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Lernen Kinder die neue Rechtschreibung besser?

"Die Rechtschreibreform ist völlig in Ordnung - wenn man weder lesen noch schreiben kann", sagt Loriot. Ein hübsches Bonmot, dem eine kleine Korrektur zur Wahrheit fehlt: Die Rechtschreibreform ist völlig in Ordnung, wenn man noch nicht lesen und schreiben kann. Die übergroße Mehrheit der Grundschullehrer hat nämlich gute Erfahrungen mit der Vermittlung der Rechtschreibung in der neuen Form gemacht. Kinder, die über die tausend Ausnahmen der deutschen Orthografie nicht mehr stolpern - "Trenne nie ST, denn es tut ihm weh!" - lernen das Schreiben mit weniger Frust.

Moderation: Eva-Maria Götz |
    Niemand, auch kein Befürworter der Reform, bestreitet, dass es immer noch Unlogisches gibt, dass jede neue Dudenauflage Korrekturen ausweisen wird. Aber seien wir doch ehrlich: Wer von den "Erwachsenen" kann von sich behaupten, jede einzelne Regel der Kommasetzung, der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Groß- und Kleinschreibung sicher zu beherrschen. Das trifft, jede Wette, weder auf die Großschriftsteller zu noch auf die Chefredakteure einiger wichtiger Zeitungen, die Kraft Ihrer Auflagen und Ihres Einflusses meinen, eine Reform stoppen zu können, deren Umsetzung schon sehr weit fortgeschritten ist - vor allem dort, wo Lesen und Schreiben beginnt.

    Die bildungsbeflissenen Eltern und Großeltern haben nicht nur vergessen, wie schwer es ihnen selbst gefallen ist, das Regelwerk der deutschen Schreibung zu verinnerlichen - sie können es offenbar auch nicht ertragen, ihr mühsam eingeübtes Herrschaftswissen über all die Feinheiten der Fremdwortschreibung einfach als nicht mehr zeitgemäß aufzugeben.

    Stellen wir uns einen Elfjährigen vor, der Papa oder Oma erklärt: "Hör mal, Schifffahrt schreibt man aber mit drei F." Welche Reaktion wird den Lernwillen des Kindes eher befördern:

    a) Na ja, das sagt vielleicht deine Lehrerin - aber weißt du, ich schreibe das weiter so, wie ich es für richtig halte.

    b) Hm, ich habe das zwar anders gelernt - aber erklär mir doch mal, warum ihr das so macht.

    Gesprächspartner:

    Ulrich Hecker, Schulleiter der Regenbogen-Grundschule in Moers
    Regenbogen-Grundschule in Moers

    Bert Märkl, Deutschlehrer und Schulleiter am Greselius-Gymnasium Bramsche.

    Weitere Links zum Thema:

    Philologenverband Niedersachsen

    Institut für Deutsche Sprache: Regeln und Wörterverzeichnis

    Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform

    Spiegel-Online: 222 Jahre Regelrangeln

    Die Zeit: Rechtschreibung

    Tagesschau.de: Debatte um Rechtschreibreform

    Die Zeit: Eine Umfrage unter deutschen Buchverlegern

    Literatur:

    W.Bos. u.a. (Hg.):
    Internationale Grundschul-Leseuntersuchung (lGLU )
    Einige Länder der Bundesrepublik Deutschland im nationalen und internationalen Vergleich.
    Waxmann-Verlag 2003

    Reiner Kunze (u.a.)
    Deutsch. Eine Sprache wird beschädigt
    Herausgegeben von der
    Bayerischen Akademie der Schönen Künste
    in Zusammenarbeit mit der
    Forschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS)
    120 Seiten, bibliophil gebunden.
    ISBN 3-923657-74-9. Euro12,80


    Zur Reform der deutschen Rechtschreibung
    Ein Kompromißvorschlag

    Hg. von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
    144 Seiten, brosch
    ISBN 3-89244-655-5

    E-Mail: forumpisa@dradio.de

    Die nächste Sendung:
    Freitag, 10. September 2004, 10.10 Uhr bis 11.30 Uhr
    Forum PISA
    Eine Schule, viele Kulturen
    PISA vor Ort in der Kerpler-Oberschule, Berlin-Neukölln
    Moderation: Jürgen Wiebicke

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