Ein Beitrag von Michael Naumann
Kistenweise stapeln sich die Briefe am Eingang des Büros. Die meisten sind geöffnet, manche noch unberührt. Im Adressfeld steht immer dasselbe: "Innocence Project" - Projekt Unschuld. Und auch die Botschaft wiederholt sich: "Ich bin unschuldig, bitte helft mir!"
Wir haben zurzeit 200 aktive Fälle. Dann sind da noch 4.000 Fälle in unterschiedlichen Phasen und etwa 1.500 ungeöffnete Briefe. Nur wenn Todesstrafe draufsteht, öffnen wir sie sofort – wenn nicht, müssen sie warten.
Alica Kaplan ist Anwältin an der Cardozo School of Law in New York und stellvertretende Leiterin des dortigen Innocence Projects. Jurastudenten versuchen hier zusammen mit professionellen Anwälten, echte Fälle von Inhaftierten neu zu recherchieren und Entlastungsbeweise zu finden.
Wenn Beweise da sind und ein legaler Weg dafür, geht’s los. Im Schnitt dauern unsere Fälle drei bis vier Jahre. Das liegt zum einen an unserer Warteliste, zum anderen brauchen diese Dinge aber soviel Zeit. Telefonate, Protokolle bestellen, auf Antworten warten...das kann ewig dauern.
Die Klienten sitzen schon zehn Jahre oder noch länger im Gefängnis. Ihr Urteil kam, bevor der DNA-Test Anfang der 90er als offizielles Beweismittel in Prozessen zugelassen wurde. Das Unschulds-Projekt geht für sie auf die mühsame Suche nach verstaubten Beweisen, um damit einen Gen-Test beantragen zu können. Die 28-jährige Jennifer Smith ist eine der gut zwanzig ausgewählten Studenten im Team.
Wir sind die letzte Hoffnung für viele dieser Leute. Es ist eine große Verantwortung, wenn Du daran denkst, dass unsere Stimme am Telefon für sie die letzte Chance ist, ihre Geschichte zu erzählen und die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen.
Wie alle opfert Jennifer jede freie Minute neben dem Studium, auch am Wochenende. Sechs Fälle gleichzeitig hat sie momentan. Sie telefoniert mit ihren Klienten im Gefängnis, stellt schriftliche Anträge an Gerichte und stöbert in Polizei-Archiven die Beweise von einst durch. Eine Arbeit, die Ausdauer und Nerven kostet.
Du liest diese Prozess-Protokolle aus den 80ern und findest es schrecklich, wie dein Klient damals verurteilt wurde. Du sagst ihm: So eine Ungerechtigkeit! Natürlich werde ich mich einsetzen, natürlich setz ich mich ans Telefon...und natürlich verändert so etwas das eigene Leben. Du denkst für immer daran.
Und diese persönliche Veränderung wollen sie übertragen auf das ihrer Meinung nach überholte Rechtssystem der USA. Doch der Kampf gegen etablierte Staatsanwälte und Richter wird mit harten Bandagen geführt, sagt Projekt-Leiterin Kaplan.
Sogar heute noch, mit all unserem Wissen und der PR die wir kriegen, kämpfen immer noch unglaublich viele Anwälte gegen uns. Egal was wir ihnen sagen oder zeigen. Manchmal haben wir klipp und klar bewiesen, dass jemand unschuldig ist, und kriegen ihn einfach nicht frei. Wir müssen immer wieder neu um jeden einzelnen Schritt kämpfen.
Auch Studentin Jennifer spürt oft, dass ihre Arbeit vielen ein Dorn im Auge ist.
Die Staatsanwälte wollen natürlich nicht zur Familie eines Mordopfers gehen und sagen: Hört zu, der wahre Täter lief die letzten 20 Jahre frei rum. Das ist natürlich hart.
Aber der Kampf lohnt sich, denn er rettet Leben: Seit seiner Gründung vor zehn Jahren hat das Innocence Project etwa 130 Menschen aus dem Gefängnis geholt – im Schnitt ist das ein Unschuldiger pro Monat.
Hilfe oder gar Entschädigungs-Zahlungen für irrtümlich Inhaftierte vom Staat sind in den USA Fehlanzeige. Um dieses und andere Probleme der Resozialisierung zu besprechen, veranstaltet die Cardozo School of Law im Mai erstmals einen entsprechenden Kongress. Weitere Informationen zum Thema unter:
www.innocenceproject.com
Kistenweise stapeln sich die Briefe am Eingang des Büros. Die meisten sind geöffnet, manche noch unberührt. Im Adressfeld steht immer dasselbe: "Innocence Project" - Projekt Unschuld. Und auch die Botschaft wiederholt sich: "Ich bin unschuldig, bitte helft mir!"
