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Löschst Du noch oder mailst Du wieder?

Viel ist geredet worden über den lästigen Email-Müll, den Spam, der uns allen den Spaß an der elektronischen Kommunikation verleidet. Doch wirklich Geschehen ist bislang nur wenig. In der vergangenen Woche traf sich die deutsche Internetwirtschaft in Köln, um den Kampf gegen den Spam zu koordinieren. Ein Mittel sollen demnach Positivlisten sein, mit denen "gute" von "bösen" Postversendern unterschieden werden können.

Von Max Schönherr | 25.09.2004
    Spam hat seine Unschuld als lästiges Übel verloren. Das merkt man nicht nur an neuen Gesetzen, sondern auch daran, dass der Spam das Kapital anzieht: zwar kosten die Milliarden täglicher Spam Mails, die täglich auf die so genannten Internet Service Provider, die ihren Kunden den Zugang zum Web verkaufen, einprasseln, Bandbreite und Speicherplatz. Inzwischen hat die Industrie aber auch erkannt, dass man mit Spam Geld verdienen kann – ohne kriminell zu werden. Sonst hätte der Antispam-Kongress, veranstaltet vom Verband der deutschen Internetwirtschaft eco e.V., nicht so viele Leute aus der Industrie angezogen. Es war sogar eine kleine Messe der Hersteller von Antispam-Werkzeugen im Börsensaal der Industrie- und Handelkammer Köln integriert.

    Die Leute würden den Provider wechseln, wenn wir keinen Spam-Schutz hätten. Ein Spam-Schutz oder Sicherheitsmaßnahmen im Bezug auf Spam und Viren sind inzwischen ein unerlässliches Produkt, was jeder Provider seinem Nutzer zur Verfügung stellen sollte und muss.

    Leslie Romeo leitet bei einem der größten Mitspieler in der Industrie, web.de, sogar ein Spam-Labor mit Trockentests.

    Für den laufenden Betrieb und die Qualität der Schutzmechanismen, in diesem Fall des Spam-Filters, gibt es Laborumstände, in denen durch so genannte Spam-Fallen Spams gesammelt, analysiert und dann die entsprechenden Gegenmaßnahmen zu diesen Spams entwickelt werden. Letztendlich werden dann genau diese neu entwickelten Mechanismen gegen die Gesamtmenge der Mails, die man gesammelt hat, getestet und daraus ein Referenztest gebildet, um zu sehen, dass diese Filter tatsächlich funktionieren.

    Mails müssen zugestellt werden, soviel Viagra-Werbung sie auch enthalten. Bei web.de werden trotzdem täglich rund 15 Millionen Mails bereits beim Anklopfen abgewiesen, weil sie Viren enthalten oder in kürzester Zeit auf viele Kunden einprasseln oder weil sie von dubiosen Quellen kommen. Dubiose Quellen erkennt man an dynamischen Internetadressen oder daran, dass sie auf Schwarzen Listen stehen. Diese schwarzen Listen sind heute allerdings nicht mehr en vogue. Zu viele "Gute" konnten aus Versehen auf diese Listen gelangen und kamen nie mehr davon herunter. Auf dem Kongress dachte man positiver, wozu eine White List viel besser passt als eine Black List. Auf der weißen Liste stehen all diejenigen, die zwar Massen-Mails versenden, etwa Infopost, englisch "Newsletter", aber eben keine unverlangte Werbemail. Bis vergangenen Mittwoch brütete jeder Provider an seiner eigenen weißen Liste herum und hielt sie mehr oder weniger geheim.

    Unter Umständen werden wir diese White List auch in Zukunft zeigen. Im Moment ist es unsere private White List, die wir privat betreiben und auch alleine nutzen. Das heißt, wenn wir sie verfügbar machen, wird es sicherlich ein kommerzielles Produkt werden. Die White List, die jetzt durch den eco-Verband angetriggert worden ist, kam auch unter anderem auf Initiative von web.de mit zum Tragen. Das heißt, wir werden diese weiße Liste auch unterstützen und nutzen.

    Der eco-Verband ist eine immer mächtiger werdende Vertretung der Internet-Dienstleister in Deutschland. Am Mittwoch unterschrieb ihr Vorsitzender zusammen mit einem Vertreter des in der Werbebranche mächtigen Verbands der Deutschen Direktvermarkter DDV ein Papier, wonach ab sofort eine große White List erzeugt werden soll.

    Wir haben das ganze mit einer Verfahrensordnung versehen, in der bestimmte Sanktionsmechanismen niedergelegt sind, um diejenigen, die sich – in Anführungszeichen – auf die Liste Zutritt erschleichen, dann entsprechend abzustrafen, wenn sie nicht sauber E-Mails nach deutschem Recht versenden.

    So Thomas Rickert, Rechtsanwalt aus Bonn. Er weiß, wovon er spricht, denn er hat für den eco-Verband das Vertragswerk mitentworfen. Von schwarzen Listen hält er genauso wenig wie fast alle Redner bei der Veranstaltung. Von der Novelle des Wettbewerbsgesetzes, der zu Folge es seit Juli nicht mehr erlaubt ist, von Deutschland nach Deutschland Werbe-Mails zu verschicken, ohne dass der Empfänger ausdrücklich seine Erlaubnis gegeben hat, halten alle viel, auch wenn die Internet Service Provider auf einen wesentlichen Mangel hinweisen. Dazu Romeo:

    Im Moment ist es so, dass der Provider in einer eher misslichen Lage ist und nur über die Krücke des Mitbewerbs gegen Spammer vorgehen kann und nicht tatsächlich direkt gegen einen Spammer aufgrund einer aktuellen Gesetzgebung. An dieser Stelle sehen wir noch ein bisschen weiteren Bedarf an die Gesetzgeber.

    Der Gesetzgeber hebt auf Wettbewerbsverzerrungen ab, also etwa auf jemanden, der ein Produkt besser verkauft, weil er Spam-Mails verschickt. Nicht aber auf die Internet-Anbieter, die quantitativ am meisten unter Spams leiden. Spam-geschädigte Endverbraucher können sich jetzt an Verbraucherschutzorganisationen oder aber auch an Verbände wie eco wenden, wo bereits seit einem Jahr eine Spam-Hotline arbeitet. Thomas Rickert wagt einen Blick in die Zukunft:
    Die Möglichkeit, dass Spam heute überhaupt als so großes Problem wahrgenommen werden muss, liegt darin, dass das SMTP-Protokoll - das Versendungsprotokoll - keinerlei Authentifizierungen beinhaltet. Derzeit wird in internationalen Gremien rege daran gearbeitet, global Standards zu verabreden, die diesem Manko abhelfen. Und wenn es dann tatsächlich so ist, dass man nicht mehr unerkannt Mails versendet, müssen wir auch davon ausgehen, dass diejenigen, die das Medium E-Mail missbrauchen, nicht mehr so leicht zur Tat schreiten.