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Liegt die Zukunft im Meer?

Etwa fünf- bis zehntausend Substanzen aus dem Meer sind für die Biowissenschaften interessant. Diese Stoffe für die Entwicklung neuer Medikamente nutzbar zu machen, ist das wichtigste Ziel des Nationalen Kompetenzzentrums Biotec-Marin. Rüdiger Stöhr, vom Leibnitz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel:

Von Ludger Fittkau |
    Wir arbeiten schwerpunktmäßig an Naturstoffen, die von Bakterien und von Pilzen gebildet werden, und bei den Pilzen gibt es dieses eine Beispiel, das im Kompetenzzentrum jetzt entwickelt worden ist.

    Es geht um das Beispiel eines Pilzes, der auf Meeresschwämmen lebt und im Labor bereits Leukämiezellen zum Absterben gebracht hat. Im nächsten Jahr soll mit der klinischen Forschung am Menschen begonnen werden.
    Dass es den Meeres-Biotechnologen gelungen ist, den Pilz unabhängig vom Schwamm im Labor zu kultivieren, ist für die ökologische Verträglichkeit der Forschung entscheidend, so Rüdiger Stöhr:

    Nur durch die unabhängige Kultivierung von dem Wirtsorganismus sind wir in der Lage, die Nachhaltigkeit sicherzustellen. Ein Pilz kann, wenn er im Fermenter oder in einer Oberflächenkultur wächst, in großen Mengen gezogen werden, das ist im großtechnischen Maßstab möglich, ohne dass wir weiter auf die natürlichen Ressourcen zurückgreifen müssen.

    Züchtungsmethoden, die den natürlichen Lebensraum Meer zu stark beeinträchtigen, wurden von den Forschern am Wochenende abgelehnt. Bekanntermaßen bergen vor allem große Fischfarmen im Meer hohe ökologische Risiken. Diese so genannten Aqua-Kuluturen werden als Experimentierfeld zum Beispiel von Gabriele König, Professorin für Pharmazeutische Biologie in Bonn, sehr kritisch gesehen:

    Aquakulturen sind Reinkulturen im Meer, das ist natürlich ein Problem, weil dort Infektionen auftreten, weil Bewuchs mit anderen Meeresorganismen auftritt und dass man natürlich versucht, ähnlich wie in der Landwirtschaft auch durch entsprechende Chemikalien einzudämmen und das ist ein großes Problem für die entsprechenden Bereiche.

    Dennoch gibt es international Projekte, Fische in Aquakulturen für die Produktion pharmazeutisch interessanter Stoffe zu züchten. Gabriele König sieht aber im Grunde andere Wasser-Lebewesen als die Hauptlieferanten von Stoffen, die für die Pharma- oder Waschmittelindustrie interessant sind:

    Ich sehe die größten Möglichkeiten bei der Anzucht mariner Mikroorganismen. Das ist eine Technologie, die wir aus dem Landbereich sehr gut kennen, mit Bodenbakterien. Und hier müssen wir uns in eine Richtung entwickeln, die spezielle Bedingungen, die Meeresmikroorganismen brauchen, um kultiviert werden zu können, um die herauszuarbeiten und dann das Potential der marinen Mikroorganismen zu nutzen.

    Möglicherweise seien besonders Bakterien interessant, die in enger Gemeinschaft mit Schwämmen leben, sagt Rüdiger Stöhr vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel. Bei Schwämmen ist aus seiner Sicht auch die Aquakultur unproblematisch:

    Schwämme werden zwar in großer Dichte aufgehängt oder installiert, aber sie nutzten die Nährstoffe aus dem Meer und tragen da eigentlich mehr zur Reinhaltung und zur Filtration des Meerwassers bei, und es gibt auch Ideen, Marin-Kulturanlagen, die zum Beispiel in Fjorden eingesetzt werden, mit solchen vorgeschalteten Filtrationssystemen umweltverträglicher zu machen. Weil die Schrimps- oder die Fischkultur in abgeschlossenen Systemen ist umweltpolitisch sehr bedenklich.

    Das Meer könnte in der Zukunft zur Apotheke werden, hofft Professor Timm Anke vom Institut für Biotechnologie und Wirkstoffforschung der Universität Kaiserslautern. Doch trotz der geplanten industriellen Nutzung der Meereslebewesen will man im Forschungsverbund Biotecmarin etwas nicht vergessen, verspricht der Kaiserlautener Forscher:

    Das ist die Ressourcenschonung. Sie dürfen nur Ressourcen verwenden, die ständig wieder nachwachsen. Das ist das Hauptprinzip.