"Schaun Sie nicht ob einer gut reden kann, schaun sie was er im Kopf hat"
"… ich weiß, von was ich rede…"
"… die Leute werden sich daran gewöhnen, das ich manches etwas deutlicher ausspreche…"
"… und ich gedenke, ihn noch eine geraume Zeit zu behalten – diesen Vorsitz im Verein für deutliche Aussprache…"
Was einer so alles im Kopf hat, der der deutlichen Aussprache vorsitzt - manchmal viel zu viel.
"…Max Streibl war krank, konnte nicht mehr aus gesundheitlichen Gründen und ist leider viel, viel verstorben - viel zu früh verstorben…"
Aber immer in kompetenter Verfassung:
"…Verfassung, das bedeutet letzten Endes Kompetenz-Kompetenz. Wer hat die Kompetenz-Kompetenz. Übertragen die Nationen die Kompetenz auf Europa, oder hat Europa von sich aus schon die Kompetenz…"
"… in äh, in, in äh…"
Es ist so leicht, Edmund Stoiber zu verspotten. Auch hier wird es schon wieder getan. Und auf der CD "Stoibers Vermächtnis" von Jürgen Roth und Hans Well sowieso.
"Stoibers Vermächtnis" rechnet mit allen Mitteln der Tonkunst mit einem jahrzehntelangen Kampf in der Politik und einem vielleicht noch längeren Kampf mit der Sprache ab. Ja, es ist ja alles richtig. Am Anfang bei Edmund Stoiber war das "Äh". Es ist in der Mitte, es ist am Ende. Vielleicht war es die erste Lautäußerung des kleinen Edmund in der Wiege und wird seine letzte auf dem Totenbett sein.
"… Äh in Frankreich oder in äh in äh…"
Aber schon hier könnten sich die Geister scheiden. In die Stoiber-Verspotter und die Stoiber-Versteher. Sicherlich war und ist Edmund Stoiber der Großmeister des "Äh", aber kleinere "Äh"-Meister gibt es überall in der Politik. Je länger Joschka Fischer Außenminister war, desto mehr entströmten seinen Lippen "Ähs" und "Öhms". Edmund Stoiber wenigstens ist zugleich der Beweis dafür, dass kein Mensch ein "Äh" oder "Öhm" braucht – und selbst ein Edmund Stoiber nicht so unendlich viele. Als er während seiner Kanzlerkandidatur 2002 in die Fänge eines gewieften Medienberaters geriet, der ihn offensichtlich auch zum medialen Training zwang, führte dieses zu einer erheblichen Reduzierung seines inzwischen wieder unerschöpflichen "Äh"-Arsenals.
"… an meiner Frau schätze ich, ja gut, die Attraktivität, die sie über all die Jahre behalten hat, äh, und äh, die absolute Familienorientiertheit…"
Machen wir uns doch nichts vor: Über Edmund Stoiber spotten, heißt, die restliche politische Klasse dieses Landes zu verschonen. Eine politische Klasse, die "äht" und "öhmt", weil sie keinen Mut besitzt, einmal innezuhalten, eine winzige Pause zu machen fürs Nachdenken – und stattdessen redet und redet und redet, und wenn ihr keine Worte einfallen, "äht" und "öhmt". Oder die das Wort "Terroristen" nicht aussprechen kann, und uns jeden Tag mit "Terristen" malträtiert. Und die sich vor allem inzwischen in einer Fachsprache eingerichtet hat, unter Einsatz der unsinnigsten Fremdwörter, deren Sinn wenn überhaupt nur noch ähnlich veranlagte Geistes- und Sozialwissenschaftler zu deuten wissen.
Wir erleben so einen Rückfall in vordemokratische Zeiten, in Zeiten vor der Aufklärung: Expertensprache als Herrschaftssprache – und immer mehr Erwachsene sehen sich lieber die Nachrichten im Kinderkanal an, weil sie die noch verstehen. Edmund Stoiber bemüht sich wenigstens.
"Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten ohne dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen. Am Hauptbahnhof in München starten Sie Ihren Flug. Zehn Minuten. Schaun Sie sich mal die großen Flughäfen an. Wenn Sie in Heathrow, in London oder sonstwo, Charles-de-Gaulle in Frankreich, oder in Rom, wenn Sie sich mal die Entfernungen ansehen, wenn Sie Frankfurt sich ansehen, dann werden Sie feststellen, dass zehn Minuten Sie jederzeit locker in Frankfurt brauchen, um Ihr Geld zu finden. Wenn Sie vom Flug-, vom Hauptbahnhof starten, Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen Franz-Josef-Strauss. Dann starten Sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München. Das bedeutet natürlich, dass der Hauptbahnhof im Grunde genommen näher an Bayern, an die bayerischen Städte heran wächst. Weil das ja klar ist, weil auf dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern zusammenlaufen..."
