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Liima
"Fast wie eine Garage-Band"

Die Musiker des dänisch-finnischen Projekts Liima kennen sich schon seit Jahren – über die dänische Band Efterklang. Nun also Liima. Auf Deutsch: Leim oder Klebstoff. Das Quartett hat seine Songs auf ungewöhnliche Art entwickelt. Die vier zogen sich jeweils für eine Woche nach Finnland, Berlin, Istanbul und Madeira zurück, um dort die Musik zu entwickeln.

Casper Clausen im Corsogespräch mit Dennis Kastrup |
    Casper Clausen: Wir hatten unsere erste Künstlerresidenz in Finnland und haben uns danach für Berlin entscheiden. Als wir hier Musik gemacht haben, hat das angefangen, Sinn zu machen. In Finnland ging es eher um die Atmosphäre. Berlin war nun mal unser Heimatstandort. Die Show, die wir hier vor ungefähr 30, 40 Leuten, Freunden, gespielt haben, wurde von uns selber organisiert. Das war in einem nahegelegenen Studio, wo wir auch das Album aufgenommen haben. Das hört man auf dem Album. Wir waren dabei sehr schüchtern.
    Dennis Kastrup: Sie spielen alles in einem Raum in einer Art kreativen Workshop eine Woche lang ein, bevor sie es aufnehmen. Wie kam es zu dieser Idee?
    Clausen: Das fing eigentlich alles mit einer Einladung von einem großartigen finnischen Violinisten namens Pekka Kuusisto an. Er ist ein Freund von uns. Wir haben ihn damals durch unseren finnischen Schlagzeuger Tatu kennengelernt. Er leitet ein kleines Kammermusikfestival in Finnland und wollte, dass wir dafür mit ihm zusammen arbeiten. Er hat uns also irgendwie zusammengeführt. Man kann sagen, er hat das kuratiert.
    Kastrup: Wie hat er Sie motiviert?
    Clausen: "Macht ein, zwei Wochen etwas zusammen und am Ende steht dann ein Konzert. Lasst uns schauen, was da passiert. Ihr müsst einfach nur neue Musik spielen." Das haben wir getan. Wir sind zu einer kleinen abgelegenen Hütte in Finnland gefahren, haben dort die Musik komponiert und sind dann eine Stunde lang aufgetreten. Danach haben wir gedacht: "Wow, das hat Spaß gemacht!" Lasst uns doch versuchen, damit weiter zu machen. Unser Bassist Rasmus lebte in Kopenhagen, und wir anderen drei zu der Zeit in Berlin. Deshalb dachten wir, dass wir es doch einfach auch in diesem Studio machen sollten, in dem wir gerade sitzen. Wir haben uns hier also getroffen und angefangen zu spielen.
    Kastrup: Viele Musiker jammen einfach so vor sich hin. Es muss bei Ihnen dann einen Punkt gegeben haben, an dem Sie sich für eine Band entschieden haben. Wann war das?
    Clausen: Wir hatten zu dem Zeitpunkt zehn Songs und haben uns gedacht, dass wir dem Ganzen einen Namen geben sollten, nicht einfach nur "Projekt Efterklang + Tatu Rönkkö". Nein, das ist eine neue Band. Das fühlt sich gut an. Dann haben wir es Liima genannt. Das war das einfachste finnische Wort zum Aussprechen. Weil wir dann eine Band hatten, haben wir unseren Booker beauftragt. Er ist dann an verschiedene Leute herangetreten und hat gesagt, dass wir sehr daran interessiert seien, in Künstlerresidenzen zu spielen. Ein Club in Istanbul hat sich gemeldet, der uns vergangenes Jahr im Januar genommen hat.
    Kastrup: Sie haben auch bei Efterklang schon mit Improvisationen gearbeitet und Sounds aufgenommen, die spontan entstanden sind, ich denke da an das letzte Album, auf dem sie nach Spitzbergen gefahren sind und alte Geräte in heruntergekommen Fabriken als Soundquellen genutzt haben. Was für eine Rolle nimmt das Improvisieren dieses Mal ein?
