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'Lieber Maler, male mir...'

Die Kunstrepublik Deutschland freut sich, dass allenthalben wieder so unbekümmert nach dem Gegenstand gemalt wird. Fahndet man nach Vorbildern für eine Malerei, die sich beim besten Willen nicht vorschreiben ließ, wie ein modernes Bild auszusehen habe, dann ist Francis Picabia ein lohnenswerter Kandidat. Kaum ein Künstler des vorigen Jahrhunderts hat seinen Interpreten so viele Rätsel aufgegeben wie der 1953 gestorbene Picabia, und niemand hat Kunst und Kitsch schon früh so lustvoll liiert wie dieser französische Dandy. Was "postmodern" bedeutet, hat Picabia schon vorgeführt, als es diesen Schlüsselbegriff des späten zwanzigsten Jahrhunderts noch gar nicht gab. Als Idol der aktuellen Malerei wird er jetzt in einer Ausstellung gefeiert, die aus Paris und Wien in die Schirn-Kunsthalle nach Frankfurt gekommen ist. Max Hollein, Direktor der Schirn, erinnert an eine Bilderserie, in der die Zeitgenossen zunächst nur einen peinlichen Fehltritt sehen wollten und die bis in die achtziger Jahre mehr oder weniger schamhaft verschwiegen wurde.

Ein Beitrag von Georg Imdahl |
    Mit diesem ironischen und subversiven Realismus ist Picabia in der Tat zum Anreger späterer Generationen geworden. Mit seiner unorthodoxen Haltung hat er in Frankreich Bernard Buffet inspiriert, in Deutschland namentlich Sigmar Polke und Martin Kippenberger. Keine Frage: An Polkes Gemälde "Der Wurstesser" und an Kippenbergers Selbstporträt mit Schmerbauch und ausgeleierter Unterhose hätte Picabia bestimmt seine Freude gehabt. Man spürt hier das gemeinsame Fluidum. Solche trefflichen Beispiele bleiben in der Ausstellung jedoch die Ausnahme. Etwas buchhalterisch, fast bieder stöbert die Schau ansonsten spätere Gesinnungsgenossen des französischen Exzentrikers auf: darunter Szene-Stars wie Elizabeth Peyton, Kurt Kauper, John Currin und Glenn Brown. Esprit à la Picabia will sich nicht recht einstellen.

    Die Schwierigkeit besteht darin, dass Anachronismus, Kitsch und Provokation an Wirkung verlieren, wenn sie in Serie dargeboten werden, gleichsam in mundgerechten Portionen zu je drei bis vier Werken pro Künstler.

    Ungleich aufgewühlter geht es in einer Bestandsaufnahme im Frankfurter Kunstverein zu. "deutschmalerei2003" lautet der kantige Titel dieser nachgerade wüsten Mischung der jüngsten Bildproduktion aus Deutschland. Man könnte denken, der Kunstverein wolle abräumen: Nicht weniger als sechzig junge Malerinnen und Maler stoßen hier aufeinander. Doch dürften sich die Reisekosten für die Recherche in Grenzen gehalten haben. Der fröhliche Realismus geht größtenteils auf die Generation Berlin zurück, auf die zweite Umzugswelle von Künstlern aus dem übrigen Bundesgebiet. Maler wie Eberhard Havekost, Katharina Grosse und Jonathan Meese wirken in diesem Getümmel schon wie klassische Größen, das Wort führen bislang weniger bekannte Draufgänger, die soeben von den einschlägigen Galerien an die Öffentlichkeit gebracht werden. Homogenen Gleichklang unter den Werken herzustellen, gar qualitative Maßstäbe zu setzen, beansprucht die wuselige Schau nicht, wie Nikolaus von Schafhausen, Leiter des Kunstvereins, zu verstehen gibt.

    "Feucht – geschmeidig – schmieren": So heißt es in der kunterbunten Wandmalerei eines Rupprecht Matthies im Treppenhaus des Kunstvereins. Man darf das programmatisch nehmen für die Bilder der Ausstellung und die aktuelle Malerei aus der Hauptstadt.

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