Christoph Heinemann: Und am Telefon ist Gesine Lötzsch, eine der beiden Vorsitzenden der Linkspartei. Guten Morgen!
Gesine Lötzsch: Guten Morgen!
Heinemann: Ist Ihre Partei bereit zu einem überparteilichen Konsens, von dem Stefan Detjen gerade sprach?
Lötzsch: Also erst einmal müssen wir die Situation haben, dass wir überhaupt einen neuen Bundespräsidenten wählen.
Heinemann: Davon gehen Sie nicht aus?
Lötzsch: Dieser Bundespräsident klebt derartig am Amt, dass da noch einige Fragen offen sind. Aber natürlich wäre es eine gute Lösung, wenn wir diesmal ein wirklich von allen Fraktionen oder von den meisten Fraktionen getragenen Bundespräsidenten oder Bundespräsidentin – es kann ja auch eine Frau sein – finden würden.
Heinemann: Wer könnte das sein?
Lötzsch: Ich will hier nicht mit Namen jonglieren, aber es ist ja in der Tat so, dass in den letzten Monaten auch viele Namen in die Diskussion kamen, wo auch wir als Linke gesagt haben, das können wir uns vorstellen. Aber ich glaube, jeder Name, der jetzt diskutiert wird, der trägt dazu bei, diesen Kandidaten zu schädigen, und zwar wenn wir schon diskutieren über Bundespräsidenten, bevor einer zurückgetreten ist. Aber ich glaube, wenn wir mit dem Rücktritt des Bundespräsidenten rechnen, würden wir trotzdem nicht aufhören, darüber zu diskutieren, was ist da eigentlich geschehen, und vor allen Dingen nicht aufhören, aufzuklären. Es geht doch hier um eine Verquickung von Politik und Wirtschaft, von Vorteilsnahme, von Lobbyismus, die, glaube ich, nicht einfach so ad Acta gelegt werden könnte, wenn der Bundespräsident zurückträte. Wie gesagt, wir wissen das ja alles noch nicht. Und ...
Heinemann: Wobei für Christian Wulff auf die Unschuldsvermutung gilt, Frau Lötzsch. Bereuen Sie, dass sie nicht Joachim Gauck gewählt haben beim letzten Mal?
Lötzsch: Ach, wissen Sie, es gab ja eine schwarzgelbe Mehrheit in der Bundesversammlung, und diese schwarzgelbe Mehrheit hat sich letztendlich durchgesetzt. Und ich gehe davon aus, hätte die Partei die Linke nicht mit Lukrezia Jochimsen eine eigene Kandidatin gestellt, dann wäre Herr Wulff bereits im ersten Wahlgang gewählt worden. Von daher ist also diese Frage völlig gegenstandslos.
Heinemann: Noch mal, bereuen Sie, dass Sie nicht Joachim Gauck gewählt haben?
Lötzsch: Wissen Sie, wir haben ja eine eigene Kandidatin aufgestellt, das ist der erste Punkt, und der zweite Punkt: Wir haben ja in einem Gespräch mit Joachim Gauck in unserer Fraktion festgestellt, dass sie in wesentlichen Fragen völlig gegensätzliche Auffassungen haben, zum Beispiel in der Frage, wie ist unser sozialer Staat zu gestalten, er hat sich ja auch nach den Ereignissen zum Beispiel, nach dem Aufkommen der Occupy-Bewegung sehr verächtlich über diese Bewegung geäußert – also alles Positionen, die mit uns nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Und vielleicht noch eine aktuelle Anmerkung, er hat in dem Gespräch in unserer Fraktion sich dafür ausgesprochen, dass die Linke vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und das ist natürlich eine Position, die wir überhaupt nicht teilen, ...
Heinemann: Und noch was ...
Lötzsch: ... und, glaube ich, auch ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nicht teilt.
Heinemann: Und noch, was hat er immer gemacht, er hat nämlich konsequent, ist er gegen SED-Schranzen, Stasi-Denunzianten und ähnlich traurige Figuren zu Felde gezogen, also gegen Teile Ihrer Wählerinnen und Wähler. Hatten Sie deshalb ein Problem mit Joachim Gauck?
