Donnerstag, 16. Mai 2024

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Luigi Boccherini - Three Guitar Quintets

Herzlich willkommen zu Kammermusik, und diesmal ist der Begriff sogar ziemlich streng zu nehmen. Es gibt Kammermusik, die trägt die Möglichkeit in sich, ihren Wirkungskreis zu erweitern; die hat das Potential, über den intimen Rahmen hinaus zusätzliche Qualitäten zu entwickeln. Dazu zählen die mittleren und späten Quartette Beethovens, die Quartette von Brahms, von Bartók, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Kammermusik von Luigi Boccherini verweigert sich geradezu dem größeren Rahmen. Sie ist intim wie französische Lautensuiten. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass sie heute selten im Konzert gespielt wird. Bei Koch ist nun eine neue CD mit den drei Gitarrenquintetten von Boccherini veröffentlicht worden, und das Bingham Quartet spielt im Verein mit Jason Carter die Werke so, als scheue diese Musik die Öffentlichkeit. Damit treffen sie exakt den Ton, auf den es ankommt. * Musikbeispiel: Luigi Boccherini - 2. Satz aus: Quintett für Gitarre und Streichquartett e-moll G.451 Das war der zweite Satz, Adagio aus dem Quintett e-moll von Luigi Boccherini mit Jason Carter und dem Bingham String Quartet. Die Binghams leisten sich ja eine bemerkenswerte Karriere. Sie waren und sind nicht nur auf Flughäfen zu Hause, sondern sie ziehen immer wieder den kleineren Rahmen vor, ließen sich auf das Angebot ein, Artists-in-Residence am Radley College bei Oxford zu sein und zusammen mit Studenten zu arbeiten oder in Schulen zu spielen. Sie halten konsequent am romantischen Instrumentarium fest, beziehen aber je nach Stilepoche die jeweiligen historischen Aufführungspraktiken ein, wie es sich bei jüngeren Musikern längst eingebürgert hat. Hier dienen die Erfahrungen mit der historischen Aufführungspraxis dazu, den Rahmen der interpretatorischen Möglichkeiten entscheidend zu weiten. Kennzeichnend für den Stil der Binghams ist ein rascher, leichter Bogenstrich, der freilich ausgesprochen nuancenreich ist. Der Satz wird auf diese Weise extrem durchsichtig. Die Musik Boccherinis wird zum geistvollen Spiel der Andeutungen. Man könnte sagen: die Binghams spielen ausgesprochen höflich, und tatsächlich ist ein wesentlicher Teil der britischen Kultur ja nach wie vor davon bestimmt, dass sich die Briten einen Hof leisten. Dazu kann man stehen wie man will - im Fall dieser Aufnahme erweist sich dies als eine äußerst elegante Lösung des Problems Boccherini. Grave assai und Fandango aus dem Quintett D-dur, das im Schlusssatz eigentlich zum Sextett wird, denn da mischt sich Jennifer Parker mit ihren Kastagnetten ein: Olé, Madam! * Musikbeispiel: Luigi Boccherini - aus: Quintett für Gitarre und Streichquartett D-dur G 448 Das Bingham String Quartet und der Gitarrist Jason Carter mit einem Ausschnitt aus dem Fandango Quintett D-dur von Luigi Boccherini, hier verstärkt durch die Kastagnetten-Spielerin Jennifer Parker. Die CD mit drei Gitarrenquintetten Boccherinis ist bei Koch erschienen.

Norbert Ely | 27.08.2000