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"Let's Perform" im öffentlichen Raum

Kunst im öffentlichen Raum - das muss nicht die x-te Großskulptur am Brunnen sein. Das Münchener Kunstprojekt "Let's Perform" bringt Performancekunst an die frische Luft: Die "Vorleserinnen" nutzen beispielsweise eine Brücke über der Isar als temporären Theaterraum - und beziehen ihr Publikum mit ein.

Von Andi Hörmann | 10.07.2012
    Das kühle Wasser der Isar rauscht unter der Corneliusbrücke. Die Steinquader aus Muschelkalk sind mit Graffitis besprüht. Auf den grauen, von der Sonne aufgeheizten Bodenplatten liegen zertretene Zigarettenstummel und Bierdeckel. Eine Treppe führt in der Mitte der Brücke auf ein halbovales Plateau, an dessen Brüstung in luftig-bunten Sommerkleidern drei Schauspielerinnen stehen:

    "Ich bin Sophie Engert. Katja Brenner. Vanessa Jeker. Wir sind die Vorleserinnen. Uns gibt es seit sechs Jahren als freie Theatergruppe. Und das ist unsere fünfte Produktion hier in München."

    Das Performancetheaterstück der drei "Vorleserinnen" "Raus aus dem Depot!" ist eines von fünf Projekten, die sich im Kulturreferat München unter 84 Einsendungen beim Ideenwettbewerb "Let's Perform!" durchgesetzt haben. Mit Kunst im öffentlichen Raum soll die Stadtgesellschaft für die Potenziale von Brücken und Brunnen, Parks und Plätzen sensibilisiert werden. So haben sich etwa die drei "Vorleserinnen" für ihr Stadtraum-Theater den etwa 100 Quadratmeter großen, balkonartigen Anbau auf der Corneliusbrücke als Kulisse ausgesucht:

    Vanessa Jeker: "Es ist wie so eine Beule hier an der Brücke."

    Katja Brenner: "Oder wie so ein Schiffsbug. Es hat was von einem Schiff und einer Reling. Wir stehen ja oft hier und kucken da runter. Man fühlt sich wie auf einem Schiff, mitten auf der Isar. Es ist wirklich ein toller Ort. Hier ist es immer ruhig - außer wenn die Straßenbahn vorbeifährt."

    Mit dem Public-Art-Konzept "Let's Perfom!" bespielten schon in den vergangenen Wochen Münchner Künstlerinnen und Künstler Flachdächer, installierten temporäre Wohnräume oder starteten eine "See-Triennale" mit Ruderbooten auf dem Olympiasee. Öffentliche Kunst für mehr Qualität im Stadtraum - das Publikum soll an den Performances teilhaben, die Dynamik der Plätze reflektieren und über die Orte diskutieren. Kerstin Möller vom Kulturreferat München betreut die Projekte von "Let's Perform!":

    "Kunst im öffentlichen Raum ist nicht das Setzen von Brunnen und Brunnenfiguren. Wir möchten damit auch Akzeptanz schaffen, für eine Kunstform, die sperrig ist. Weil sie auch nicht museal geschützt ist, sondern sie überrascht uns im öffentlichen Raum. Sie kann uns irritieren. Sie kann uns auch stören. Selten ist sie schön. Sie steht immer im Prozess und im Kontext mit dem Ort. Und sie ist dann irgendwie überfallartig da. Das muss man als Bürger erst mal verdauen. Es ist klar, dass es nicht sofort und allen gefallen kann. Aber sie kann Orte neu aufladen, ihnen eine andere Bedeutung geben und vor allem, sie kann uns alle aus der Gedankenlosigkeit reißen, wenn wir einfach die selben Straßen und Räume tagtäglich, ohne nachzudenken, nur um ganz schnell von A nach B zu kommen durchqueren."

    Im Stadtraum-Theaterstück der "Vorleserinnen" geht es dabei eher um das publik machen persönlicher Kreativität: Welche künstlerischen Schätze schlummern in verschlossenen Depots und werden nie veröffentlicht? Sophie Engert, Katja Brenner und Vanessa Jeker gestalten vier Aufführungen lang mit ihrem temporären Theater die Corneliusbrücke um. Der Hamburger Künstler Volker Lang hat sich für "Raus aus dem Depot!" das Bühnenbild ausgedacht.

    Sophie Engert: "In diesem Fall baut er eine Showtreppe, die wird 1,60 Meter hoch sein, die dazu dient, nachträglich die Künstlerinnen auf die Showtreppe zu lassen. Dazu baut er, inspiriert vom Speaker's Corner am Hyde Park, sechs Podeste. Das eine wird gestaltet sein wie ein Rad, es gibt eine Trommel, es gibt einen roten Pumps, es gibt ein grünes Fass."

    Katja Brenner: "Wir sind zwar nur zu dritt, aber Zuschauer dürfen - wenn sie wollen - auch auf diese Sockel steigen."

    Vanessa Jeker: "Außerdem lieben wir auch das Risiko und das ist auch ein Teil der Herausforderung für uns. Und mal schauen, wie es uns gelingt."

    Die fünf Stadtraumprojekte von "Let's Perfom!" sind ein kleiner Vorgeschmack auf das kommende Jahr. Die Stadt München hat für 2013 das skandinavische Künstlerduo Elmgreen & Dragset mit dem 1,2 Millionen schweren Projekt "A Space Called Public / Hoffentlich Öffentlich" beauftragt. Internationale Gastkünstlern sollen dabei der Frage nachgehen: Welche Bedeutung haben Stadträume in Zeiten von sozialen Netzwerken? Sozusagen: Trottoir oder Timeline? Für Kerstin Möller vom Kulturreferat München sind jedenfalls gerade Projekte wie "Raus aus dem Depot!" von den "Vorleserinnen" ein spielerisches Zurückerobern öffentlicher Räume durch die Stadtgesellschaft.

    Kerstin Möller: "Ich bin sehr gespannt - am 11. Juli ist ja Premiere: A, wer kommt? B, wer bleibt? C, wer mitmacht?"

    Termine:

    Premiere: Mittwoch, 11. Juli, um 19.30 Uhr, auf der Corneliusbrücke
    Weitere Vorstellungen: 12., 20. und 21. Juli

    Links:

    Die Vorleserinnen

    Let's Perfom

    A Space Called Public