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Loyola in den Bergen des Baskenlandes
Auf den Spuren des heiligen Ignatius

Das 400-Seelen-Dorf Loyola liegt in der Nähe von San Sebastian entfernt im Baskenland. Weltbekannt wurde es durch Ignacio de Loyola, der hier 1491 geboren wurde, und Mitbegründer des Jesuitenordens war. Hier beginnt auch der Ignatiusweg - ein Pilgerweg entlang von prächtigen Basiliken und idyllischer Natur.

Von Wolfgang Martin Hamdorf | 16.12.2018
    Die Basilika von Loyola, Kirche, Kloster, Museum, Azpeitia, in der Provinz Guipuzkoa im spanischen Baskenland
    Die Basilika von Loyola, Kirche, Kloster, Museum, Azpeitia, in der Provinz Guipuzkoa im spanischen Baskenland (dpa / imageBROKER)
    Tiefgrün schimmern die baskischen Wälder und Wiesen. Das ist auch dem "txirimiri" dem feinen baskischen Niesel- und Sprühregen zu verdanken. Es regnet sehr viel und oft hängen Wolken zwischen den Bäumen. Immer wieder sind kleine Dörfer in der grünen Hügellandschaft zu sehen und die typischen freistehenden breiten baskischen Bauernhäuser, die "Caserones".
    Im idyllischen Tal des Urola-Flusses taucht plötzlich die große barocke Basilika auf, mit einer gewaltigen grauen Granitkuppel. Daneben steht das lang gezogene Seminargebäude. Von dem barocken Ensemble überdeckt steht der mittelalterliche Turmpalast: "La Casa Torre". Hier wurde 1491, der genaue Geburtstag ist unbekannt, Ignacio (auf Baskisch Iñigo) als jüngster von 13 Geschwistern geboren. Erst vor wenigen Jahren wurde sein Geburtshaus zu großen Teilen wieder in seinen ursprünglichen mittelalterlichen Charakter zurückversetzt, erzählt Ignacio Echarte, Jesuitenpater in Loyola:
    "Im Jahre 1991 wurde der 500. Geburtstag des heiligen Ignatius gefeiert. Dafür begann die 'Gesellschaft Jesu' mit umfangreichen Renovierungsarbeiten, denn der Turmpalast war sehr marode. So wurde etwa der alte Eingang gefunden, denn es war natürlich ein Verteidigungsturm und der Eingang war verdeckt."
    Vom Krieger zum Gläubigen
    Steile Treppen verbinden die drei Stockwerke mit den fast zwei Meter dicken Wänden. Im Eingangsbereich mit den großen Schießscharten spürt man noch den kriegerischen Charakter des Gebäudes. Im ersten Stock befindet sich die Küche mit dem großen Kessel im Kamin. Hier spielte sich das Familienleben ab. Die repräsentativeren Zimmer liegen dann im zweiten Stock, der Waffensaal, die Hauskapelle, das Schreibzimmer. In der dritten Etage, die Ignacios Großvater an Stelle der alten Wehrzinnen gesetzt hatte, liegen die Zimmer der Kinder und der Raum, wo der schwer verletzte Ignacio einen neuen Lebenssinn findet.
    Der katholische Ordensstifter der Jesuiten, Ignatius von Loyola auf einem reproduzierten Ölgemälde. Er wurde 1491 geboren und verstarb am 31.07.1556 in Rom.
    Der katholische Ordensstifter der Jesuiten, Ignatius von Loyola auf einem reproduzierten Ölgemälde. Er wurde 1491 geboren und verstarb am 31.07.1556 in Rom. (Imago / Michael Westermann)
    Wie viele junge Landadelige hatte sich auch der jüngste der Loyolas für die militärische Karriere entschieden. Bei der Belagerung Pamplonas durch französische Truppen 1521 wird sein rechtes Bein von einer Kanonenkugel zerschmettert. Gerade 30 Jahre alt, muss er mehrere Male operiert werden und behält Zeit seines Lebens ein leichtes Hinken. Noch zwischen Leben und Tod wird er nach Loyola gebracht in jenen Raum im dritten Stock, in dem sich heute die Kapelle der Bekehrung befindet.
    Hier verlangte der bettlägerige Krieger, wie Cervantes Don Quijote, nach Ritterromanen. Aber im ganzen Haus gab es nur Heiligenlegenden und das Leben Christi. Zwischen Juni 1521 und Februar 1522 vollzog sich zwischen Gebeten, Lektüre und fiebrigen Visionen die Wandlung Ignacios vom kampfbereiten Ritter zum demütigen Pilger. Aber militärisches Denken und heroische Ritterromane prägen auch den geläuterten Ignacio. Wolfgang Bischof ist Weihbischof von München und Freising und Präsident des Bayrischen Pilgerbüros:
    "Spannend die Transformation, die er hinbekommen hat, sein militärisches Denken auch dort noch einmal mit hinein zu bekommen und ein Jesuitengeneral ist schon was. Drum heißt normalerweise, der Jesuitengeneral hat noch einen Beinamen, das ist der "Schwarze Papst."