Lötzsch: Ich glaube, dass Herr Gauck diese Formulierung nicht überlegen würde, die würde er sich auch gar nicht zu eigen machen, denn er hat ja immer darauf auch gesetzt, und hat das auch als seinen Anspruch formuliert, dass er kein Richter ist, sondern ganz im Gegenteil, dass seine Behörde, oder die Behörde, der er vorstand, der Aufklärung, der Bewältigung der Geschichte und natürlich auch einer vorwärts gewandten Diskussion gewidmet ist. Und darum, glaube ich, würde ich solche Formulierungen, wie Sie sie gerade verwandt haben, auch gar nicht mit sich selbst in Beziehung setzen wollen.
Heinemann: Frau Lötzsch, wie stellen Sie sich einen idealen Bundespräsidenten oder eine Präsidentin vor?
Lötzsch: Der Bundespräsident beziehungsweise die Bundespräsidentin muss natürlich unbestechlich sein, unbescholten und vor allen Dingen unser Land gut repräsentieren, und wenn wir Ansprüche formulieren, dann sind das natürlich auch Ansprüche, die eine Persönlichkeit auch leben muss, die für eine gerechte Gesellschaft eintritt, für Solidarität in unserer Gesellschaft, die dafür sorgt, dass auch Deutschland einen guten Ruf in der Welt hat, und das zum Beispiel solche Dinge, wie in letzter Zeit ja, die zunehmend zu beobachten sind, dass gegen andere Staaten oder Völker abfällig gesprochen wird, gehetzt wird, das dürfte so ein Bundespräsident nicht zulassen, dem müsste er entschieden entgegentreten. Und ich erwarte natürlich, dass ein Bundespräsident auch Denkanstöße gibt. Ich erinnere mich sehr gut, wie Richard von Weizsäcker dieses Amt ausgefüllt hat – das ist für mich eigentlich der Maßstab für einen Bundespräsidenten, der erklärt hat – um das mal Herausragende, woran ich mich besonders erinnere, hervorzuheben –, der gesagt hat, es ist ganz klar, der Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus ist ein Tag der Befreiung, daran ist nicht zu rütteln.
Heinemann: Gesine Lötzsch, eine der beiden Vorsitzenden der Linkspartei. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Gesine Lötzsch: Guten Morgen!
Heinemann: Ist Ihre Partei bereit zu einem überparteilichen Konsens, von dem Stefan Detjen gerade sprach?
Lötzsch: Also erst einmal müssen wir die Situation haben, dass wir überhaupt einen neuen Bundespräsidenten wählen.
Heinemann: Davon gehen Sie nicht aus?
Lötzsch: Dieser Bundespräsident klebt derartig am Amt, dass da noch einige Fragen offen sind. Aber natürlich wäre es eine gute Lösung, wenn wir diesmal ein wirklich von allen Fraktionen oder von den meisten Fraktionen getragenen Bundespräsidenten oder Bundespräsidentin – es kann ja auch eine Frau sein – finden würden.
Heinemann: Wer könnte das sein?
Lötzsch: Ich will hier nicht mit Namen jonglieren, aber es ist ja in der Tat so, dass in den letzten Monaten auch viele Namen in die Diskussion kamen, wo auch wir als Linke gesagt haben, das können wir uns vorstellen. Aber ich glaube, jeder Name, der jetzt diskutiert wird, der trägt dazu bei, diesen Kandidaten zu schädigen, und zwar wenn wir schon diskutieren über Bundespräsidenten, bevor einer zurückgetreten ist. Aber ich glaube, wenn wir mit dem Rücktritt des Bundespräsidenten rechnen, würden wir trotzdem nicht aufhören, darüber zu diskutieren, was ist da eigentlich geschehen, und vor allen Dingen nicht aufhören, aufzuklären. Es geht doch hier um eine Verquickung von Politik und Wirtschaft, von Vorteilsnahme, von Lobbyismus, die, glaube ich, nicht einfach so ad Acta gelegt werden könnte, wenn der Bundespräsident zurückträte. Wie gesagt, wir wissen das ja alles noch nicht. Und ...
Heinemann: Wobei für Christian Wulff auf die Unschuldsvermutung gilt, Frau Lötzsch. Bereuen Sie, dass sie nicht Joachim Gauck gewählt haben beim letzten Mal?
