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Licht in dunklen Straßenecken

Die Produkte der Firma Hess aus Villingen-Schwenningen bringen Licht ins Dunkel von Städten und Gemeinden. Besonders gefragt bei den Kämmerern sind sparsame LED-Außenleuchten. Das weltweit erste Modell brachte das 1948 gegründete Unternehmen 2003 auf den Markt.

Von Simon Schomäcker | 18.01.2013
    Der Vorplatz der Hess AG sieht aus wie ein riesiges Freiluft-Leuchtengeschäft. Straßenlaternen und andere Außenleuchten unterschiedlichster Bauart stehen hier zur Ansicht bereit. Sie alle sind Produkte des Unternehmens mit Sitz in Villingen-Schwenningen im Schwarzwald.

    1948 gründete Willi Hess den Betrieb zunächst als Gießerei. Seit 2007 führt Christoph Hess das Unternehmen in dritter Generation. Der wegweisende Auftrag in Richtung Leuchtenproduktion kam 1974, erzählt Marketingleiter Peter Geilen:

    "Es war so, dass die Stadt Villingen-Schwenningen eine Leuchte für ihre Innenstadt haben wollte. Und da hat Herr Hess Senior gesagt‚ ja, das machen wir, und hat dann eine Schinkel-Leuchte aus Berlin nachgebaut und im eigenen Werk produziert."

    Mit steigender Nachfrage wagte die Firma Hess schließlich die vollständige Wandlung von der reinen Gießerei zum Hersteller von Außenleuchten. Jürgen Hess baute den väterlichen Betrieb 1986 zur "Hess Form und Licht GmbH" aus. 2007 erfolgte die Umwandlung zur Hess AG. Mittlerweile kann das Unternehmen Kommunen aus aller Welt zu seinen Kunden zählen. Peter Geilen:

    "Der klassische Weg in diesen Situationen ist, dass ein Architekt für die Gemeinde das Konzept des Platzes oder der Fußgängerzone erstellt. Und wir beteiligen uns dann an der Ausschreibung. Es wird sehr eng mit den Architekten zusammengearbeitet, um auch besondere Produkte darzustellen. Denn ein Architekt hat vielleicht eine bestimmte Idee für einen Leuchtentyp, der im Kontext mit der Architektur passen soll."

    Vom Gießen der Masten über die Fertigung der Elektronik bis hin zum Zusammenbau der Leuchten - die Hess AG führt sämtliche Produktionsschritte selbst durch. Die Firmenstandorte befinden sich in Villingen-Schwenningen, im sächsischen Löbau und im südkalifornischen Gaffney. Über 360 Mitarbeiter kümmern sich um Planung, Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Verwaltung.

    Besonders stark ausgebaut wurden im Laufe der Jahre die lichttechnische und die elektronische Entwicklung. Georg Bremecker, technischer Leiter der Hess AG, erklärt die Arbeit des Lichtlabors:

    "Wir können dem Kunden, wenn er bestimmte Anfragen hat, hier Lichtplanungen machen. Wie viele Leuchten er wie positionieren muss, um eine ausreichende Beleuchtung eines Parkplatzes, einer Straße oder sonstiger Örtlichkeiten zu bekommen. Bestimmte Bereiche unterliegen ja auch direkten gesetzlichen Bestimmungen, welche Lichtstärke wo erreicht werden muss. Und das können wir hier dann auch direkt mit einfließen lassen."

    Als Leuchtmittel sind in der Straßenbeleuchtung schon lange zwei Typen vorherrschend: die bläulich leuchtenden Quecksilberdampflampen und die orange leuchtenden Natriumdampflampen. Im Jahr 2003 brachte Hess die weltweit erste LED-Außenleuchte auf den Markt. Und darauf ist man weiterhin stolz, sagt Peter Ziegler, Finanzvorstand bei Hess:

    "Die LEDs von heute sind High-Power-LEDs. Und die Zahl ist relativ gering, die wir heute verwenden. Wir verwenden zwischen 15 und 30 LEDs in einer Leuchte. Die Firma Hess hat 2003 die erste Straßenleuchte mit LED entwickelt. Damals haben wir noch 700 LEDs in dieser Leuchte gehabt. Wir haben diese Leuchte heute noch im Programm und verwenden heute 28 LEDs."

