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Lernen von Amerika

Der 6. Berliner Politikkongress, eine Art Vollversammlung der Politikberatung unter Beteiligung von Lobbyisten, Kampagnenmanager, Journalisten und Politikern, war laut Rüdiger Suchsland geprägt vom US-Präsidentschaftswahlkampf. Die USA seien vor allem auf dem Gebiet der Spendenwerbung immer noch Vorbild. Vor dem Superwahljahr 2009 machten sich die deutschen Parteien verstärkt Gedanken, wie sie nach amerikanischem Vorbild bessere Kampagnen - beispielsweise im Internet - bewerkstelligen könnten, so Suchsland.

Moderation: Karin Fischer |
    Karin Fischer: Der Berliner Politikkongress ist eine Art Vollversammlung der Politikberatung. Lobbyisten, Kampagnenmanager, Pressesprecher, Journalisten und ein paar Politiker treffen sich hier, diskutieren über die Zukunft der Politik oder über Politikverdrossenheit, über die vierte Gewalt in der Inszenierungsfalle oder, in diesem Jahr schwerpunktmäßig, über die Lehren, die aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf zu ziehen sind, der bekanntlich auch eine mediale Überwältigungskampagne war. Barack Obama hatte so viel Geld gesammelt, dass er sich Stunden bester Sendezeit im Fernsehen kaufen konnte. Und er hat den Wahlkampf revolutioniert, indem er ihn der Millennial Generation, den jungen Erwachsenen und ihren mobilen Medien in die Hand gegeben hat. Heute heißt diese Generation deshalb schon "Generation O". Mein Kollege Rüdiger Suchsland hat für uns den 6. Politikkongress in Berlin beobachtet. Herr Suchsland, was sind denn die Lehren, die man aus Barack Obamas "Campaigning For Change" ziehen könnte?

    Rüdiger Suchsland: Ja, was man gemerkt hat, ist, dass Amerika immer noch das Vorbild ist. Nächstes Jahr ist in Deutschland ja das Superwahljahr mit ganz vielen Landtagswahlen und der Bundestagswahl. Und nun hat keine deutsche Partei einen Obama, deswegen versucht man vor allem daraus zu lernen, wie kann man an Geld kommen, wie kann man vielleicht die Kampagnen ein bisschen verbessern, zum Beispiel, was kann im Internet machen. Dann merkt man schon immer an den Äußerungen der Politiker, zum Beispiel in dem Zukunftsforum auf dem Politikkongress in Berlin, dass da noch so ein bisschen Hilflosigkeit herrscht. Natürlich versucht man dann im Internet irgendwie wahnsinnig witzig zu sein, manche Politiker machen Blogs. Aber so richtig wie Obama ist eben nur Obama.

    Fischer: Sie haben das Internet angesprochen, die Blogs. Was spielen denn die sogenannten Bürgermedien eigentlich für eine Rolle?

    Suchsland: Die Medien in der Bundesrepublik, überhaupt in Europa, sind wahrscheinlich auch noch traditioneller als in Amerika. Und nach wie vor, da waren sich eigentlich alle einig, versucht man zwar ein bisschen neue Inszenierungen in der Politik, aber auf wirklich neue Ideen ist da noch niemand gekommen. Es ist so, dass zum Beispiel ein Vertreter der "Tagesschau" da war und der meinte eigentlich, die Blogs bringen gar nichts. Für die "Tagesschau" ist das keine Konkurrenz, das ist sicher richtig. Man merkt ja auch, dass viele Online-Medien eigentlich von traditionellen Medien sich speisen. Es gibt "Spiegel Online", "Bild Online", "Focus Online", so was in der Art. Und was ganz interessant ist, dass nun ausgerechnet die "Bild-Zeitung" unter dem Mantel der Demokratisierung jetzt neuerdings im Supermarkt Billig-Kameras verkauft, gerade seit gestern zusammen mit einer Zugangssoftware, um dann Leserreporter zu aktivieren. Es heißt dann, damit wird das demokratischer. Es war auch ein Herr da von der "Bild-Zeitung", der sagte, das ist nun mal so, die Hofmalerei wird abgeschafft. Aber es ist natürlich de facto dann, wenn jeder Journalist ist, jeder Leser Journalist ist, dann heißt es auch, keiner ist mehr wirklich Journalist. Und vor allem wird natürlich niemand dafür bezahlt. Das ist erst mal ein Versuch, billigen Journalismus zu machen.