Lötzsch: Ach, wissen Sie, es gab ja eine schwarzgelbe Mehrheit in der Bundesversammlung, und diese schwarzgelbe Mehrheit hat sich letztendlich durchgesetzt. Und ich gehe davon aus, hätte die Partei die Linke nicht mit Lukrezia Jochimsen eine eigene Kandidatin gestellt, dann wäre Herr Wulff bereits im ersten Wahlgang gewählt worden. Von daher ist also diese Frage völlig gegenstandslos.
Heinemann: Noch mal, bereuen Sie, dass Sie nicht Joachim Gauck gewählt haben?
Lötzsch: Wissen Sie, wir haben ja eine eigene Kandidatin aufgestellt, das ist der erste Punkt, und der zweite Punkt: Wir haben ja in einem Gespräch mit Joachim Gauck in unserer Fraktion festgestellt, dass sie in wesentlichen Fragen völlig gegensätzliche Auffassungen haben, zum Beispiel in der Frage, wie ist unser sozialer Staat zu gestalten, er hat sich ja auch nach den Ereignissen zum Beispiel, nach dem Aufkommen der Occupy-Bewegung sehr verächtlich über diese Bewegung geäußert – also alles Positionen, die mit uns nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Und vielleicht noch eine aktuelle Anmerkung, er hat in dem Gespräch in unserer Fraktion sich dafür ausgesprochen, dass die Linke vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und das ist natürlich eine Position, die wir überhaupt nicht teilen, ...
Heinemann: Und noch was ...
Lötzsch: ... und, glaube ich, auch ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nicht teilt.
Heinemann: Und noch, was hat er immer gemacht, er hat nämlich konsequent, ist er gegen SED-Schranzen, Stasi-Denunzianten und ähnlich traurige Figuren zu Felde gezogen, also gegen Teile Ihrer Wählerinnen und Wähler. Hatten Sie deshalb ein Problem mit Joachim Gauck?
Lötzsch: Ich glaube, dass Herr Gauck diese Formulierung nicht überlegen würde, die würde er sich auch gar nicht zu eigen machen, denn er hat ja immer darauf auch gesetzt, und hat das auch als seinen Anspruch formuliert, dass er kein Richter ist, sondern ganz im Gegenteil, dass seine Behörde, oder die Behörde, der er vorstand, der Aufklärung, der Bewältigung der Geschichte und natürlich auch einer vorwärts gewandten Diskussion gewidmet ist. Und darum, glaube ich, würde ich solche Formulierungen, wie Sie sie gerade verwandt haben, auch gar nicht mit sich selbst in Beziehung setzen wollen.
Heinemann: Frau Lötzsch, wie stellen Sie sich einen idealen Bundespräsidenten oder eine Präsidentin vor?
Lötzsch: Der Bundespräsident beziehungsweise die Bundespräsidentin muss natürlich unbestechlich sein, unbescholten und vor allen Dingen unser Land gut repräsentieren, und wenn wir Ansprüche formulieren, dann sind das natürlich auch Ansprüche, die eine Persönlichkeit auch leben muss, die für eine gerechte Gesellschaft eintritt, für Solidarität in unserer Gesellschaft, die dafür sorgt, dass auch Deutschland einen guten Ruf in der Welt hat, und das zum Beispiel solche Dinge, wie in letzter Zeit ja, die zunehmend zu beobachten sind, dass gegen andere Staaten oder Völker abfällig gesprochen wird, gehetzt wird, das dürfte so ein Bundespräsident nicht zulassen, dem müsste er entschieden entgegentreten. Und ich erwarte natürlich, dass ein Bundespräsident auch Denkanstöße gibt. Ich erinnere mich sehr gut, wie Richard von Weizsäcker dieses Amt ausgefüllt hat – das ist für mich eigentlich der Maßstab für einen Bundespräsidenten, der erklärt hat – um das mal Herausragende, woran ich mich besonders erinnere, hervorzuheben –, der gesagt hat, es ist ganz klar, der Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus ist ein Tag der Befreiung, daran ist nicht zu rütteln.
Heinemann: Gesine Lötzsch, eine der beiden Vorsitzenden der Linkspartei. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.