Über Jahrzehnte schien das Schweizer Bankgeheimnis wie in Stein gemeißelt. Wäre es nach dem Schweizer Finanzminister Hans Rudolf Merz gegangen, wäre das auch noch lange so geblieben. Dann kam die Affäre um Ex-Postchef Zumwinkel und dessen Familienstiftungen in Liechtenstein im Februar 2008. Diese Affäre brachte auch die Schweiz in die Schusslinie. Aber selbst da glaubte Merz noch fest daran, dass sich am Bankgeheimnis nichts ändern würde:
"Den Angreifern auf das schweizerische Bankgeheimnis kann ich allerdings voraussagen, an diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeißen. Es steht nämlich nicht zur Disposition."
Ein Unrechtsbewusstsein kannten die Schweizer jahrzehntelang nicht. Das Bankgeheimnis wurde sogar verklärt. Es bildete sich die Anekdote, dass das Bankgeheimnis zum Schutz jüdischen Vermögens1934 eingeführt worden sei. Schuldgefühle, weil man die schützende Hand über die Konten von Schwarzgeldsündern hielt? Fehlanzeige. Ein schlechtes Gewissen, weil ein erheblicher Teil des Schweizer Wohlstands auf der Verwaltung von undeklarierten Geldern gründete? Nein, warum auch? Ganz im Gegenteil: Schweizer Politiker wie Caspar Baader von der Schweizerischen Volkspartei zeigten lange Zeit mit dem Finger nach Berlin:
"Man muss die Ursache des Problems sehen. Die Ursache liegt darin, dass die Steuerbelastung für wohlhabende Leute in Deutschland zu hoch ist."
Anfang 2009 drohte die Schweiz auf eine schwarze Liste von Steueroasen zu kommen. Die Schweiz weigerte sich nämlich beim Verdacht auf Steuerhinterziehung anderen Ländern Amtshilfe zu gewähren. Schon allein das Gerücht, dass so eine schwarze Liste in Vorbereitung sei, führte in der Schweiz zu großer Nervosität. Anders ist es auch nicht zu erklären, weshalb Aussagen des ehemaligen deutschen Finanzministers Peer Steinbrück zu einer etwaigen schwarzen Liste, große Empörung in der Schweiz auslösten:
"Dass so eine solche Liste erarbeitet werden könnte, ja, das ist die Idee, die wir haben. Oder umgangssprachlich formuliert, die 7. Kavallerie im Fort Humar, die man auch ausreiten lassen kann. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt."
Den Indianervergleich nahmen die Schweizer Steinbrück übel. Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmey-Rey bestellte sogar den deutschen Botschafter in Bern ein. Trotz aller Empörung reagierte die Schweiz schlussendlich. Im März vergangenen Jahres kündigte Hans-Rudolf Merz an, die Regeln der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit OECD künftig erfüllen zu wollen, d.h. im Fall von Steuerhinterziehung, Amtshilfe zu gewähren. Den Schweizern, insbesondere Finanzminister Merz, schien zu dämmern, dass die Schweiz auch mit einem durchlöcherten Bankgeheimnis leben könne:
"Wir haben eine eigene Währung. Wir haben einen guten Finanzplatz. Wir haben gut ausgebildete Fachleute. Wir haben politische Stabilität. Und das ist allein schon für sehr viele ein Motiv, ihr Vermögen oder Teil ihres Vermögens, auf unserem Finanzplatz zu haben. Die werden alle nicht fortgehen."
Trotz aller Angriffe aufs Bankgeheimnis und dem Auftauchen immer neuer CDs mit geklauten Kundendaten, blieb der Exodus an Geldern aus der Schweiz aus. Ganz im Gegenteil: Dank des starken Franken verwalten die Schweizer Banken heute mehr Geld als je zuvor. Und mit den neuen Doppelbesteuerungsabkommen und dem noch anstehenden neuen Staatsvertrag mit Deutschland, bleibt das Bankgeheimnis im Kern erhalten. Denn Wolfgang Schäuble kann sich zwar über zusätzliche Milliarden aus der Schweiz freuen. Wer aber hinter diesem Geld steckt, werden die Schweizer Banken weiterhin nicht preisgeben müssen. Einen automatischen Datenaustausch wie von der EU gefordert wird es zunächst nicht geben. Zunächst. Denn den Druck auf die Schweiz werde Brüssel nicht aufgeben, meint Bankenexperte Manuel Ammann:
"Es ist nach wie vor das erklärte Ziel in der EU, dass man diesen automatischen Informationsaustausch einführt, und entsprechend wird die EU auch den Druck aufrechterhalten auf Staaten, Nicht-EU-Staaten, die eine Konkurrenz darstellen um diese Gelder, um eben dies ebenfalls einzuführen."
Dass man jetzt, wie gestern beschlossen, über die Schwarzgelder verhandelt, ist aber letztlich eine Zäsur. Der Korrespondent der Basler Zeitung in Berlin, Benedikt Vogel, spricht sogar vom Abschied von einer Lebenslüge. Jahrzehntelang habe der Schweizer Finanzplatz von den Schwarzgeldern profitiert. Das heißt im Klartext, dass die Schweiz auf Kosten anderer Staaten gelebt habe, so Vogel. Für Vogel ist die Schweiz mit der gestrigen Einigung ein bisschen näher an die EU herangerückt.
"Darin steckt ja auch die Idee oder das Zugeständnis, dass man eben nicht auf Kosten der anderen Staaten lebt, und darin sehe ich schon auch eine Normalisierung im Verhältnis zur Europäischen Union."