Dieser Stoiber-Klassiker fehlt selbstverständlich nicht auf der CD zu seinem Vermächtnis. Aber gerade dieser Klassiker vom Neujahrsempfang der Münchner CSU am 21. Januar 2002, erklärt das System Stoiber. Der Mann weiß zu viel. Er meint es zu gut mit uns. Er will uns alles sagen, was er weiß. Und es hat ihm noch niemand gesagt, wie das Grundgesetz der Kommunikation lautet. Artikel 1: Du musst Respekt haben vor dem, mit dem Du kommunizierst; Du musst Respekt haben vor dem, zu dem Du sprichst. Artikel 2: Wenn Du mir Dein Wissen mitteilst, musst Du teilen – wie Du Deine Geburtstagstorte mit mir teilst; mir nicht alle Tortenstücke gibst, aber auch nicht nur ein winziges. Artikel 3: Du musst erst denken und dann sprechen.
"…Natürlich freun wir uns, das ist gar keine Frage, freun wir uns, und die Reaktion war völlig richtig, einen sich normal verhaltenen Bär in Bayern zu haben – äh, ja, das ist gar nit zum Lachen…"
Edmund Stoiber denkt nicht nur während des Redens. Und zwar an alles, was er weiß. Edmund Stoiber gibt uns auch tiefsten Einblick in die Verfertigung seiner Gedanken. Die Gedanken ringen mit den Worten, die Wörtlein treten als Kampftruppen gegeneinander an und kämpfen sich gegenseitig nieder – da legt ein Mann sein Innerstes nach außen und lässt uns teilhaben am Krieg der Gedanken, an den Schlachten der Wortungetüme. So geht es doch bei uns allen zu. Im Hirn. Doch, wenn wir klug beraten sind, lassen wir es auch da drin.
"…dann bedarf es nur noch eines kleinen Sprühens sozusagen, in die gludernde Lot, in die gludernde Flut, dass wir das schaffen können. Und deswegen in die lodernde Flut, wenn ich es sagen darf. Und deswegen, meine Damen, meine Herren…"
"… wer hat die Kompetenz-Kompetenz?"
Biermösl Blosn/Jürgen Roth, Stoibers Vermächtnis: große momente, große reden, große freude. Antje Kunstmann Verlag München, CD, 14,90 Euro.
"… ich weiß, von was ich rede…"
"… die Leute werden sich daran gewöhnen, das ich manches etwas deutlicher ausspreche…"
"… und ich gedenke, ihn noch eine geraume Zeit zu behalten – diesen Vorsitz im Verein für deutliche Aussprache…"
Was einer so alles im Kopf hat, der der deutlichen Aussprache vorsitzt - manchmal viel zu viel.
"…Max Streibl war krank, konnte nicht mehr aus gesundheitlichen Gründen und ist leider viel, viel verstorben - viel zu früh verstorben…"
Aber immer in kompetenter Verfassung:
"…Verfassung, das bedeutet letzten Endes Kompetenz-Kompetenz. Wer hat die Kompetenz-Kompetenz. Übertragen die Nationen die Kompetenz auf Europa, oder hat Europa von sich aus schon die Kompetenz…"
"… in äh, in, in äh…"
Es ist so leicht, Edmund Stoiber zu verspotten. Auch hier wird es schon wieder getan. Und auf der CD "Stoibers Vermächtnis" von Jürgen Roth und Hans Well sowieso.
"Stoibers Vermächtnis" rechnet mit allen Mitteln der Tonkunst mit einem jahrzehntelangen Kampf in der Politik und einem vielleicht noch längeren Kampf mit der Sprache ab. Ja, es ist ja alles richtig. Am Anfang bei Edmund Stoiber war das "Äh". Es ist in der Mitte, es ist am Ende. Vielleicht war es die erste Lautäußerung des kleinen Edmund in der Wiege und wird seine letzte auf dem Totenbett sein.
"… Äh in Frankreich oder in äh in äh…"
Aber schon hier könnten sich die Geister scheiden. In die Stoiber-Verspotter und die Stoiber-Versteher. Sicherlich war und ist Edmund Stoiber der Großmeister des "Äh", aber kleinere "Äh"-Meister gibt es überall in der Politik. Je länger Joschka Fischer Außenminister war, desto mehr entströmten seinen Lippen "Ähs" und "Öhms". Edmund Stoiber wenigstens ist zugleich der Beweis dafür, dass kein Mensch ein "Äh" oder "Öhm" braucht – und selbst ein Edmund Stoiber nicht so unendlich viele. Als er während seiner Kanzlerkandidatur 2002 in die Fänge eines gewieften Medienberaters geriet, der ihn offensichtlich auch zum medialen Training zwang, führte dieses zu einer erheblichen Reduzierung seines inzwischen wieder unerschöpflichen "Äh"-Arsenals.
