Im ersten Moment könnte man meinen, Christian Stückl habe sich bei seiner "Palestrina"-Inszenierung vor jedem zupackenden Regiegriff gedrückt und das ganze Spiel in eine distanzierte bonbonfarbene Künstlichkeit gerückt, um das Werk letztlich sich selbst zu überlassen, soll doch jeder raus lesen, was er will. Die historische Dimension hat ihn jedenfalls nicht interessiert, das politisch zerstrittene Tridentiner Konzil im 16. Jahrhundert, als sich die katholische Kirche der lutherischen Massenbewegung ausgesetzt sah, innere Reformen suchte und um eine geistliche Musik rang, die mancher durch den polyphonen Figuralstil und die Geburt der Oper in Florenz bedroht sah.
Auch die Legendenbildung um den Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina hat Stückl nicht interessiert, eine Legende, die aber Pfitzner vertont hat, dass nämlich Palestrina mit seiner Missa Papae Marcelli den Papst so bezaubert habe, dass das Kirchenoberhaupt die angedrohte Rückkehr zum Gregorianischen Choral nicht wahrmachte.
Für einen eigenen Regieansatz auch nicht aufgreifen wollte Stückl Pfitzerns Vorstellung, mit seinem Opus Magnum dem Dom der deutschen Musikromantik den Schlussstein einzusetzen, um die Tradition gegenüber der futuristischen Entwicklung der neuen Musik eines Ferruccio Busoni zu bewahren. Und schließlich hat Stückls Inszenierung weder etwas mit der die Oper durchdringenden Weltverneinung im Sinne Schopenhauers am Hut, noch mit der romantischen Idee des Künstlers als göttlich inspiriertem Genie, was das Werk aber im höchsten Maße zelebriert.
Zum Vorspiel des ersten Aktes erscheint eine Bühne, die wie ein überdimensioniertes Puppenhaus aussieht, vorn ein Zimmer mit ausgeschnittenen Fenstern, rechts und links Treppen, die im Bogen zum ersten Stock führen, alles in Schwarz-weiß, wie auch Palestrinas Gesicht puppenweiß geschminkt ist, als er vom Tod seiner Frau Lukrezia gelähmt, vergeblich zu komponieren versucht.
Kardinal Borromeo erscheint in weitem weißen Mantelornat und weißem Gesicht, um Palestrina mit der exemplarischen Messe zu beauftragen. Wenn dann die verstorbenen Komponistengrößen als schwarz-weiße Zombiepuppen erscheinen, giftgrüne Engel vom giftgrünen Himmel fliegen, um Palestrina die bestellte Messe einzuflüstern, und wenn die Konzilsversammlung zum pinkfarbenen Schaulauf kühlprächtiger Designerkutten mutiert und eine Strechlimousine den Abgesandten des Papstes herankarrt, dann fühlt man sich in einen vom amerikanischen Kitsch-Meister Jeff Koons erdachten Comic in Teletubbi-Farben versetzt.
Das ist vom Bühnen- und Kostümbildner Stefan Hageneier witzig und gekonnt umgesetzt, macht einen aber zuerst nicht wirklich froh, weil diese an Themen reiche Oper damit ins Unverbindliche gerückt scheint. Allerdings hat Stückl mit seiner Personenführung bis hierhin schon sehr viele sehr schöne kleine Binnenpassagen gestaltet, die sehr feinsinnig mit der Musik kommunizieren. Auch die große Masse der in einer Schlägerei ausartenden Konzilsversammlung hat er bestens choreographiert. Wie auch Simone Young als Dirigentin und das Bayerische Staatsorchester sehr lyrisch die Melancholie gestalten, ironisch und zupacken den Zynismus des Intrigantenstadls Konzil.
Nur die himmlische Inspirationsszene brachten die Musiker nicht zur Blüte. Der Chor und die fast 40 Solostimmen legten sich kräftig ins Zeug, von ein paar Ausrutschern abgesehen auf hohem Niveau, allen voran Christopher Ventris als Palestrina, Michael Volle als Morone, Falk Struckmann als Borromeo und die engelhaft klare Christiane Karg als Palestrinas Sohn Ighino:
Und erst mit dem dritten Akt nach drei Stunden Musik setzt Christian Stückl seinen entscheidenden Schlussstein, der die bis dahin vermeintlich kunterbunte Unverbindlichkeit auflöst. Ein riesiges Bildnis des leidenden Christus samt Dornenkrone, im Andy-Warhol-Stil koloriert, prangt auf der Bühne. Davor Palestrina gebeugt wie Christus nach der Geißelung mit einer Decke über den Schultern. Jetzt enthüllt sich die schon zuvor immer wieder angedeutete Kreuzesmetaphorik. Palestrina versteht sich als zerbrochenes Gefäß, dem Liebeshauch entsteigt, so das Libretto. Christian Stückl, Spielleiter der Oberammergauer Passionsfestspiele, hat auch aus Pfitzners "Palestrina" eine Passion gemacht. Christliche Leidensmystik im Pop-Design. Schopenhauers Weltverneinung kreuzestheologisch gewendet im Comic. Glückwunsch.