    Fischer: Es gibt auf dem Politikkongress ja immer auch ein bisschen Politzirkus, also Show, eine Diskussion zwischen Guido Westerwelle und Gregor Gysi wurde deshalb tatsächlich auch Duell genannt. In Zeiten der Krise, in denen einer Kanzlerin Führungsschwäche vorgeworfen wird und die Rezepte von allen Seiten fehlen, war das sicher eine interessante Konstellation?

    Suchsland: Ja, das war eine sehr interessante Konstellation, weil das natürlich auch zwei Leute sind, Gysi und Westerwelle, die sich perfekt zu inszenieren wissen, die allerdings auch beide vielleicht am gleichen Problem leiden. Und das hat man auch gestern wieder ein bisschen merken können, dass da manchmal mehr Show als Substanz dahinter ist. Das war auch ganz interessant für diesen ganzen Kongress. Auf der einen Seite sehr interessante Sachen, auch Insidereinblicke, man konnte sich auch schlau machen über moderne Kampagnenführung und Mitgliedermobilisierung und solche Sachen, Gegnerbeobachtung. Gleichzeitig aber hat man dann auch gemerkt, es ging dann auch dem Kongress ein bisschen um Show. Darum haben sie Gysi und Westerwelle eingeladen. Und das ist natürlich sehr unterhaltsam gewesen, sehr schlagfertig. Wenn man drüber nachdenkt, was davon übrig blieb, kann ich sagen, mir ist da jetzt nicht so viel Substanzielles im Gedächtnis. Ich habe nichts Neues gelernt.

    Fischer: Was die politische Kommunikation betrifft, Sie haben es erwähnt, ist das nächste Großereignis die Bundestagswahl 2009 beziehungsweise das Superwahljahr. Muss man sich eigentlich Sorgen machen?

    Suchsland: Ja, man muss sich, glaube ich, schon ein bisschen Sorgen machen. Die anwesenden Fachleute, die haben sich teilweise auch Sorgen gemacht. Eine Dame von der Universität Erlangen, Christina Holtz-Bacher, die hatte eigentlich einen sehr pessimistischen Blick auf die Dinge. Die hat schon gesagt, es wird immer eine Nachfrage geben nach der Orientierung über Journalismus, aber wer fragt danach. Das sind dann oft halt die gebildeteren Stände. Und wir haben ja gerade gestern die Meldung gehört, die Deutschen, jeder vierte Deutsche liest kein Buch mehr und es lesen manche Schichten auch immer weniger Zeitung. Deswegen kann man schon sagen, es gibt so ein bisschen am Horizont die Gefahr eines neuen Klassensystems, das dann über Bildung strukturiert wird, über den Zugang zu Informationen. Und die breite Masse, da sieht man eigentlich, dass die sich immer weniger informieren, immer weniger wissen und insofern auch viel leichter manipulierbar sind.

    Fischer: Und für die Kaste, sage ich jetzt mal, der Politiker gesprochen, der Trend immer mehr Zirkus und Show zu machen als Inhalte zu vermitteln?

    Suchsland: Ja, leider. Das hat ja schon Schröder vor zehn Jahren gesagt, mit "Bild", "BamS" und "Glotze" kann man regieren. Und darüber hinaus kann man jetzt sagen, man braucht vielleicht noch "Spiegel Online" und "Bild Online" und die "Bunte", aber vielmehr ist da nicht übrig. Da ist natürlich ein sehr pessimistisches Bild auf die politische Öffentlichkeit. Andererseits hat ja Obama auch gezeigt, dass sich so ein pessimistisches Bild schnell ändern kann. Und vielleicht kommt auch hier in Europa, in Deutschland eine jüngere Generation, die dann was Neues verlangt, auch mehr Substanz verlangt.

    Fischer: Rüdiger Suchsland, vielen Dank! Er war für uns auf dem 6. Politikkongress in Berlin.