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Lichtstrahl als Blitzableiter
Superlaser soll Flughäfen bei Gewittern schützen

Rund fünf Milliarden Euro pro Jahr - so hoch sind die Kosten, die Blitzschläge allein in den USA verursachen. Vor allem weil sie den Flugverkehr beeinträchtigen und Hochspannungsleitungen beschädigen. Abhilfe schaffen soll ein neu entwickelter Superlaser, der jetzt bei München vorgestellt wurde.

Von Hellmuth Nordwig | 13.12.2019
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Superlaser als Blitzableiter: Der Doktorand Clemens Herkommer (links) erklärt Dlf-Autor Hellmuth Nordwig das Strahlprofil des Hochleistungslasers der Trumpf AG (Fotos: Dr. Thomas Metzger, Trumpf Scientific Lasers)
Wer Blitze gezielt umlenken will, braucht einen Kanal vom Himmel zur Erde. Durch ihn soll der Blitz sich dann am Boden entladen und nicht in ein Flugzeug oder eine Stromleitung einschlagen. So einen Kanal erzeugen Forscher durch einen Superlaser, den die Firma Trumpf in Unterföhring bei München entwickelt hat. Er ist in einem Reinraum aufgebaut. Wer Zugang will, muss einen besonderen Kittel anziehen, eine Schutzbrille, Überschuhe und ein Haarnetz. Sogar spezielles Schreibzeug bekommen die Besucher vorab - einen sogenannten Reinraum-Faserstift.
Den Reinraum erhellt fahlgelbes Kunstlicht. Die Laserquelle steckt in einer armlangen Metallkartusche. Ihr Strahl ist zunächst unsichtbar, denn es ist Infrarotlicht. Es wird im Labor über eine Strecke von etwa zehn Metern in mehrere Teilstrahlen aufgespalten und über jede Menge kleiner Spiegel umgelenkt und wieder vereinigt. Das Ergebnis ist ein hoch fokussierter Strahl mit einer Leistung von einer Million Megawatt - und das mit einer bislang unerreichten Pulsrate, wie Knut Michel erklärt, der Geschäftsführer von Trumpf Scientific Lasers mit Sitz in Unterföhring:
"Die alten Lasersysteme, die benutzt worden sind, konnten zehn Pulse pro Sekunde liefern. Und unser Lasersystem liefert jetzt 1.000 Pulse pro Sekunde. Und das ermöglicht Ihnen, dass ihr Filament deutlich stabiler ist."
Der intensive Lasertrahl erzeugt in der Luft einen Plasmakanal
Filament: So nennen die Fachleute den Kanal, in dem der Blitz zur Erde donnern soll. Seine hohe Energie bewirkt, dass aus den Luftteilchen in seiner Umgebung ein Plasma wird. Sie werden ionisiert, also elektrisch geladen. Die Folge: Der Blitz muss sich nicht seinen Weg zwischen den Luftteilchen suchen, sondern kann fast wie durch ein Kupferkabel schnurgerade nach unten zischen. Angelockt durch das Plasma-Lichtschwert, so fein wie ein Haar.
"Dieser Laser-Blitzableiter funktioniert so, dass Sie mit einem hochintensiven Laserpuls einen sogenannten Plasmakanal in der Luft erzeugen, der bis zu hundert Meter lang werden soll. Dieser Plasmakanal ist dann eine Vorzugsrichtung für den Blitz, der vom Himmel auf die Erde einschlagen wird. Sie können den Blitz dazu zwingen, genau diesem Kanal zu folgen."
Im Reinraum wird ein Wissenschaftler gleich die Leistung des Lasers hochregeln. Doch Besucher müssen zunächst hinter eine Absperrkette, darauf besteht der Forscher Thomas Metzger: "Hinter die Absperrung, bitte. Denn wir schicken gleich den Laser in voller Leistung hier vorne entlang. Wenn Sie den Finger da reinstecken, ist er ab. Deswegen vorsichtig bitte."
Der Geruch von Ozon liegt in der Luft, sobald der Laser aktiviert wird
Inzwischen hört man auch einen hohen Ton - ein Kilohertz, weil 1.000 Laserpulse pro Sekunde erzeugt werden. Und es riecht leicht nach Schwimmbad: Ozon entsteht. Bei voller Leistung ist der Strahl dann einige Meter weit doch zu sehen. Denn Stickstoffatome geben bei der Bestrahlung mit Infrarot blassviolettes Licht ab. Vier Jahre lang haben die Forscher das haarfeine Laserschwert entwickelt. Demnächst werden Knut Michel und seine Kollegen es in einem Container zum Praxistest schicken.
"Zwei Stationen haben wir jetzt geplant. Die erste Station ist bei unseren Kollegen bei Paris, beim Laboratoire d'Optique Appliquée. Dort werden wir horizontale Experimente machen. Wir haben eine große Halle, in der wir das Laserfilament erzeugen und dann stationäre Experimente durchführen. Und der zweite Schritt ist der finale, auf den wir hinarbeiten: Den Laser in der Schweiz auf dem Berg Säntis bei einem großen Forschungsinstitut zur Blitzforschung zu installieren und dann wirklich Blitze zu triggern und abzuleiten."
Ein Feldtest auf dem Säntis soll die Praxisreife zeigen
Der Säntis liegt etwa 30 Kilometer südlich des Bodensees. Hier, auf 2.500 Metern Höhe, gibt es überdurchschnittlich viele Gewitter: Pro Jahr schlagen in der Gegend sieben Blitze pro Quadratkilometer ein - und die sollen jetzt zu einem Metallturm auf dem Gipfel abgeleitet werden.
Laborversuche zeigen noch etwas anderes: Wenn das Infrarot-Laserschwert durch eine Wolke geschickt wird, kondensieren die Tröpfchen. Sogar als Regenmacher könnte sich der Laser somit in Zukunft eignen. Vorerst aber soll er Blitze weg von gefährdeter Infrastruktur führen. Also Flughäfen, Stromleitungen und Kraftwerke schützen - vielleicht sogar Open-Air-Konzerte.