Auch die Legendenbildung um den Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina hat Stückl nicht interessiert, eine Legende, die aber Pfitzner vertont hat, dass nämlich Palestrina mit seiner Missa Papae Marcelli den Papst so bezaubert habe, dass das Kirchenoberhaupt die angedrohte Rückkehr zum Gregorianischen Choral nicht wahrmachte.
Für einen eigenen Regieansatz auch nicht aufgreifen wollte Stückl Pfitzerns Vorstellung, mit seinem Opus Magnum dem Dom der deutschen Musikromantik den Schlussstein einzusetzen, um die Tradition gegenüber der futuristischen Entwicklung der neuen Musik eines Ferruccio Busoni zu bewahren. Und schließlich hat Stückls Inszenierung weder etwas mit der die Oper durchdringenden Weltverneinung im Sinne Schopenhauers am Hut, noch mit der romantischen Idee des Künstlers als göttlich inspiriertem Genie, was das Werk aber im höchsten Maße zelebriert.
Zum Vorspiel des ersten Aktes erscheint eine Bühne, die wie ein überdimensioniertes Puppenhaus aussieht, vorn ein Zimmer mit ausgeschnittenen Fenstern, rechts und links Treppen, die im Bogen zum ersten Stock führen, alles in Schwarz-weiß, wie auch Palestrinas Gesicht puppenweiß geschminkt ist, als er vom Tod seiner Frau Lukrezia gelähmt, vergeblich zu komponieren versucht.
Kardinal Borromeo erscheint in weitem weißen Mantelornat und weißem Gesicht, um Palestrina mit der exemplarischen Messe zu beauftragen. Wenn dann die verstorbenen Komponistengrößen als schwarz-weiße Zombiepuppen erscheinen, giftgrüne Engel vom giftgrünen Himmel fliegen, um Palestrina die bestellte Messe einzuflüstern, und wenn die Konzilsversammlung zum pinkfarbenen Schaulauf kühlprächtiger Designerkutten mutiert und eine Strechlimousine den Abgesandten des Papstes herankarrt, dann fühlt man sich in einen vom amerikanischen Kitsch-Meister Jeff Koons erdachten Comic in Teletubbi-Farben versetzt.
Das ist vom Bühnen- und Kostümbildner Stefan Hageneier witzig und gekonnt umgesetzt, macht einen aber zuerst nicht wirklich froh, weil diese an Themen reiche Oper damit ins Unverbindliche gerückt scheint. Allerdings hat Stückl mit seiner Personenführung bis hierhin schon sehr viele sehr schöne kleine Binnenpassagen gestaltet, die sehr feinsinnig mit der Musik kommunizieren. Auch die große Masse der in einer Schlägerei ausartenden Konzilsversammlung hat er bestens choreographiert. Wie auch Simone Young als Dirigentin und das Bayerische Staatsorchester sehr lyrisch die Melancholie gestalten, ironisch und zupacken den Zynismus des Intrigantenstadls Konzil.
Nur die himmlische Inspirationsszene brachten die Musiker nicht zur Blüte. Der Chor und die fast 40 Solostimmen legten sich kräftig ins Zeug, von ein paar Ausrutschern abgesehen auf hohem Niveau, allen voran Christopher Ventris als Palestrina, Michael Volle als Morone, Falk Struckmann als Borromeo und die engelhaft klare Christiane Karg als Palestrinas Sohn Ighino:
Und erst mit dem dritten Akt nach drei Stunden Musik setzt Christian Stückl seinen entscheidenden Schlussstein, der die bis dahin vermeintlich kunterbunte Unverbindlichkeit auflöst. Ein riesiges Bildnis des leidenden Christus samt Dornenkrone, im Andy-Warhol-Stil koloriert, prangt auf der Bühne. Davor Palestrina gebeugt wie Christus nach der Geißelung mit einer Decke über den Schultern. Jetzt enthüllt sich die schon zuvor immer wieder angedeutete Kreuzesmetaphorik. Palestrina versteht sich als zerbrochenes Gefäß, dem Liebeshauch entsteigt, so das Libretto. Christian Stückl, Spielleiter der Oberammergauer Passionsfestspiele, hat auch aus Pfitzners "Palestrina" eine Passion gemacht. Christliche Leidensmystik im Pop-Design. Schopenhauers Weltverneinung kreuzestheologisch gewendet im Comic. Glückwunsch.