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Löchriger David

Restaurationstechnik. - Im Frühjahr dieses Jahres reinigten Restauratoren die berühmte, 400 Jahre alte Michelangelo-Statue des David mit feuchten Tüchern. Das Unterfangen war heftig umstritten: Prominente Kunstexperten warnten, die Methode werde den Marmor beschädigen. Jetzt wurde David zum ersten Mal einer marmorwissenschaftlichen Untersuchung unterzogen. Es stellte sich heraus: Der Marmor der Statue ist von mikroskopisch kleinen Löchern durchzogen - und er hätte keinesfalls mit feuchten Tüchern abgewischt werden dürfen.

Von Thomas Migge |
    Zu Michelangelos Zeiten wurde der aus dem Berg getrennte blütenweiße Marmor im toskanischen Carrara noch nicht bequem mit Baggern zu Tal getragen. Damals legte der Renaissancekünstler noch selbst Hand an. Ein hartes und mitunter gefährliches Tun, denn fast wäre Michelangelo von einem vom Berg herunterrutschenden tonnenschweren Marmorblock getötet worden. Zwischen 1517 und 1519 hielt sich Michelangelo oft in den Marmorbrüchen in Carrara auf. Er suchte sich höchstpersönlich jenes Arbeitsmaterial aus, aus dem er Meisterwerke schaffen wollte. Heute ist sich Donato Attanasio sicher, dass Michelangelo aus einem präzisen Grund von Florenz aus nach Carrara gereist ist:

    " Als er eine Persönlichkeit geworden war, verfügte er über die Mittel, sich selbst seinen Marmor aussuchen zu können. Als junger Künstler hatte er diese Möglichkeit nicht und so nutzte er jenen Marmor, der ihm zur Verfügung stand. Aufgrund unserer jüngsten Forschungsergebnisse wissen wir jetzt, dass Michelangelo als junger Mann schlechten Marmor bearbeiten musste. Das war bisher unbekannt. "

    Attanasio ist Werkstoffexperte. In den letzten Monaten untersuchte er Michelangelos Skulptur David, die heute im Florentiner Akademiemuseum steht. Der 4,34 Meter hohe nackte Männerkörper gilt als schönste Skulptur der europäischen Kunstgeschichte. Während der im Frühjahr abgeschlossenen Reinigungsarbeiten am David wurde deutlich, dass Attanasios Institut den Marmor genau untersuchte, denn die Restaurateure hatten bei ihrer Reinigung entdeckt, dass die Marmoroberfläche des Kunstwerks ungewöhnlich porös schien.
    Attanasio:

    " Unsere Untersuchung des Marmors wurde zu einem echten Abenteuer, denn wir entdeckten, und das wusste bisher niemand, dass der David mit mikroskopisch kleinen Löchern durchsetzt ist. Dieser Materialfehler machte eine Bearbeitung schwer und führte dazu, dass dieser Stein Umwelteinflüssen wesentlich mehr ausgesetzt ist als qualitativ guter Marmor. Aber Michelangelo hatte ja keine andere Wahl."

    Nach der Vertreibung der Medici und der Ausrufung der Republik von Florenz 1501 beauftragte die Stadt den gerade einmal 26jährigen Michelangelo einen David zu schaffen. Dafür stellte man ihm einen Marmorblock zur Verfügung, den sich 1464 der Bildhauer Agostino di Duccio schlagen ließ - im Steinbruch Fantiscritti, wie Attanasios Untersuchungen ergaben. Das Florentiner Materialforschungsinstitut, in punkto Marmor einzigartig weltweit, fütterte die Daten seiner Materialanalyse des David in den Institutscomputer. Der verglich diese Daten mit allen anderen bereits bekannten italienischen Marmorproben und den ihnen zugeordneten Steinbrüchen. Auf diese Weise war es möglich, jenen Steinbruch herauszufinden, wo der Block für den David geschlagen wurde. So hatten die Wissenschaftler eine breitere Basis für ihre Materialuntersuchungen. Zuvor waren Attanasio und seine Mitarbeiter bei ihrer Recherchen am David begrenzt auf jenen kleinen einige Zentimeter großen Marmorsplitter zur Verfügung, den 1991 ein geistig Verwirrter mit einem Hammer von der Skulptur abschlug.

    "Auch wenn man bei der Reinigung des David die poröse Oberfläche entdeckt hatte, so wusste man noch nicht, wie der Marmor in seinem Innern beschaffen ist. Die von uns ermittelten Mikro-Löcher in seinem Innern zeigten uns, dass die im Frühjahr durchgeführte Reinigungsmethode, die heftig umstritten war, dem Marmor tatsächlich Schaden zufügen kann. Jetzt wissen wir, dass eine Skulptur aus einem solchen Marmor anders gereinigt werden muss. "

    Die gesteinswissenschaftlichen Analysen ergaben, dass - wie verschiedene Kunsthistoriker bereits vermutet hatten - ein poröser Marmor nicht mit feuchten Papierschnipseln gereinigt werden darf, die den Schmutz wie ein Schwamm aufsaugen. Jede Form von Feuchtigkeit, so das Fazit von Donato Attanasios Untersuchungen, kann so einen Marmor schwer beschädigen. Wie man in Zukunft die Skulptur reinigen soll, ohne ihren porösen Marmor zu beschädigen, ist derzeit noch unklar.