Donnerstag, 28. März 2024

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Lühmann (SPD) zur Pkw-Maut
"Sie schadet den Bürgern auch nicht"

Der Bundestag hat am 24. März für das Maut-Gesetz gestimmt. Zwar könne die Pkw-Maut noch verzögert werden, sie könne aber in dieser Legislatur nicht völlig unter den Tisch fallen, sagte Kirsten Lühmann, SPD-Obfrau im Verkehrsausschuss, im DLF. Die Maut sei zwar nicht im Interesse der Bürger, es werde jedoch auch keiner zusätzlich belastet, betonte Lühmann.

Kirsten Lühmann im Gespräch mit Christine Heuer | 24.03.2017
    Die SPD-Politikerin Kirsten Lühmann
    Deutsche Fahrzeughalter würden durch die Pkw-Maut nicht höher belastet, sagte die SPD-Politikerin Kirsten Lühmann im DLF. (imago / Müller-Stauffenberg)
    Christine Heuer: Die Mövenpick-Steuer der Großen Koalition, so nennen die Grünen die Pkw-Maut. Vernichtender kann ein politisches Urteil kaum ausfallen. Und trotzdem hat der Bundestag heute Alexander Dobrindts Gesetz beschlossen: Eine Maut, gegen die viele in der CDU, eigentlich alle in der SPD auch sind, und die Opposition ja sowieso.
    Am Telefon ist Kirsten Lühmann, SPD-Obfrau im Bundestags-Verkehrsausschuss. Guten Tag, Frau Lühmann.
    Kirsten Lühmann: Hallo, Frau Heuer.
    Heuer: Haben Sie heute auch mit Ja gestimmt im Bundestag?
    Lühmann: Ich habe mich koalitionstreu verhalten und mit Ja gestimmt.
    Heuer: Die Grünen werfen der SPD deshalb Feigheit vor. Sind Sie feige?
    Lühmann: Nein! Wir sind verantwortungsbewusst, denn wir haben einen Koalitionsvertrag geschlossen, der verschiedene Maßnahmen vorsah. Die einen Maßnahmen fand die CDU nicht so besonders witzig, wie zum Beispiel den Mindestlohn, und die Pkw-Maut ist von der SPD abgelehnt worden. Aber wenn man dann einmal Ja sagt zu so einem Vertrag, dann muss die CDU dem Mindestlohn zustimmen und die SPD dann aber auch der Pkw-Maut, wenn die Bedingungen des Koalitionsvertrages erfüllt sind.
    Heuer: Da könnte man jetzt sagen, zweimal minus macht plus? – Mindestlohn und Pkw-Maut?
    Lühmann: Nein. Der Mindestlohn und auch die anderen Dinge, die wir erreicht haben, wie die Lohngleichheit wie die Rente mit 63, das sind, glaube ich, sehr wichtige Dinge, die das Leben der Menschen in diesem Land deutlich verbessert haben.
    "Keiner, der in Deutschland ein Fahrzeug zugelassen hat, wird zusätzlich belastet"
    Heuer: Frau Lühmann! Aber ist die Maut im Interesse der Bürger?
    Lühmann: Nein, aber sie schadet ihnen auch nicht. Wir haben ja diese zwei Dinge im Koalitionsvertrag. Das eine war, dass kein in Deutschland zugelassenes Fahrzeug mehr belastet werden soll, und das haben wir erreicht. Im Gegenteil: Es gibt sogar Fahrzeuge, die die Euro-VI-Norm erfüllen, die über die Gebühr entlastet werden. Das war die eine Bedingung und insofern wird keiner, der in Deutschland ein Fahrzeug zugelassen hat, zusätzlich belastet.
    Heuer: Dann halten wir mal fest: Die Maut ist nicht im Interesse der Bürger und Sie stimmen trotzdem zu. Das heißt, die Koalition ist Ihnen wichtiger als der Wille der deutschen Bürger, die Sie gewählt haben?
    Lühmann: Nein! Wir haben als SPD den Koalitionsvertrag allen unseren Mitgliedern vorgelegt und wir hatten eine sehr hohe Beteiligung bei dieser Abstimmung und es haben 70 Prozent derjenigen, die mitgemacht haben, für Ja gestimmt.
    Heuer: In der SPD, aber nicht in der Bürgerschaft insgesamt.
    Lühmann: Wenn Sie sich die Bürgerschaft angucken, das, was ich erlebe, sagen die Menschen, wir finden es blöd, aber wir persönlich werden ja nicht belastet, sondern im Gegenteil in einigen Fällen entlastet. Und ich glaube, die meisten Menschen in diesem Lande sagen, solange wir persönlich nicht belastet werden, ja, wir finden es auch doof, aber uns persönlich betrifft es ja nicht.
