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Lessings Lästerei

Gotthold Ephraim Lessing war ein bedeutender Schriftsteller und Kritiker. Doch in seinem Gedicht "Der neue Welt-Bau" lästert er über Nikolaus Kopernikus und offenbart dabei Wissenslücken.

Von Dirk Lorenzen | 16.03.2012
    "Der Wein, der Wein macht nicht nur froh, Er macht auch zum Astronomo", heißt es da. Und weiter: "Von diesem hab ich einst gelesen, Dass er beim Weine gleich gewesen, Als er der Sonne Stillestand, Die alte neue Wahrheit fand."

    Kopernikus soll demnach angetrunken gewesen sein, als er sein neues Weltbild formuliert hat: Die Sonne steht still im Zentrum des Planetensystems. Die Erde dreht sich um die eigene Achse und läuft um die Sonne herum.

    Doch auch 200 Jahre nach Kopernikus war Gotthold Ephraim Lessing davon offenbar nicht überzeugt. In der zweiten Strophe spottet er munter:

    "So kann der Wein den Witz verstärken! Wir laufen selbst, ohn es zu merken, Von Osten täglich gegen West! Die Sonne ruht. Die Welt steht fest!"

    Es ist nicht überliefert, in welchem Zustand Lessing diese Zeilen verfasst hat. Aber man möge zu seinen Gunsten eine gewisse Umnachtung infolge des Genusses geistiger Getränke annehmen. Denn der Dichter hat entweder nichts von der Erddrehung verstanden oder er lebte auf einem Spezialplaneten.

    Unsere Erde jedenfalls dreht sich von Westen nach Osten, also genau anders herum, als es Lessing schreibt. Durch diese Drehung nach Osten gehen die Gestirne im Osten auf und im Westen unter.

    Auch die Zeile "ohn es zu merken" ist etwas unglücklich. Denn die Drehung der Erde war schon vier Jahre vor Lessings Geburt von den Astronomen experimentell nachgewiesen worden - und zwar ganz nüchtern.

    Der neue Welt-Bau von Gotthold Ephraim Lessing

    Das heliozentrisches Weltsystem