"… an meiner Frau schätze ich, ja gut, die Attraktivität, die sie über all die Jahre behalten hat, äh, und äh, die absolute Familienorientiertheit…"
Machen wir uns doch nichts vor: Über Edmund Stoiber spotten, heißt, die restliche politische Klasse dieses Landes zu verschonen. Eine politische Klasse, die "äht" und "öhmt", weil sie keinen Mut besitzt, einmal innezuhalten, eine winzige Pause zu machen fürs Nachdenken – und stattdessen redet und redet und redet, und wenn ihr keine Worte einfallen, "äht" und "öhmt". Oder die das Wort "Terroristen" nicht aussprechen kann, und uns jeden Tag mit "Terristen" malträtiert. Und die sich vor allem inzwischen in einer Fachsprache eingerichtet hat, unter Einsatz der unsinnigsten Fremdwörter, deren Sinn wenn überhaupt nur noch ähnlich veranlagte Geistes- und Sozialwissenschaftler zu deuten wissen.
Wir erleben so einen Rückfall in vordemokratische Zeiten, in Zeiten vor der Aufklärung: Expertensprache als Herrschaftssprache – und immer mehr Erwachsene sehen sich lieber die Nachrichten im Kinderkanal an, weil sie die noch verstehen. Edmund Stoiber bemüht sich wenigstens.
"Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten ohne dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen. Am Hauptbahnhof in München starten Sie Ihren Flug. Zehn Minuten. Schaun Sie sich mal die großen Flughäfen an. Wenn Sie in Heathrow, in London oder sonstwo, Charles-de-Gaulle in Frankreich, oder in Rom, wenn Sie sich mal die Entfernungen ansehen, wenn Sie Frankfurt sich ansehen, dann werden Sie feststellen, dass zehn Minuten Sie jederzeit locker in Frankfurt brauchen, um Ihr Geld zu finden. Wenn Sie vom Flug-, vom Hauptbahnhof starten, Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen Franz-Josef-Strauss. Dann starten Sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München. Das bedeutet natürlich, dass der Hauptbahnhof im Grunde genommen näher an Bayern, an die bayerischen Städte heran wächst. Weil das ja klar ist, weil auf dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern zusammenlaufen..."
Dieser Stoiber-Klassiker fehlt selbstverständlich nicht auf der CD zu seinem Vermächtnis. Aber gerade dieser Klassiker vom Neujahrsempfang der Münchner CSU am 21. Januar 2002, erklärt das System Stoiber. Der Mann weiß zu viel. Er meint es zu gut mit uns. Er will uns alles sagen, was er weiß. Und es hat ihm noch niemand gesagt, wie das Grundgesetz der Kommunikation lautet. Artikel 1: Du musst Respekt haben vor dem, mit dem Du kommunizierst; Du musst Respekt haben vor dem, zu dem Du sprichst. Artikel 2: Wenn Du mir Dein Wissen mitteilst, musst Du teilen – wie Du Deine Geburtstagstorte mit mir teilst; mir nicht alle Tortenstücke gibst, aber auch nicht nur ein winziges. Artikel 3: Du musst erst denken und dann sprechen.
"…Natürlich freun wir uns, das ist gar keine Frage, freun wir uns, und die Reaktion war völlig richtig, einen sich normal verhaltenen Bär in Bayern zu haben – äh, ja, das ist gar nit zum Lachen…"
Edmund Stoiber denkt nicht nur während des Redens. Und zwar an alles, was er weiß. Edmund Stoiber gibt uns auch tiefsten Einblick in die Verfertigung seiner Gedanken. Die Gedanken ringen mit den Worten, die Wörtlein treten als Kampftruppen gegeneinander an und kämpfen sich gegenseitig nieder – da legt ein Mann sein Innerstes nach außen und lässt uns teilhaben am Krieg der Gedanken, an den Schlachten der Wortungetüme. So geht es doch bei uns allen zu. Im Hirn. Doch, wenn wir klug beraten sind, lassen wir es auch da drin.
"…dann bedarf es nur noch eines kleinen Sprühens sozusagen, in die gludernde Lot, in die gludernde Flut, dass wir das schaffen können. Und deswegen in die lodernde Flut, wenn ich es sagen darf. Und deswegen, meine Damen, meine Herren…"
"… wer hat die Kompetenz-Kompetenz?"
Biermösl Blosn/Jürgen Roth, Stoibers Vermächtnis: große momente, große reden, große freude. Antje Kunstmann Verlag München, CD, 14,90 Euro.