Donnerstag, 28. März 2024

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Literarische Ethnografien des Dreiländerecks

Peter Hunkeler, Kommissar der Basler Kriminalpolizei, sollte eigentlich bei einem Kuraufenthalt seinen kaputten Rücken kurieren. Stattdessen muss er sich mit Kunstdieben, alemannischen Möchtegern-Indianern und entlassenen Klatschreportern herumschlagen. Der neue Hunkeler-Krimi greift nach dem Leser mit kulturell-sozialen Hommagen an jene Gegend am Rhein, die Basel, das Elsass und ein bisschen Schwarzwald umfasst.

Von Sacha Verna | 26.03.2008
    Wenn Hunkeler im Heilbad sitzt, ist Düse fünf gefälligst von alten Tanten mit bunten Badekappen frei zu halten. Und wenn Hunkeler im Heilbad sitzt, haben darin bitteschön auch nicht plötzlich schwule Onkel mit durchgeschnittenen Kehlen aufzutauchen. Aber das ist offenbar zu viel verlangt. So muss sich Peter Hunkeler, Kommissar der Basler Kriminalpolizei, der eigentlich im Hotel Marina zu Rheinfelden seinen kaputten Rücken kurieren sollte, stattdessen mit Kunstdieben, alemannischen Möchtegern-Indianern und entlassenen Klatschreportern herumschlagen.

    Um ehrlich zu sein: Es ist ihm durchaus recht so. Zumal Kuraufenthalte gut sein mögen für bejahrte Knochen, aber Gift sind fürs Gemüt.

    Hansjörg Schneiders neuer Hunkeler-Krimi ist sein bisher bester. Nicht des Plots wegen - Schneiders Plots sind häufig gefährlich klapprige Konstruktionen. Nicht der Spannung wegen - Spannung ist in diesen Romanen sekundär, was freilich nicht heißt, dass sie völlig fehlt. Nein, "Hunkeler und die goldene Hand” ist der bisher beste Hunkeler-Krimi, weil darin eine Atmosphäre herrscht, die einen einsaugt wie das Dachentwässerungssystem Geberit Pluvia gemäß Firmengarantie das Regenwasser. Oder so. Jedenfalls vollständig.

    Peter Hunkeler ermittelt in seinem sechsten Fall brummbäriger denn je. Ihm passen weder Basels feine Gesellschaft, in die ihn der sogenannte "Marina-Mord” an einem homosexuellen Kunsthändler führt, noch die Schwulenbars, in denen er sich nicht auskennt und auf Unterstützung angewiesen ist. Und ihm passen auch nicht die Neo-Naturalisten, die auf bukolischen Bauernhöfen den Ausstieg proben, sich die Wiedererweckung vorsintflutlichen Brauchtums aufs Banner geschrieben haben und zu diesem Zweck hinter Preziosen her sind, die ihrer Meinung nach im Lauf der Geschichte in den falschen Museen gelandet sind. Am allerwenigsten aber passt Hunkeler sich selber. Er spürt das Alter.

    Wer sich den Kommissar nun als Weltschmerz-Umarmer skandinavischer Prägung und Schneiders Krimis als Wohin-hab-ich-nur-mein-Ego-verlegt-Rätsel vorstellt, liegt falsch. Im Grunde genommen dienen Hunkeler und seine Toten dem Autor nämlich lediglich als Vorwand dafür, eine Liebeserklärung in Fortsetzung an eine Landschaft zu schreiben. Die Hunkeler-Romane sind literarische Ethnografien des Dreiländerecks, kulturell-sozial-gastronomische Hommagen an jene Gegend am Rhein, die Basel, das Elsass und ein bisschen Schwarzwald umfasst.

    Dass Hansjörg Schneiders alias Hunkelers Herz besonders für die Stadt Basel und fürs Elsass schlägt, für Lokale wie das Milchhüsli und Orte mit Namen wie Buus, wird bald deutlich. Wer wollte es ihm verübeln. Es sind Spaziergänge auf Treidelwegen dem Fluss entlang, Wanderungen über Wiesen bis ins Hundsloch und die Tagesteller in Gaststuben wie dem Blauen Bock, die Hunkeler zur Hochform verhelfen. Dann ist Hunkeler. Darin besteht seine ganze Methode. Denn existentieller als Hunkler kann eine Spürnase gar nicht schnüffeln. Buchstäblich. Dieser Kommissar löst seine Fälle durch bloßes Sein. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort, zugegeben. Auch ein paar graue Zellen sind involviert. Doch hauptsächlich ist es Hunkelers Gabe, mit seiner Umgebung zu verschmelzen, sie und mit ihr die Stimmungen der Menschen darin in sich aufzunehmen, die schließlich die Entlarvung des Täters zur Folge hat.

    Es geht dem Leser mit "Hunkeler und die goldene Hand” wie Hunkeler im Blauen Bock: Osmose in allen Richtungen. Hansjörg Schneider verführt sein Publikum diesmal zur genüsslichen Selbstauflösung mit Krimibonus.

    Hansjörg Schneider: Hunkeler und die goldene Hand. Roman.
    Ammann Verlag, Zürich, 2008. 256 Seiten. 18.90 Euro. 34.90 Franken.