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Licht für São Paulo

Die deutsch-brasilianischen Beziehungen haben eine bewegte Geschichte: Mehrere Einwanderungswellen aus Deutschland hinterließen Spuren in Wirtschaft und Architektur. Die Auftaktwoche zum deutsch-brasilianischen Jahr schlägt in São Paulo mit Kunst den Bogen von der Moderne zur Gegenwart.

Von Nadine Lindner |
    Die Avenida Paulista, das Zentrum des modernen São Paulo. Eine vierspurige, hektische Straße, gesäumt von Banken, Restaurants, Einkaufszentren. Hier gibt es kaum ein Gebäude, das so sehr für das Geld in dieser Stadt steht, wie das des Handelsverbandes von São Paulo, kurz FIESP. Wie eine Pyramide ragt die Fassade dominant auf die Straße hinaus. Bis Juni wird sie nun in ein anderes Licht getaucht – durch vier deutsch-brasilianische Videoinstallationen. Die brasilianische Kuratorin Marilia Pasculli erläutert das Konzept:

    "Das Publikum hier hat den öffentlichen Raum noch nicht ganz für sich entdeckt. Das ist noch in der Entwicklungsphase. Die Fassade hier kann aber eine Schnittstelle sein, an der sich diese Entwicklung intensiviert."

    Hoffen Marilia Pasculli und ihre deutsche Kollegin Susa Pop aus Berlin. Einen Weg, diesen öffentlichen Raum auf der Avenida Paulista umzugestalten, beschreitet Rachel Rosalen aus São Paulo. Sie nutzt 26.000 LED-Punkte, um das Gebäude mit Licht praktisch zu verkleiden. Aus gegebenem Anlass - mit Motiven aus Deutschland. Der Berliner Fernsehturm ist genauso zu sehen wie "Der Wanderer über dem Nebelmeer" von Caspar David Friedrich. Es wirkt für diesen Moment wie ein kurzer Ruhepol in der Hektik der Megacity. Rachel Rosalen:

    "Dieses Gebäude ist wie ein Kontrollraum, der über der Avenida Paulista thront. Dort wird das Geld, der Handel hier in São Paulo kontrolliert. Und diese Macht will ich sichtbar machen, aber auch dekonstruieren, in Frage stellen."

    In einer Stadt wie São Paulo, in der nicht nur permanent um Platz, sondern auch um Aufmerksamkeit gekämpft wird, sind die Installationen, wie ein riesiges beleuchtetes Deutschland-Schaufenster, das sich tapfer im Lichtermeer behauptet.
    Die kulturellen Beziehungen können jedoch funktionieren, weil der eine genau das habe, was der andere fast sehnsüchtig begehrt: Brasilianer wünschten sich mehr Stabilität, Kontinuität – wie sie in Deutschland zu finden sei. Deutsche dagegen bewunderten die hiesige Unbefangenheit. So beschreibt es Wolfgang Bader vom Goethe-Institut in São Paulo. Unbefangen, so beschreibt es Wolfang Bader vom Goethe-Institut in São Paulo, reagiert die Kulturszene in Brasilien auf neue Ideen. Die "Diversidade", zu Deutsch "Vielfalt" prägt die Gesellschaft.

    "Brasilien ist eine sehr divers gestaltete Kulturlandlandschaft, die aber immer wieder die Fähigkeit hat, sich äußeren Einflüssen zu öffnen und diese äußeren Einflüssen anzuverwandeln."

    Streifen und Gitter und ein rotes Quadrat flimmern in der Bauhaus-Ausstellung über die Wand, begleitet von den Tönen der reflektorischen Farblichtspiele von Kurt Schwerdtfeger. Nur eins von den 100 Objekten, die zur Schau "bauhaus.foto.film" in São Paulo zusammengestellt wurden. Vor allem die Filme, wie Aufnahmen einer Reise der Bauhausschüler nach Athen, sind bislang kaum außerhalb Deutschlands gezeigt worden.

    Wie sich die brasilianische Kulturlandschaft diesen Ideen geöffnet hat, lässt sich hier ein wenig nachzeichnen. Bereits 1922 zur sogenannten "Woche der Moderne" haben Intellektuelle in Brasilien die Fragen nach einer neuen Gesellschaft beschäftigt, wie sie auch am Bauhaus diskutiert wurden. Annemarie Jaeggi, Direktorin des Bauhausarchivs in Berlin.

    "In der Nachkriegszeit, als sehr viele Bauhäusler Deutschland verlassen haben, und auch einige nach Südamerika emigriert sind, vor allem dann mit den Biennalen in São Paulo, da beginnt dann durchaus eine stärkere Form."

    Vor allem der Schweizer Bauhausschüler und Bildhauer Max Bill war ab 1951 durch die Biennale stilbildend für den Konstruktivismus in Brasilien. Alfons Hug, Leiter Goethe Institut in Rio de Janeiro über das architektonisch Erbe in der Hauptstadt Brasiliens:

    "Es gab Einflüsse des Bauhauses beispielsweise beim Bau von Brasilia, die demokratische Idee. Da sollte der Minister im gleichen Wohnblock wie sein Chauffeur wohnen. Das geht auf eine moderne Tradition zurück und auch auf das Bauhaus."

    So schlägt die Auftaktwoche zum deutsch-brasilianischen Jahr mit Kunst den Bogen von der Moderne in die Gegenwart. Jetzt müssen die Werke im überbordenden Kulturleben von São Paulo ihr Publikum finden.