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Leitartikel auf Buchlänge

Deutschland zeigt Flagge. Auch die politische Literatur schmückt sich seit einiger Zeit mit den Nationalfarben oder führt die Nation in ihren Titeln. Was für ein Deutschland-Bild vermitteln diese Bücher? Peter Haischer hat sich über den Trend zum schwarz-rot-goldenen Buch Gedanken gemacht.

    Kaum ist die WM vorbei, wird das stolz im Wind flatternde deutsche Fähnchen wieder zum Jammerlappen. Es steht wieder mal schlecht um Deutschland. Das hört und liest man allerorten.

    In den Buchläden türmen sich schon seit einiger Zeit Bücher in den Warnfarben Schwarz, Rot, Gelb: Schwarz ist die Zukunft, Rot die Wut und Gold steht wahlweise für die Korruption oder das Damals des Wirtschaftswunders, als wir wieder wer und noch wer waren. Aber das Wunder von Bern hat sich ja leider nicht wiederholt.

    Manche Titel tragen Trauer: "Das deutsche Führungsproblem", "Wie unser Land im Filz versinkt", "Über die Unfähigkeit unserer Politiker", so die Haupt- oder Untertitel, die uns sagen, wie es um uns steht. Schuld an der Misere trägt hier die politische Klasse. Entweder besteht sie wie bei Thomas Wieczorek aus Stümpern, oder aus Kriminellen, wie bei Jürgen Roth, oder aus beidem: Korruption statt Kompetenz. Zum Glück genießen wir zurzeit wenigstens die konstant schöne Wetterlage einer Bananenrepublik. Sonst blieben uns wieder nur Entrüstung oder Trübsal.

    Während die einen schwarzsehen, stimmen die Visionäre der rosaroten Brille in den Aufruf ein vom Ruck, der durch Deutschland gehen müsse. "Worauf warten wir?", fragt etwa der Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf; und Ulrike Fokken erklärt: "So geht’s, Deutschland!" Vom Sitzenbleiber zum Klassenbesten? Na klar. Gern erteilen die Autoren Nachhilfe in Sachen Politik. Ihr guter Rat ist gar nicht teuer: Für etwa zwölf Euro lassen sich die Probleme der Republik lösen.

    Tenor dieser Politbücher ist: Hauptsache Handeln. Da wird schnell aus Schach "Mensch ärgere Dich nicht". Schaffen wir doch einfach den Bundesrat ab, rät Thomas Darnstädt in "Konsens ist Nonsens". Kopieren wir doch einfach die erfolgreichen Länder in Europa, meint Ulrike Fokken. Wenn es doch so einfach wäre.

    Es ist wohl wahr: Regieren können alle, nur nicht die Regierenden. Der Marktplatz der Meinungen wird zum Gemeinplatz der Politikverdrossenheit. Denn natürlich haben wir das alles schon mal gehört und gelesen. Nur kürzer. Denn die Verfasser dieser Bücher sind meist Journalisten, und einige von ihnen scheinen gerne ihre Leitartikel und Kommentare auf Buchlänge auszuwalzen.

    Neu ist allerdings der patriotische Unterton, den selbst die Apologeten der großen deutschen Krise anklingen lassen. Deutschland, komm doch wieder nach vorne! Gesucht wird das zweite Wirtschaftswunder mit vorsichtig dosiertem Wir-Gefühl, das sich nun endlich auch mal in seine Nationalfarben werfen darf.

    Und jede Seite zeigt da Flagge, getreu unserer politischen Farbenlehre. Die Schwarzen sagen, endlich dürfen wir Patrioten sein. Rot warnt traditionsgemäß vor Nationalismus. Und die goldene Mitte? Die scheint’s noch nicht zu geben. Stellt sich die Frage, ob das noch deutscher Reflexionszwang ist oder bereits nationale Schizophrenie.

    Bücher:

    Thomas Wieczorek: Die Stümper. Über die Unfähigkeit unserer Politiker.

    Ulrike Fokken: So geht’s, Deutschland! Was wir von unseren Nachbarländern lernen können.

    Notker Wolf: Worauf warten wir? Ketzerische Gedanken zu Deutschland.

    Thomas Darnstädt: Konsens ist Nonsens. Wie die Republik regierbar wird.

    J.W. Falter (u.a.): Sind wir ein Volk? Ost- und Westdeutschland im Vergleich.

    Hildegard Hamm-Brücher: In guter Verfassung? Nachdenken über die Demokratie in Deutschland.

    Olaf Baale: Das deutsche Führungsproblem. Kompendium der Arbeitsfreude in Staat und Wirtschaft.

    Hans Leyendecker: Die Korruptionsfalle. Wie unser Land im Filz versinkt.

    Hans-Olaf Henkel: Die Kraft des Neubeginns. Deutschland ist machbar.