    LED-Außenleuchten machen bei Hess mittlerweile 35 Prozent des Jahresumsatzes von bis zu 68 Millionen Euro aus, Tendenz steigend. Der Bereich LED werde wachsen, meint Peter Ziegler, weil er für intelligente und energiesparende Beleuchtungssysteme steht. Ein Beispiel:

    "In Parks und anderen Bereichen, wo sehr wenig oder unregelmäßig Fußgängerverkehr ist, da haben die Kommunen in der Vergangenheit häufig das Licht ausgeschaltet. Mit der LED kann man sie so steuern, dass in dem Moment, wo jemand durchgeht, das Licht angeht. Und wenn niemand mehr durchgeht, dann reduziert sich die Lichtstärke und damit auch der Stromverbrauch wieder."

    LED-Technik wird auf Dauer die konventionelle Straßenbeleuchtung ablösen, glaubt man bei Hess. Nicht zuletzt aufgrund des für 2015 geplanten Verbots von Quecksilberdampflampen. Zwar wird es eine teure und aufwändige Arbeit sein, bestehende Lichtanlagen umzurüsten. Aber es rechnet sich dank des niedrigen Stromverbrauches von LEDs, meint der Finanzvorstand Ziegler:

    "Etwa 40 Prozent des Energiehaushaltes der Kommunen geht in die Straßenbeleuchtung. Nehmen wir mal an, Sie können im Schnitt 60 bis 70 Prozent der Energie einsparen. Dann machen Sie aus diesen 40 Prozent vielleicht noch zehn Prozent. Und das ist auch das, was die Kommunen im Moment anstreben."

    Zumindest in Deutschland und im europäischen Ausland. In anderen Ländern dominiert immer noch die Straßenbeleuchtung mittels Quecksilber- und Natriumdampflampen.

    Bei Hess sieht man darin neue Marktchancen. Genügend Vorzeigeprojekte, so Marketingleiter Peter Geilen, gibt es bereits:

    "Hier in Deutschland wäre zum Beispiel das neue Gebäude des ADAC in München. Aber auch bei der letzten Fußballeuropameisterschaft in Polen und der Ukraine war die Außenbeleuchtung zweier Stadien von uns. Der Olympia-Park in Peking wurde ebenfalls von uns beleuchtet oder auch die Golden Gate Bridge in San Francisco."


    Anmerkung der Online-Redaktion:

    Die Hess AG hat in einer Pressemeldung vom 21.1.2013 mitgeteilt:

    "Interne Recherchen bei der Hess AG ('Hess AG' oder die 'Gesellschaft') haben ergeben, dass es wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum mit Kenntnis des Vorstands zu Verstößen gegen Bilanzierungsregelungen gekommen ist. Es besteht unter anderem der Verdacht, dass die Hess AG zumindest seit dem Jahr 2011 fingierte Umsätze ausgewiesen hat. In den Finanzberichten der Gesellschaft für die Jahre 2011 und 2012 wurden daher nicht bestehende Umsatzerlöse ausgewiesen und die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage zu positiv dargestellt.

    Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat in einer auf den heutigen Montag, 21. Januar 2013, einberufenen Sondersitzung die Bestellung der beiden Mitglieder des Vorstands der Hess AG aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung widerrufen und deren Anstellungsverträge mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund gekündigt.

    Zugleich hat der Aufsichtsrat in seiner heutigen Sitzung Herrn Dr. Till Becker mit sofortiger Wirkung zum Mitglied des Vorstands der Gesellschaft bestellt.

    Der Aufsichtsrat hat in seiner heutigen Sitzung ebenfalls beschlossen, mit sofortiger Wirkung eine wirtschaftliche und rechtliche Sonderuntersuchung durch unabhängige Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte durchführen zu lassen, um das genaue Ausmaß eines möglichen Schadens bei der Gesellschaft sowie bestehender Ansprüche festzustellen.

    Villingen-Schwenningen, den 21. Januar 2013

    Der Vorstand"