Wir haben zurzeit 200 aktive Fälle. Dann sind da noch 4.000 Fälle in unterschiedlichen Phasen und etwa 1.500 ungeöffnete Briefe. Nur wenn Todesstrafe draufsteht, öffnen wir sie sofort – wenn nicht, müssen sie warten.
Alica Kaplan ist Anwältin an der Cardozo School of Law in New York und stellvertretende Leiterin des dortigen Innocence Projects. Jurastudenten versuchen hier zusammen mit professionellen Anwälten, echte Fälle von Inhaftierten neu zu recherchieren und Entlastungsbeweise zu finden.
Wenn Beweise da sind und ein legaler Weg dafür, geht’s los. Im Schnitt dauern unsere Fälle drei bis vier Jahre. Das liegt zum einen an unserer Warteliste, zum anderen brauchen diese Dinge aber soviel Zeit. Telefonate, Protokolle bestellen, auf Antworten warten...das kann ewig dauern.
Die Klienten sitzen schon zehn Jahre oder noch länger im Gefängnis. Ihr Urteil kam, bevor der DNA-Test Anfang der 90er als offizielles Beweismittel in Prozessen zugelassen wurde. Das Unschulds-Projekt geht für sie auf die mühsame Suche nach verstaubten Beweisen, um damit einen Gen-Test beantragen zu können. Die 28-jährige Jennifer Smith ist eine der gut zwanzig ausgewählten Studenten im Team.
Wir sind die letzte Hoffnung für viele dieser Leute. Es ist eine große Verantwortung, wenn Du daran denkst, dass unsere Stimme am Telefon für sie die letzte Chance ist, ihre Geschichte zu erzählen und die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen.
Wie alle opfert Jennifer jede freie Minute neben dem Studium, auch am Wochenende. Sechs Fälle gleichzeitig hat sie momentan. Sie telefoniert mit ihren Klienten im Gefängnis, stellt schriftliche Anträge an Gerichte und stöbert in Polizei-Archiven die Beweise von einst durch. Eine Arbeit, die Ausdauer und Nerven kostet.
Du liest diese Prozess-Protokolle aus den 80ern und findest es schrecklich, wie dein Klient damals verurteilt wurde. Du sagst ihm: So eine Ungerechtigkeit! Natürlich werde ich mich einsetzen, natürlich setz ich mich ans Telefon...und natürlich verändert so etwas das eigene Leben. Du denkst für immer daran.
Und diese persönliche Veränderung wollen sie übertragen auf das ihrer Meinung nach überholte Rechtssystem der USA. Doch der Kampf gegen etablierte Staatsanwälte und Richter wird mit harten Bandagen geführt, sagt Projekt-Leiterin Kaplan.
Sogar heute noch, mit all unserem Wissen und der PR die wir kriegen, kämpfen immer noch unglaublich viele Anwälte gegen uns. Egal was wir ihnen sagen oder zeigen. Manchmal haben wir klipp und klar bewiesen, dass jemand unschuldig ist, und kriegen ihn einfach nicht frei. Wir müssen immer wieder neu um jeden einzelnen Schritt kämpfen.
Auch Studentin Jennifer spürt oft, dass ihre Arbeit vielen ein Dorn im Auge ist.
Die Staatsanwälte wollen natürlich nicht zur Familie eines Mordopfers gehen und sagen: Hört zu, der wahre Täter lief die letzten 20 Jahre frei rum. Das ist natürlich hart.
Aber der Kampf lohnt sich, denn er rettet Leben: Seit seiner Gründung vor zehn Jahren hat das Innocence Project etwa 130 Menschen aus dem Gefängnis geholt – im Schnitt ist das ein Unschuldiger pro Monat.
Hilfe oder gar Entschädigungs-Zahlungen für irrtümlich Inhaftierte vom Staat sind in den USA Fehlanzeige. Um dieses und andere Probleme der Resozialisierung zu besprechen, veranstaltet die Cardozo School of Law im Mai erstmals einen entsprechenden Kongress. Weitere Informationen zum Thema unter:
www.innocenceproject.com