlefaser-Verbundwerkstoffe. Rumpfsegmente und Leitwerke bestehen bereits heute zum Teil daraus – künftig wohl auch die Tragflächen.

    Durch eine gelbe Stahltür gelangt Holger Mai ins Innere des blauen Containers, in dem sich die Versuchskammer befindet. Ein Mal einen Meter beträgt der Querschnitt der Windkanalröhre hier.

    "In diese Messstrecke, die wir hier sehen, haben wir jetzt zwei Versuchsaufbauten eingebaut. Der vordere Versuchsaufbau ist ein Böengenerator. Das heißt, da haben wir ein ganz einfaches symmetrisches Profilmodell, was wir zu Schwingungen anregen, was dann in seinem Nachlauf uns diese instationären Böen erzeugt."

    Ein Fenster in Kopfhöhe erlaubt den Blick ins Innere des Windkanals. Man erkennt ein schwarzes Flügelprofil, einen Meter lang, 30 Zentimeter tief und symmetrisch geformt. Über zwei Hydraulikmotoren lässt es sich schnell und dosiert um bis zu zehn Grad neigen. Dadurch entstehen Luftwirbel, wie sie extreme Windböen hervorrufen. Etwa einen Meter hinter dem Böengenerator treffen diese Verwirbelungen auf das eigentliche Testobjekt - einen gepfeilten Flugzeugflügel.

    "An der zweiten Stelle hier haben wir dann ein elastisches Kohlefasermodell eingebaut, was uns also den Transportflugzeugflügel oder auch ein Höhenleitwerk simuliert. Und dieses antwortet dann durch seinen flexiblen Aufbau auf die instationäre Strömung, die der Böengenerator dort vorne angefacht hat."

    Die Luftwirbel verformen den 60 Zentimeter langen Testflügel so kräftig, dass seine frei hängende Spitze in Sekundenbruchteilen bis zu drei Zentimeter ausschlägt. Knapp 100 Druck- und Beschleunigungsfühler in der Tragfläche registrieren, was genau dabei passiert. Das Ziel der Datenerfassung im Wirbelstrom: Besser zu verstehen, welche Belastungen ein Kohlefaserflügel aushält, erklärt Dr. Ralph Voß vom DLR-Institut für Aeroelastik.

    "Wir müssen beim Entwurf des Flugzeugs sicherstellen, dass die Struktur dem widerstehen kann. Je genauer man das machen kann, desto dichter kann man auch an die Sicherheitsgrenzen herangehen. Wenn wir es nicht genau machen, müssen wir große Sicherheitsfaktoren einplanen – und man schöpft das Potenzial der Baumöglichkeiten unter Umständen nicht voll aus. Und man könnte vielleicht noch leichter bauen, wenn man es geschickter machen würde. Dazu bedarf es aber genauer Berechnungsmethoden. Und die überprüfen wir hier zum Beispiel an solchen Windkanalexperimenten."

    Die Messwerte sollen helfen, Computersimulationen zu verfeinern, mit denen Flugzeugbauer künftige Leichtbau-Tragflächen aus Kohlefaser optimieren. Denn nur wer genau weiß, welche Kräfte bei heftigen Turbulenzen wirken, kann auf überflüssige Verstrebungen verzichten – und so Gewicht und Kerosinverbrauch wirkungsvoll senken.

    Auch den Komfort der Passagiere haben die DLR-Forscher im Visier. Schon Böen, die nur halb so stark sind, wie jene, die sie im Windkanal nachstellen, würden im Flug nämlich viele blass werden lassen.

    "Um das abmindern zu können, braucht man Flugregelsysteme, die hinten mit Steuerflächen am Flügel oder am Leitwerk dieser Böe entgegen wirken – und somit diese instationäre Last, die auf den Flügel und damit das Flugzeug und den Auftrieb einwirken, kompensieren können. Solche Systeme sollen in ihrer Entwicklung verbessert werden durch unsere Messungen und Berechnungen."