    1540: Gründung des Jesuitenordens
    Vom Schwarzen Papst ist Ignacio noch weit entfernt, als er im Februar 1522 zu seinem persönlichen Pilgerweg aufbricht, nach Katalonien über das Kloster Montserrat nach Manresa, wo er seine ersten Schriften verfasst. Dann pilgert er über Barcelona und Venedig nach Jerusalem. Nach seiner Rückkehr studiert er Theologie in Salamanca, in Alcala de Henares und schließlich in Paris, wo er die Gefährten findet, mit denen er 1540 die "Gesellschaft Jesu", den Jesuitenorden gründen wird. Ignacio stirbt 1556 im fernen Rom, denn dort waren die Jesuiten längst zum machtpolitischen Faktor an der Seite des Papstes geworden. Erst viel später nahm der Orden auch das Geburtshaus seines Gründers in Beschlag. Ignacio Echarte:
    "Die 'Gesellschaft Jesu', also der Jesuitenorden, kam 1682 nach Loyola. Sie lebten zunächst hier im Turm und fingen dann an den ganzen Komplex zu bauen."
    Erst das Kolleg und schließlich die Basilika aus dem Jahre 1738 mit ihrer 65 Meter hohen Kuppel, davor liegt ein breites Portal im fast verspielten Stil des Spätbarocks.
    Im Inneren barocke Marmorpracht, der Marmor stammt aus der Region. Die hier dargestellten Heiligen sind alle Jesuiten und die Basilika ist auch eine Machtdemonstration der Gesellschaft Jesu. Am Hauptaltar steht eine deutsche Gruppe, die die erste Etappe des Weges zurücklegen will.
    "Ich wünsche uns auf diesem kurzen Weg, den wir jetzt gehen und morgen auf dem etwas längeren Weg wirklich auch so manche Erfahrung, die uns gut tut und die uns auch hält und begleitet. Gehet hin in Gottes Frieden."
    Auf der Straße wird häufiger baskisch gesprochen
    Der Pilgerweg erinnert an die 627 Kilometer, die Ignacio nach seiner Genesung und seiner Bekehrung zurücklegte. Zunächst zum katalanischen Kloster Montserrat und dann ins nahe gelegene Manresa. Mit den großen alten christlichen Wegen nach Santiago, Rom oder Jerusalem sei dieser neue Weg allerdings nicht zu vergleichen, sagt Wolfgang Bischof:
    "Ignatiusweg ist, denke ich, eine Wiedererinnerung an den heiligen Ignatius, welchen Weg ist er gegangen. Und das wird letztendlich jetzt auch wieder unterstützt. (…) Bitte nicht so verstehen, dass der Weg früher immer gegangen worden ist und jetzt wieder entdeckt worden ist. Das kann man sicherlich so nicht sagen. Wer diesen Weg einmal gegangen ist, war Ignatius von Loyola und wahrscheinlich seine Gefährten."
    Der erste Halt nach der Basilika ist Azpeitia. Mit heute knapp 15.000 Einwohnern ist sie schon zu Zeiten Ignacios eine wirtschaftlich und politisch bedeutsame Stadt. Hier steht auch das Becken in dem Ignacio 1491 getauft wird.
    Auf der Straße wird häufiger baskisch gesprochen, als etwa in den großen Küstenstädten Bilbao oder San Sebastian. An den breiten steingemauerten Häusern der Altstadt hängen baskische Fahnen und auch politische Parolen und Transparente. Seitdem die ETA 2011 den bewaffneten Kampf ausgesetzt hat, ist die Situation im Baskenland generell entspannter geworden, aber immer noch fordern Transparente die Unabhängigkeit oder die Verlegung von ETA-Häftlinge in baskische Gefängnisse, erklärt die deutsch-baskische Soziologin Jone Karres:
    "Ja, das ist eben eine politische Fahne. Da steht eben baskische Häftlinge ins Baskenland. Es geht darum, dass die politischen Häftlinge ins Baskenland verlegt werden oder in nahe gelegene Gefängnisse."
    Leben unter Kranken und Armen
    Auch vor dem radikalen Nationalismus war das grüne Bergidyll in der Provinz Guipuzcoa immer auch ein Land der Krieger, militanter Feudalherren, die gegen die kastilische Krone oder die reicher werdenden Städte kämpften oder Franzosen und Spanier, die Kriege um die grünen Küstenprovinzen führten.
    In Azpetia, am Fluss Urola, liegt das mittelalterliche Magdalenen Hospital. Das bescheidene zweistöckige Fachwerkgebäude wurde erst vor wenigen Jahren restauriert. 1535, Ignacio ist 44 Jahre alt, kehrt er noch einmal in seine baskische Heimat zurück. Entgegen dem Wunsch seiner Familie will er aber nicht im Turmpalast wohnen, sondern vor den Stadttoren im Krankenhaus der Armen und Leprakranken. Seine Familie bringt ihm ein komfortables Bett, aber er lehnt es ab, aus Solidarität mit den Kranken, erzählt Ignacio Echarte:
    "Er will mit den Armen leben, er will den Armen helfen und er will auch seinen Mitbürgern in Azpeitia ein Vorbild sein. Er gibt den Kindern in der Stadt und der Umgebung Religionsunterricht. Daran erinnert hier auch diese moderne Statue direkt vor dem alten Krankenhaus."
    Für viele ist das Hospital mit der kleinen baufälligen Magdalenenkapelle das eigentliche Heiligtum des Ignacio de Loyola. Hier lebte er nach seinen Vorstellungen von Armut und christlicher Nächstenliebe, jenseits der späteren Macht. Erst nach seiner letzten Zeit in Loyola wurde er der mächtige Generalobere der Jesuiten. In Ignacio selbst, dem Krieger, der zum Pilger wurde und dann zum Generaloberst einer der mächtigsten Organisationen der katholischen Kirche, spiegelt sich auch der jahrhundertealte Doppelcharakter seiner Heimat wider: zwischen grüner Idylle und Schlachtfeld, zwischen Krieg und Frieden.