
Sören Brinkmann: Es ist ja nicht ihr erstes Weihnachtsalbum. Warum geht es bei Ihnen immer um Weihnachten?
Lisa Troyer: Weil es um Liebe, Glück und Frieden geht. Ich möchte daran erinnern, dass jeder Mensch besonders und jeder Mensch ein Geschenk ist. Bei Weihnachtsliedern denkt man also an das Positive auf der Welt. Natürlich gibt es gerade heute viele Herausforderungen, aber trotz allem gibt es auch die guten Dinge. Und in der Weihnachtszeit können wir besonders darauf den Blick werfen. Und eigentlich möchte doch jeder auf der Welt dieses gute Gefühl haben. Weihnachtslieder geben uns die Möglichkeit, darüber zu sprechen.
Brinkmann: Sie haben mal geschrieben, dass Weihnachtslieder auch eine Möglichkeit geben, eine Tür zu öffnen - eine Tür zu den Herzen der Menschen, auch um eine Verbindung zu ihnen zu bekommen. Wie meinen Sie das?
Troyer: Jeder möchte das Gefühl haben, dass er irgendwo hingehört, dazugehört. Gerade während der Ferienzeit. Egal wo ich auftrete, in kleinen Geschäften, in der Kirche oder im Theater: Ich merke immer, dass viele Menschen noch ihre Kindheitserinnerungen an Weihnachten haben. Wenn man verliebt ist, ist Weihnachten eine besondere Zeit. Aber auch wenn man in einem Chor singt. Da kommen die Erinnerungen hoch an die erste Liebe oder an die Kindheit, schon allein wenn man den heiligen Nikolaus sieht. Es ist doch wunderbar, die Zeit mit der Familie oder mit Freunden zu verbringen.
"Zeitgemäße Popmusik für die Generation ab Mitte 20"
Brinkmann: Wenn wir über Ihr Album reden. Darauf sind ja keine klassischen Weihnachtslieder, keine getragenen Kirchenlieder. Es geht mehr in die Richtung Pop. Wie würden Sie es beschreiben?
Troyer: Es geht vor allem um zwischenmenschliche Beziehungen. Zum Beispiel im Song "Deeper in Love" geht es um meine Beziehung zu meinem Ehemann, mit dem ich seit mehr als 26 Jahren verheiratet bin. Ich singe auch Stücke mit einem klassischen Weihnachtstext, aber mit einer Pop-Melodie. Auf diese Weise werden sie vielleicht von jüngeren Leuten eher wahrgenommen und wertgeschätzt. Diese Texte, die so viel Bedeutung haben und die man schon seit Jahrzehnten kennt, oder die schon Jahrhunderte alt sind. Wenn man sie anders verpackt, werden sie wohl stärker angenommen. Es sind Lieder voller Spaß.
Brinkmann: Und im Bezug auf die Musik, die Melodien?
Troyer: Ich würde sagen, es ist zeitgemäße Popmusik für die Generationen ab Mitte 20. Obwohl auch meine Tochter die Musik mag. Sie ist Teenager, sie ist gerade an der Uni, wo sie Musik und Theater studiert. Sie mag vor allem einen Song, der vom Stil her ein bisschen nach den 60er-Jahren klingt - nach Phil Spector. Die jungen Leute, die mit Adele und Duffy aufwachsen, die denken dann wohl: Ist das modern oder ist das retro? Ich bin glücklich, dass unterschiedliche Generationen meine Musik hören.
"Ich genieße es, auf deutschen Weihnachtsmärkten zu sein"
Brinkmann: Sie haben inzwischen mehr als 40 Weihnachtslieder geschrieben. Sie leben in Ohio, in der kleinen Ortschaft Berlin. Und dort gibt es ja eine recht große Minderheit von deutschstämmigen Einwohnern, die zum Teil auch noch deutsch sprechen. Wie groß ist der Einfluss von deren Traditionen?
Troyer: Der ist ziemlich groß. Es gibt viele Menschen, die einen Dialekt sprechen - eine Mischung aus Deutsch, Schweizerdeutsch und Englisch. Wir nennen es Pennsylvania Dutch.
Brinkmann: Und da haben Sie trotzdem noch keinen Weihnachtsmarkt in Ihrem Ort?
Troyer: Ich denke, das ist die nächste große Veranstaltung, die wir einführen sollten. Ich bin jetzt zum vierten oder fünften Mal in Deutschland und ich genieße es immer, auf Weihnachtsmärkten zu sein. Das kann auch bei uns Teil der Kultur werden. Ich denke an die vielen Menschen, deren Vorfahren aus Deutschland oder der Schweiz kommen, die sollten das doch auch bei uns erleben können. Schließlich gibt es ja auch echtes deutsches Essen in meiner Heimatstadt. Dann gehören doch auch Weihnachtsmärkte dazu.
Brinkmann: Sie singen ja zum Beispiel auch das Lied "O Tannenbaum" jetzt auf ihrem Album - mit ein paar Zeilen auch auf Deutsch. Wieso gerade dieses Lied? Ist es so verbreitet und bekannt in den USA?
Troyer: Ja. Es ist eines der Lieder, die man in der Grundschule lernt. Und die Melodie ist vielen Menschen in den USA sehr vertraut. Kindern und Erwachsenen. Ganz besonders bekannt ist es durch die Peanuts, das Charly Brown Christmas Special. Es ist die bekannteste Animations-Weihnachts-Sendung in Amerika. Gerade in diesem Jahr ist übrigens das 50. Jubiläum. Und wenn man sich das anschaut, da läuft dieser Song "O Tannenbaum" immer wieder. Ich höre diesen Song also schon mein ganzes Leben lang - und singe ihn. Und ich dachte mir, wenn dieses Lied jetzt auf der Platte ist, dann sollte ich doch zumindest einen Teil auf Deutsch singen.
