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Lincoln statt Churchill

Obwohl das Arbeitszimmer des neuen US-Präsidenten Barack Obama wegen der vielen Türen und Fenster wenig Platz für Bilder bietet, wird der neue Präsident Teile der Kunstwerke austauschen. Kunstexperte Stefan Koldehoff sagt, Obama könne dabei auf eine große und gute Kunstsammlung des Weißen Hauses zurückgreifen, die allerdings nur drei Kunstwerke von schwarzen Künstlern enthalte.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 25.01.2009
    Doris Schäfer-Noske: Gleich am Dienstag früh hat Barack Obama sein neues Büro betreten. Dort im Oval Office fand er den traditionellen Brief seines Vorgängers George W. Bush, dessen Inhalt geheim bleiben soll. Manchmal dringt über diese Briefe trotzdem etwas an die Öffentlichkeit. So weiß man zum Beispiel, dass Ronald Reagan damals Bush Senior schrieb, er solle sich bloß nicht unterkriegen lassen. Ansonsten fordert die Tradition reinen Tisch für den Neubeginn, sogar Stifte oder Büroklammern des Vorgängers müssen entfernt sein. Und der neue Präsident kann seinem Büro dann eine persönliche Note geben. Frage an Stefan Koldehoff: Herr Koldehoff, der Schreibtisch wird aber nicht ausgetauscht, oder?

    Stefan Koldehoff: Nein, der Schreibtisch bleibt, der ist auch so etwas wie ein nationales Heiligtum. Den hat ja 1880 die britische Queen Victoria dem damaligen Präsidenten geschenkt, Präsident Hayes war es. Und der wird wahrscheinlich immer und ewig dort bleiben. Und das gilt für einige Einrichtungsgegenstände. Beispielsweise das große Portrait von George Washington, das gegenüber dem Schreibtisch über dem Kamin hängt, Herr Peel, Rembrandt Peel hat das gemalt. Auch das wird man wahrscheinlich ewig dort sehen, das gehört zum festen Inventar. Und eine kleine, für meine Begriffe sehr, sehr kitschige Bronzeskulptur von Frederick Remington, auch das ein Held der amerikanischen Kunst, ein kleiner Mustang, auf dem sich ein Cowboy aufbäumend nur an der Mähne festhält, auch der wird bleiben. Also es steht schon ein bisschen für Beständigkeit. Die vielleicht größte Überraschung: Laura Bush hat damals, als sie übernahmen, die Bushs, einen neuen Teppich für das Oval Office designen lassen mit dem präsidialen Wappen in Blau in der Mitte und einem goldenen Adler und dann ein strahlenförmiger Kranz, der sich von dort bis an die Ränder des Oval Office ausbreitet. Auch der wird bleiben, denn: Obama mag ihn.

    Schäfer-Noske: Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat er denn jetzt über diese bestimmten Dinge hinaus, die sowieso bleiben müssen?

    Koldehoff: Das Einzige, was er tun kann, ist die furchtbar plüschige Couch, die in der Mitte steht, eventuell auszutauschen. Da gibt es schon von prominenten Interieur-Designern aus den USA nicht nur Vorschläge, sondern dringende Wünsche, das doch bitte auch zu tun. Und das andere ist natürlich die Kunst, die an den Wänden hängt. Ich habe gerade schon gesagt, das Washington-Portrait und der Bronco Buster, diese kleine Skulptur, die werden stehen bleiben, aber bereits feststeht, dass die Churchill-Skulptur, die George W. Bush dort stehen hatte, weg kommt, dass auch die beiden texanischen Aquarelle, Landschaften aus Texas, die rechts und links vom Präsidentenschreibtisch hinter ihm gehangen haben, nicht mehr dort hängen.

    Die große Frage ist: Was kommt da jetzt hin? Dieser Raum ist eine völlige Katastrophe für jeden Kurator, er hat keine geraden Wände. Dort, wo es mal einigermaßen große Flächen gäbe, um auch Bilder hängen zu können, da ausgerechnet sind dann Türen oder Fensterdurchbrüche, sodass da auch nicht viel möglich ist. Es heißt nun, ich habe am Freitagabend noch mit dem White House Chief Curator – so etwas gibt es dort, einen eigenen Kunstkurator – telefoniert. Der sagte mir, die letzte Entscheidung sei noch nicht gefallen, Herr Obama habe sich wohl dafür ausgesprochen, auf jeden Fall ein Portrait von Abraham Lincoln hinzustellen, und wahrscheinlich soll auch auf die Kommode, auf der bisher Churchill gestanden hat, nun Lincoln.

    Schäfer-Noske: Woher holt er sich denn diese Kunstwerke?

    Koldehoff: Das Weiße Haus hat eine erstaunlich große und erstaunlich gute eigene Kunstsammlung, mehrere hundert Werke, unter anderem ein Ölgemälde von Cézanne dabei und John Singer Sargent, der große amerikanische Impressionist, ist vertreten. Das sind zum Teil Stiftungen, zum Teil Ankäufe der White House Historical Society, die einen eigenen Etat aus Spendenmitteln dafür bereithält. Es gab da übrigens in den letzten Jahren, gerade als sich abzeichnete, dass Obama der neue Präsident werden könnte, auch Anmerkungen, dass in dieser gigantischen Sammlung bisher gerade mal drei Werke von schwarzen Künstlern vertreten seien. Zwei davon hat George W. Bush angekauft, vorher war es also nur ein einziges. Auch da wird sich wahrscheinlich in nächster Zeit einiges ändern.

    Schäfer-Noske: Hat er denn dafür überhaupt noch Platz, um womöglich so ein Kunstwerk aufzuhängen?

    Koldehoff: Es gäbe eine freie Wand noch, schräg gegenüber dem Präsidentenschreibtisch, wo dann auch ein Werk eines schwarzen Künstlers, das keine ausdrücklich politische Aussage hat, hängen könnte. Aber es gibt natürlich die vielen Repräsentationsräume im White House, es gibt den Lageraum, es gibt die Flure, überall dort wäre Platz. Und wie man Obama bislang einschätzt, wird er das nutzen, um auch da Zeichen zu setzen.

    Schäfer-Noske: Wie unterscheidet sich denn sein Umgang mit der Einrichtung des Weißen Hauses von dem, den bis jetzt die anderen Präsidenten gezeigt haben?

    Koldehoff: Es ist bisher so gewesen, dass jedes Mal bei einer Amtsübergabe tatsächlich, wie Sie es in der Anmoderation beschrieben haben, völlige Tabula rasa war, und dann kamen die Inneneinrichter und haben komplett neu gestaltet. Das ist bei Obama jetzt nicht so, und er gibt dafür beziehungsweise. lässt dafür über seinen Pressesprecher zwei Gründe angeben. Der eine ist der inhaltliche, er will durchaus zeigen, dass er keine Brüche will, sondern schon so etwas wie ein Anknüpfen an Kontinuität, also nicht nur das Schimpfen und das Beenden der Bush-Ära, sondern in kleinen Gesten dann eben auch Kontinuität wahren. Und das andere ist ein ganz profaner Grund. Er sagt, so etwas kostet alles Geld, und dieses Geld können wir sparen.

    Schäfer-Noske: Stefan Koldehoff war das über die Pläne von Barack Obama für den Neugestaltung des Oval Office.