    Clausen: Uns war wohl viel bewusster, dass die Improvisation als ein Werkzeug dienen musste. Wir haben mit Efterklang offensichtlich auch improvisiert. Wir haben kleine Improvisationen aufgenommen. Uns war aber nicht bewusst, dass es am Ende in der Musik landet. Als wir Tatu kennengelernt haben, sind wir irgendwie zusammen mit ihm in diese kleine Höhle gekrochen, die Hütte in Finnland. Ich habe das Gefühl, dass er so eine Art Mentor für uns wurde. Er hat uns im Grunde genommen gesagt, dass genau das, was wir machen, schon die Musik sei. Wir müssten sie einfach nur ein bisschen ernster nehmen, anders betrachten und aus einem anderen Blickwinkel darauf schauen. Es ging darum, die Musik aus dem Computer heraus zu holen und in echt aufzuführen. Vier Musiker. Das ist fast so wie eine Garage Band. Es erinnert mich wieder daran, wie es als Teenager war, also wie wir Musik geschrieben haben, bevor wir uns Studioinstrumente gekauft haben. Wir haben einfach angefangen, zu spielen und improvisieren. Tatu ist seit drei Jahren Teil der Live Band von Efterklang. Das fühlte sich einfach natürlich an, mit ihm Musik zu machen.
    Kastrup: Aber warum ist das so besonders? Musiker machen doch irgendwie immer und überall spontan Musik?
    Clausen: Manchmal braucht man dazu auch einen Rahmen. Es ist nicht so wichtig, was das für einer ist. Es ist sogar nicht so wichtig, ob man selber damit um die Ecke kommt. Es gibt für Menschen und Künstler immer Möglichkeiten. Manchmal ist das eben schwierig. Man kann den ganzen Tag damit verbringen, einfach im Internet herumzusurfen. Oder man macht tatsächlich Kunst. Oder man probt wie Tatu mit seinem Schlagzeug. Oder man geht eben nach Finnland und sagt, lasst uns ein bisschen Musik zusammen machen. Manchmal braucht man diesen Rahmen, um einfach anzufangen. Sobald man begonnen hat, fängt das an, sich auszubreiten und Sinn zu machen. Und dann ist der Rahmen vielleicht nicht mehr so wichtig. Aber man braucht einen Startpunkt. Dieser Samen für den Baum braucht einen Kern.
    Kastrup: Sie haben also in Finnland, Berlin, Istanbul und im spanischen Madeira Songs entwickelt. Normalerweise verbindet man mit einzelnen Stücken bestimmte Emotionen. Bei Ihnen müssten es die Orte sein, oder?
    Clausen: Auf jeden Fall. Das ist bei diesem Album ein essenzieller Teil für mich, Ich erinnere mich bei jedem einzelnen Song nicht nur an den Ort, an dem er geschrieben wurde, sondern auch stark, wie er angefangen hat: vom anfänglichen Sound, der Idee, dem Beat, den wir von irgendwem gestohlen haben, der Bass, den wir von Pink Floyd genommen haben. Was immer wir gemacht haben, ich erinnere mich daran. Das ist mit anderer Musik, bei der ich mitgemacht habe, nicht so. Ich erinnere mich nur daran, was am Ende dabei herausgekommen ist und nicht, was auf dem Weg dorthin passiert ist. Dieses Mal ist das sehr klar. Wir haben versucht, mit dieser Aufregung und Intuition zu arbeiten, um uns ein wenig von der Reflexion fernzuhalten. Man soll einfach nicht zu viel darüber nachdenken. Man sollte mit dem Flow gehen und sich davon überraschen lassen, was hinter der nächsten Ecke steht. Wir wollten es auch simpel gestalten. Das ist für uns der Schlüssel, der uns begeistert.
    Kastrup: Sie haben also keine Skrupel zu kopieren?
    Clausen: Ich denke, es ist heute sehr wichtig, zu kopieren. Es gibt so viel Musik da draußen. Alles davon wird doch irgendwie zitiert. Musik und Noten werden bereits seit etlichen Jahren auf Instrumenten gespielt und in unterschiedlichen Stimmen gesungen. Warum nehmen wir nicht die besten Teile und versuchen ihnen neues Leben einzuhauchen. Ich glaube nicht, dass wir beim Hören des Liima Albums versuchen, zu erklären, welche Teile was waren und woher sie kamen. Nach einer Weile, kann man das vielleicht erklären. Ich finde aber, dass wir eine Stimmung benutzen. Wir hören einen Song und wollen etwas, das genau das mit unserem Körper tut. Es berührt unseren Geist. Was ist das? Vielleicht sollten wir versuchen, das auch zu spielen. Können wir daraus was machen? Das muss immer durch diesen Prozess laufen, sodass es unser Ding werden kann. Wir können das nicht eins zu eins kopieren. Wir benutzen das als einen Startpunkt und daraus wird dann etwas, das wir einen Liima Song nennen können.
    Kastrup: Sie haben mal gesagt, dass sie sich mit Liima wie auf einem Spielplatz fühlten. Als Kind hat jeder dort eine bestimmte Rolle. Welche ist das für Sie persönlich in der Band?
    Clausen: Was bin ich dort? Ich denke, ich bin der, der am lautesten redet!