    "Ein absolut berechtigter Einwand"
    Heuer: Das sehen jetzt aber Politiker auch aus der SPD in einigen Bundesländern, nämlich in denen, die Grenzen haben, ganz anders. Die sagen, die Pkw-Maut schadet sehr wohl, weil nämlich zum Beispiel in Rheinland-Pfalz Ausländer vielleicht nicht mehr kommen, um in Deutschland einzukaufen oder dort Urlaub zu machen oder freie Tage zu verbringen.
    Lühmann: Das, finde ich, ist ein absolut berechtigter Einwand, und ich hätte es mir auch gewünscht, dass wir mit dem Koalitionspartner dort hätten Regelungen finden können, zumal ja auch viele betroffene CDU-Abgeordnete dieser Meinung waren. Aber ich erinnere uns daran, dass dieses Gesetz schon einmal durch den Bundestag und den Bundesrat gegangen ist, und damals hatte der Bundesrat zugestimmt. Der Bundesrat war damals einverstanden, dass es nicht zu diesen Grenzregelungen kommt. Ich finde das heute noch schade. Ich bin der Meinung, das hätte man durchaus machen können.
    Andere Länder machen das. In Frankreich zum Beispiel wird die Maut auf den Autobahnen an den ersten Abfahrten nicht erhoben und erst ab der dritten oder vierten. Es gäbe durchaus Möglichkeiten, so etwas zu machen. Damals hat der Bundesrat zugestimmt, dass wir es trotzdem in Kraft setzen, der Bundestag auch. Wir hätten jetzt die Chance gehabt, das zu verändern, wir haben sie nicht genutzt. Aber wer schon einmal zugestimmt hat, dann wüsste ich jetzt nicht, warum sie nicht zustimmen sollen.
    Heuer: Frau Lühmann! Das gilt ja für den Bundestag. Die SPD stimmt im Bundestag zu. Und Sie sagen jetzt, der Bundesrat hätte es richten können. Das ist schon ein bisschen schizophren, oder?
    Lühmann: Nein! Ich habe gesagt, der Bundesrat hat schon einmal zugestimmt, dass wir diese Grenzregionen nicht ausnehmen.
    Heuer: Aber jetzt ist das ja anders. Sogar aus Ihrem eigenen Bundesland, aus Niedersachsen gibt es ja Widerstand. Hoffen Sie darauf, dass die PKW-Maut, die Sie im Bundestag beschlossen haben, im Bundesrat vielleicht doch noch, wenn nicht gekippt, dann aber immerhin so verzögert wird, dass sie vielleicht doch nicht kommt?
    Lühmann: Sie kann verzögert werden, aber sie kann nicht soweit verzögert werden, dass sie völlig in dieser Legislatur unter den Tisch fällt. Ich glaube auch nicht, dass der Bundesrat das tun wird, weil er weiß, dass er das nicht verhindern kann. Und ich denke, es ist auch etwas schwierig. Wenn man sich auf etwas vereinbart hat, um dieses Land zu regieren, und die Bedingungen sind erfüllt, dann muss man das auch durchsetzen. Ansonsten werden wir auch nicht mehr regierungsfähig sein, wenn jeder nach einem beschlossenen Koalitionsvertrag hinterher diskutiert und sagt, ach nee, da haben wir zwar mal Ja zu gesagt, aber das wollen wir nicht. Und ich wiederhole noch mal: Es wird kein Fahrzeugführer, der in Deutschland sein Fahrzeug zugelassen hat, belastet.
    Die Grenzregionen sind ein absoluter Grund, aber ich sage Ihnen ja, die Pkw-Maut wird ja auch in dieser Legislatur nicht in Kraft treten, auch nicht im nächsten Jahr.
    Heuer: Und das heißt?
    Lühmann: Es werden jetzt erst mal Ausschreibungen stattfinden und dann werden wir eine neue Regierung haben und die wird sich angucken, welche Systeme bei der Ausschreibung angeboten wurden, und die endgültige Entscheidung, wer den Zuschlag kriegt, um die Maut einzuführen, und wie sie eingeführt wird, wird erst in der nächsten Regierungszeit fallen.
    Heuer: Und was heißt das konkret, Frau Lühmann? Was stellen Sie sich vor, dass bei den Grenzregionen dann, wenn die SPD zum Beispiel den Kanzler stellt, nachgebessert wird und es Entlastungen gibt? Was heißt das?
    Lühmann: Ich bin sicher, dass dieses Thema bei den nächsten Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen wird. Aber dass ich Ihnen jetzt schon sage, wie dort der Koalitionsvertrag aussieht, ich glaube, das ist etwas verfrüht, weil wir nicht wissen, welche Partner dort am Tisch sitzen werden. Aber ich bin mir sicher, dass das Thema dort eine Rolle spielen wird.