Im Januar sollen die Verhandlungen zu einem neuen Staatsvertrag beginnen. Dann muss das Grundsatzpapier, das Schäuble und Merz gestern unterschrieben haben, noch mit viel Inhalt unterfüttert werden.
"Den Angreifern auf das schweizerische Bankgeheimnis kann ich allerdings voraussagen, an diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeißen. Es steht nämlich nicht zur Disposition."
Ein Unrechtsbewusstsein kannten die Schweizer jahrzehntelang nicht. Das Bankgeheimnis wurde sogar verklärt. Es bildete sich die Anekdote, dass das Bankgeheimnis zum Schutz jüdischen Vermögens1934 eingeführt worden sei. Schuldgefühle, weil man die schützende Hand über die Konten von Schwarzgeldsündern hielt? Fehlanzeige. Ein schlechtes Gewissen, weil ein erheblicher Teil des Schweizer Wohlstands auf der Verwaltung von undeklarierten Geldern gründete? Nein, warum auch? Ganz im Gegenteil: Schweizer Politiker wie Caspar Baader von der Schweizerischen Volkspartei zeigten lange Zeit mit dem Finger nach Berlin:
"Man muss die Ursache des Problems sehen. Die Ursache liegt darin, dass die Steuerbelastung für wohlhabende Leute in Deutschland zu hoch ist."
Anfang 2009 drohte die Schweiz auf eine schwarze Liste von Steueroasen zu kommen. Die Schweiz weigerte sich nämlich beim Verdacht auf Steuerhinterziehung anderen Ländern Amtshilfe zu gewähren. Schon allein das Gerücht, dass so eine schwarze Liste in Vorbereitung sei, führte in der Schweiz zu großer Nervosität. Anders ist es auch nicht zu erklären, weshalb Aussagen des ehemaligen deutschen Finanzministers Peer Steinbrück zu einer etwaigen schwarzen Liste, große Empörung in der Schweiz auslösten:
"Dass so eine solche Liste erarbeitet werden könnte, ja, das ist die Idee, die wir haben. Oder umgangssprachlich formuliert, die 7. Kavallerie im Fort Humar, die man auch ausreiten lassen kann. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt."
Den Indianervergleich nahmen die Schweizer Steinbrück übel. Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmey-Rey bestellte sogar den deutschen Botschafter in Bern ein. Trotz aller Empörung reagierte die Schweiz schlussendlich. Im März vergangenen Jahres kündigte Hans-Rudolf Merz an, die Regeln der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit OECD künftig erfüllen zu wollen, d.h. im Fall von Steuerhinterziehung, Amtshilfe zu gewähren. Den Schweizern, insbesondere Finanzminister Merz, schien zu dämmern, dass die Schweiz auch mit einem durchlöcherten Bankgeheimnis leben könne:
"Wir haben eine eigene Währung. Wir haben einen guten Finanzplatz. Wir haben gut ausgebildete Fachleute. Wir haben politische Stabilität. Und das ist allein schon für sehr viele ein Motiv, ihr Vermögen oder Teil ihres Vermögens, auf unserem Finanzplatz zu haben. Die werden alle nicht fortgehen."
Trotz aller Angriffe aufs Bankgeheimnis und dem Auftauchen immer neuer CDs mit geklauten Kundendaten, blieb der Exodus an Geldern aus der Schweiz aus. Ganz im Gegenteil: Dank des starken Franken verwalten die Schweizer Banken heute mehr Geld als je zuvor. Und mit den neuen Doppelbesteuerungsabkommen und dem noch anstehenden neuen Staatsvertrag mit Deutschland, bleibt das Bankgeheimnis im Kern erhalten. Denn Wolfgang Schäuble kann sich zwar über zusätzliche Milliarden aus der Schweiz freuen. Wer aber hinter diesem Geld steckt, werden die Schweizer Banken weiterhin nicht preisgeben müssen. Einen automatischen Datenaustausch wie von der EU gefordert wird es zunächst nicht geben. Zunächst. Denn den Druck auf die Schweiz werde Brüssel nicht aufgeben, meint Bankenexperte Manuel Ammann:
"Es ist nach wie vor das erklärte Ziel in der EU, dass man diesen automatischen Informationsaustausch einführt, und entsprechend wird die EU auch den Druck aufrechterhalten auf Staaten, Nicht-EU-Staaten, die eine Konkurrenz darstellen um diese Gelder, um eben dies ebenfalls einzuführen."
Dass man jetzt, wie gestern beschlossen, über die Schwarzgelder verhandelt, ist aber letztlich eine Zäsur. Der Korrespondent der Basler Zeitung in Berlin, Benedikt Vogel, spricht sogar vom Abschied von einer Lebenslüge. Jahrzehntelang habe der Schweizer Finanzplatz von den Schwarzgeldern profitiert. Das heißt im Klartext, dass die Schweiz auf Kosten anderer Staaten gelebt habe, so Vogel. Für Vogel ist die Schweiz mit der gestrigen Einigung ein bisschen näher an die EU herangerückt.
"Darin steckt ja auch die Idee oder das Zugeständnis, dass man eben nicht auf Kosten der anderen Staaten lebt, und darin sehe ich schon auch eine Normalisierung im Verhältnis zur Europäischen Union."
Im Januar sollen die Verhandlungen zu einem neuen Staatsvertrag beginnen. Dann muss das Grundsatzpapier, das Schäuble und Merz gestern unterschrieben haben, noch mit viel Inhalt unterfüttert werden.