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Liberaler Treueschwur

Personalkrise, Umfragetief und Koalitionsbruch - die Schlagzeilen über die FDP sind alarmierend. Kein Wunder also, dass sich die Partei fürs neue Jahr gute Vorsätze auf die Fahne schreibt. Eigenlob statt Selbstkritik und Attacken auf den politischen Gegner lautet die Devise.

Von Jens Rosbach |
    "FDP sackt wieder ab." "Die FDP hat ihre letzte Chance verspielt." "Ausgezehrt am Abgrund". "Verschwindet die FDP?" Wenn Christoph Schnurr morgens die Zeitungen aufschlägt, springen ihm alarmierende Schlagzeilen ins Auge. Schlagzeilen über seine Partei. Doch der Bundestagsabgeordnete bekommt keine Panik - er gibt sich trotzig.

    "Die FDP wurde schon öfter mal tot geschrieben, wenn man das mal so sagen darf. Man hat schon öfters gesagt, das Licht geht aus. Ich bin jetzt seit über zehn Jahren in der Partei und es gab immer Höhen und Tiefen. Wir haben es immer wieder geschafft, weil wir letztendlich überzeugt haben. Deswegen bin ich in dieser Sache auch absolut optimistisch."

    Schnurr, ein gebürtiger Hesse, ist mit seinen 27 Jahren einer der jüngsten Volksvertreter in Berlin. Für den Hobbyfußballer ist klar: Die FDP ist eine Stehaufpartei.

    "Zumindest ist es entscheidend, dass man einmal mehr aufsteht als man am Boden liegt."

    Auch Marco Buschmann verkündet Durchhalteparolen. Der 34-jährige Fraktionskollege ruft seine Parteifreunde dazu auf, die Ärmel hochzukrempeln - und keine Personaldebatten mehr zu führen. Zumindest nicht öffentlich.

    "Mein Eindruck ist, dass wenn es in der Vergangenheit Streit gab, dann nicht, weil man in der Sache gestritten hat, sondern weil einer meinte, dass er schöner ist als der andere. Für solche Beauty-Contests innerhalb einer Partei haben wir keine Zeit. Sondern jetzt kommt es darauf an, dass es einen Beauty-Contest zwischen den Parteien ist und dass die FDP die schönste von allen ist."

    Buschmann sagt: Streitsüchtige FDP-Politiker sollten sich nicht mehr gegenseitig Zettel auf den Rücken kleben mit der Aufschrift "Tritt mir in den Hintern". Zitatende.

    "Und deshalb sollen wir auch nicht mit dem Finger auf uns selber zeigen, sondern müssen mit den Finger auf die Anderen zeigen. Wir haben auf den Parteitagen von den Grünen, SPD und Linkspartei gesehen, was deren Rezepte für Deutschland sind: Steuererhöhung, mehr Bürokratie, Belastung der Bürger. Wenn wir zeigen, was die Alternativen wären, dann werden die Menschen auch sehen, dass es Sinn macht, sich auch wieder Gedanken zu machen, ob es die FDP nicht besser macht als es Grüne oder SPD tun würden."

    Attacken auf den politischen Gegner, Selbstkritik nur noch hinter verschlossener Tür – und noch etwas haben sich die beiden Bundestagsabgeordneten für das neue Jahr vorgenommen: mehr Eigenlob. Ob den Bundeswehrabzug aus Afghanistan, die Verhinderung der Vorratsdatenspeicherung, sinkende Gesundheitskosten oder gute Wirtschaftsdaten – solche Bilanzen wollen die Liberalen verstärkt als gelben Erfolg vermarkten. Auch wenn der Koalitionspartner, die Union, dies nicht immer zu würdigen weiß. Vor allem im Saarland.

    "Ich kann nur sagen: Was die Frau Kramp-Karrenbauer gemacht hat, war eine Sauerei. Und jeder mit Anstand und Verantwortungsgefühl wird das genau so bewerten."

    Das kann der schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene nicht passieren. Hofft jedenfalls Serkan Tören, der integrationspolitische Sprecher der Bundestagsliberalen. Ein unfreundlicher Akt sei die Sache an der Saar, schimpft der 39-Jährige.

    "Das kann man aber nicht mit den Verhältnissen in Berlin vergleichen. Dort arbeiten die Fraktionen, auch die Fachpolitiker, sehr gut miteinander zusammen - und Saarland ist da nicht vergleichbar."

    Aber was ist mit dem Streit um die Finanztransaktionssteuer? Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, nicht mit ihrem jüngsten Steuerstatement den FDP-Partner mächtig verprellt? Und warnt nicht der liberale Finanzexperte Hermann-Otto-Solms, dass eine solche Steuer – begrenzt auf den Euroraum - die schwarz-gelbe Koalition zerbrechen lassen kann? Abgeordneter Tören winkt ab: So dramatisch sei es nicht. Denn nicht nur die FDP wettere gegen die Besteuerungspläne.

    "Das ist auch 'ne Diskussion, die innerhalb der Union stattfindet - und nicht nur in der Koalition. Wenn man dort mit Fachpolitikern spricht, die sehen die ähnlichen Bedenken, die wir auch haben. Nämlich dass dann der Finanzstandort Deutschland gefährdet wird und dass dann, wenn Großbritannien nicht mitmacht, eben alles abwandert nach London. Da muss es dann noch zu einer vernünftigen Meinungsfindung kommen."

    Tören, Schnurr und Buschmann beschwören zwar unisono die Stabilität von Schwarz-Gelb in Berlin. Trotz des FDP-Umfragetiefs. Trotz der FDP-Personalkrisen. Trotz der Saarland-"Sauerei". Allerdings wünscht sich Marco Buschmann durchaus mehr Unterstützung von der Union. Der Rechtspolitiker beobachtet nämlich, dass aus CDU/CSU-Kreisen immer wieder Koalitionsinterna an die Presse durchgestochen werden.

    "Und wer meint, Dinge durchzustechen und dem Partner vors Schienbein treten zu müssen, der schadet der Koalition als ganzer. Weil die Leute fassen sich an den Kopf: Die haben uns gewählt dafür, dass wir gute Entscheidungen treffen, und nicht, dass wir uns öffentlich vor das Schienbein treten."

    Bei all dem Ärger macht ein Gerücht die Runde: Dass viele FDP-Parlamentarier damit rechnen, 2013 nicht wieder in den Bundestag zu kommen. Und deswegen - vorsorglich – massenhaft ihre Visitenkarten verteilen. Gerade in Wirtschaftskreisen. Um, für einen lukrativen Ersatzjob, ihren Namen öffentlich ins Spiel zu bringen.

    "Das kann ich nicht bestätigen" , meint - kopfschüttelnd - Abgeordneter Christoph Schnurr.

    "Die Anspielung für zukünftige Jobs - das ist ein bisschen übertrieben. Ansonsten dürften wir ja bald überhaupt keine Visitenkarten mehr verteilen. Und keine Radiointerviews geben."