    Heuer: Nun sagt die SPD im Wahlkampf immer, wir vertreten jetzt im Wahlkampf zumindest keine Koalitionsinhalte, sondern unsere eigenen. Sie könnten uns ja sagen, was die SPD will, Frau Lühmann. Was will sie denn? Sie könnten zum Beispiel heute Mittag hier und jetzt sagen, wenn wir den Kanzler stellen, dann schaffen wir die Pkw-Maut einfach wieder ab.
    Lühmann: Das kommt auf den Koalitionspartner an. Insofern würde ich Ihnen ungerne etwas versprechen, was ich dann hinterher nicht halten kann.
    Heuer: Aber SPD-Position wäre das schon. Müsste der Wähler ja auch wissen, was Sie wollen in Sachen Maut.
    Lühmann: Wir werden unser Programm für diese Wahl Anfang Juni beschließen und bis dahin werden wir es diskutieren und jede Gliederung in der SPD hat die Möglichkeit, dort Impulse zu geben. Und ich bin sicher, dass solche Impulse gegeben werden und dann auf diesem Parteitag, wo wir das beschließen werden, diskutiert und gegebenenfalls aufgenommen werden. Oder, wenn es die Mehrheit nicht kriegt, eben nicht.
    Heuer: Sie sagen es uns heute Mittag nicht?
    Lühmann: Heute Mittag nicht. Auf dem Parteitag werde ich es Ihnen sagen.
    "Wir haben über die Höhe der Pkw-Maut in keiner Weise geredet"
    Heuer: Jetzt haben Sie mehrfach gesagt, die Pkw-Maut, die schade keinem, jedenfalls keinem Deutschen. Die Deutschen werden tatsächlich, sollen entlastet werden über die Kfz-Steuer. Aber die Kfz-Steuer soll bald wegen der falschen Abgaswerte deutlich steigen. Für den Wähler ist das ein Nullsummenspiel. Oder es wird teurer, aber nicht noch viel mehr teurer als ohnehin schon?
    Lühmann: Wir haben über die Höhe der Pkw-Maut in keiner Weise geredet. Und wegen der falschen Abgaswerte wird sie auch nicht steigen, sondern wir haben ja ...
    Heuer: Die Kfz-Steuer, Frau Lühmann.
    Lühmann: Ja, die Kfz-Steuer.
    Heuer: Die wird nicht steigen wegen der falschen Abgaswerte?
    Lühmann: Wir haben sämtliche Fahrzeuge, die festgestellt wurden mit falschen Abgaswerten, die werden nachgerüstet, sodass sie die europäischen Vorgaben einhalten. Und eine Voraussetzung, unter der überhaupt eine Genehmigung für die Umrüstung erteilt wird, ist die, dass anschließend es keine Veränderung gibt, weder beim Spritverbrauch, noch bei der Leistung und somit auch nicht bei der Kfz-Steuer.
    "Für die Höhe der Kfz-Steuer ist der Wert vom Rollenprüfstand maßgeblich"
    Heuer: Aber Autos verbrauchen schlicht und einfach viel mehr Benzin, als die Hersteller bisher angegeben haben. Das heißt, die Kfz-Steuer wird teurer werden für den Bürger, oder nicht?
    Lühmann: Die Regeln, die die Autohersteller angeben, die Zahlen, die sie angeben, beziehen sich nicht auf den realen Verbrauch, sondern auf einen Rollenprüfstand. Und auch dieser Rollenprüfstand-Wert ist ausschlaggebend für die Kfz-Steuer. Da kann man sagen, das ist doch Augenwischerei, das stimmt doch gar nicht, aber wir haben das mal so vereinbart. Wir können diese Vereinbarung ändern. Ich wüsste aber keinen, der das jetzt möchte, und insofern wird auch in Zukunft gelten, für die Höhe der Kfz-Steuer ist der Wert vom Rollenprüfstand maßgeblich.
    Wir diskutieren allerdings, ob wir bei den Werbebroschüren, die den Kunden übergeben werden, nicht realistischere Werte vorschreiben wollen. Da ist die Frage, wie ermittelt man die. Aber die haben dann nichts zu tun mit der Höhe der Kfz-Steuer. Da bleibt es dabei: Es gilt der Wert auf dem Rollenprüfstand.
    Heuer: Das heißt, zumindest in diesem Punkt hat der Autofahrer nichts Schlimmes von Ihnen oder einer anderen Regierung zu erwarten? Das versprechen Sie uns heute?
    Lühmann: Richtig.
    Heuer: Schön!
    Lühmann: Das kann ich Ihnen versprechen.
    Heuer: Kirsten Lühmann, SPD-Obfrau im Bundestags-Verkehrsausschuss. Danke für das Gespräch.
    Lühmann: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.