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Lochfraß unter der Lupe

Materialwissenschaft. - Korrosion gehört für Techniker und Ingenieure zum Alltag. Bestandteile der Luft, Feuchtigkeit oder aggressive Medien fressen an den Materialien. Wie sie das tun, untersuchen Forscher des Max-Planck-Instituts für Metallforschung. Sie wollen dadurch auch Hinweise auf besseren Korrosionsschutz gewinnen.

Von Hellmuth Nordwig |
    Wer sich mit Legierungen beschäftigt, der kommt am Thema Korrosion kaum vorbei. Am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Andreas Stierle ausschließlich mit diesen zerstörerischen Vorgängen.

    "Metalle und Legierungen haben eine große Bedeutung, und sie sind immer einer Atmosphäre ausgesetzt, Luft, Wasser, oder jetzt im Winter dem Salz, und werden dadurch angegriffen. Wodurch sich zum einen sich dann Oxidschichten bilden können, oder eine Auflösung des Metalls auch stattfinden kann."

    Was dabei genau passiert, haben die Stuttgarter Forscher nun auf der atomaren Ebene unter die Lupe genommen. Dieses Vergrößerungsglas steht im französischen Grenoble und heißt Europäisches Synchrotron, was soviel bedeutet wie eine extrem leistungsfähige Quelle von Röntgenstrahlen. Sie helfen den Forschern dabei, die Struktur eines Materials Atom für Atom aufzulösen. Andreas Stierle und seine Kollegen haben so eine Legierung aus Gold und dem weniger edlen Kupfer unter die Lupe genommen, und zwar während sich das Material in aggressiver Schwefelsäure befand. Sie haben also den Korrosionsprozess sozusagen live betrachtet. Stierle:

    "Dann kann man beobachten, wie Kupfer aus der obersten Schicht herausgelöst wird, übrig bleiben Goldatome, eine Schicht, die ganz regelmäßig geordnet ist."

    Diese Schicht besteht überwiegend aus Goldatomen und schützt das Material zunächst vor weiterem Zerfall. Ein überraschendes Ergebnis: Korrosion beginnt damit, dass sich auf der Oberfläche eine Schutzschicht ausbildet. Wählten die Forscher allerdings noch aggressivere Bedingungen, dann ließ sich im Experiment der weitere Zerfall nicht aufhalten.

    "Dann ziehen sich die Goldatome sozusagen zusammen, bilden Inseln und das ist dann der Anfang vom Ende für das Material, denn dann sind tiefer liegende Schichten zugänglich und es kann sich weiteres Kupfer herauslösen."

    Das Material wird dann zusehends durchlöchert und ähnelt einer Art Schwamm. Die Mischung aus Kupfer und Gold haben die Wissenschaftler nur deshalb ausgewählt, weil sie sich am leichtesten untersuchen lässt. In der Praxis hat dieses Material keine Bedeutung. Andreas Stierle glaubt aber, dass sich die Ergebnisse auch auf technisch bedeutsame Legierungen übertragen lassen. Jedenfalls gibt es erste Hinweise darauf, dass sich Messing bei der Korrosion ähnlich verhält. Dass die Forscher nun im Anfangsstadium des Zerfalls eine Schutzschicht entdeckt haben, könnte deshalb ganz praktische Konsequenzen haben. Stierle:

    "Auch bei technisch relevanteren Materialien, zum Beispiel im Schiffsbau wollen wir jetzt sehen, wie wir Legierungen gezielt so "tunen" können, dass sich diese Passivierungsschichten auf der Oberfläche ausbilden..."

    ...und dort möglichst lange bleiben. Auch die Inseln aus Metallatomen, die im weiteren Verlauf der Korrosion entstehen, sind möglicherweise interessant. Denn sie zeigen den Forschern, ...

    "... wie man Legierungsoberflächen nanostrukturieren kann, das sind Materialien die es in der Natur nicht gibt. Auch diese schwammartige Struktur ist wichtig, zum Beispiel für die Katalyse, weil sie eine sehr große Oberfläche ihrerseits hat..."

    ... und damit jede Menge Hohlräume bietet. In deren Schutz könnten möglicherweise chemische Umsetzungen ablaufen, die sonst nicht möglich sind.