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Lungenoperation im Mutterleib

Medizin. - Platzt während einer Schwangerschaft die Fruchtblase, ist das ungeborene Kind in Gefahr. Bei einem Blasensprung vor der 22. Schwangerschaftswoche wird das Kind ohne das schützende Flüssigkeitspolster stark eingeengt, und die Organe drücken auf die Lunge. Jedes zweite betroffene Baby erstickt nach der Geburt. Am Universitätsklinikum Bonn ist es nun erstmals gelungen, einen Fetus vorgeburtlich zu behandeln und so vor einem drohenden Erstickungstod zu retten.

Von Thekla Jahn |
    " Erfreulicherweise jetzt im ersten Lebensjahr hat sich das Baby völlig normal entwickelt, und es ist nicht mit Spätschäden zu rechnen durch das Lungenproblem,"

    resümiert Professor Thomas Kohl, der diesen weltweit ersten Eingriff am Deutschen Zentrum für Fetalchirurgie und minimalinvasive Therapie der Universitätsklinik Bonn durchgeführt hat. Rückblick: Vor gut einem Jahr platzte bei der damals werdenden Mutter von Miriam die Fruchtblase in der 20. Schwangerschaftswoche. Wenig später war klar: Ohne Operation hat das Ungeborene kaum Überlebenschancen. In der 29. Schwangerschaftswoche entschieden sich die Eltern für den weltweit ersten vorgeburtlichen Eingriff, der die Lungen des Ungeborenen retten sollte: ein Silikonballon als Verschluss in der Luftröhre. Kohl:

    " Da fragt man sich natürlich, was hat der Ballon in der Luftröhre mit den Lungen zu tun. Es ist so, dass die Lungen vor der Geburt Flüssigkeit herstellen, die über die Atemwege nach außen abfließt und dazu dient, dass die Lunge reifen und wachsen kann. Wenn man diese Flüssigkeit durch diesen Ballon aufstaut, dann wird eben ein kleiner Flüssigkeitsdruck erzeugt, der hilft, dass sich die Lunge zum einen ausdehnen kann und zum anderen einen starken Wachstumsreiz setzt, und so hoffen wir Milliliter um Milliliter Lungengewebe zu gewinnen, dass sie nach der Geburt eben behandelt und beatmet werden können. "

    Die Operation dauert nicht länger als eine Stunde. Unter Vollnarkose wird bei der Schwangeren zunächst ein kleiner, millimeter-großer Schnitt im Bauchbereich gesetzt. Thomas Kohl kommentiert eine Filmaufnahme:

    " Hier sehen wir jetzt, wie diese kleine Nadel direkt durch die Bauchwand in der Fruchthöhle positioniert wird und von dort erreicht man dann über den Mund des Feten den Kehlkopf, kann dann die Stimmbänder passieren, um in die Luftröhre des Ungeborenen zu gelangen. "

    Bei diesem minimalinvasiven Eingriff werden sämtliche Miniaturinstrumente für die Operation und die Endoskopkamera durch den einen kleinen Bauchschnitt in den Mutterleib gebracht.

    " In der Luftröhre angekommen, haben wir zunächst das bisschen Lungenflüssigkeit, was noch da war ausgetauscht mit einer Eiweißsubstanz, die einfach den Flüssigkeitseffekt des Ballons noch verstärken sollte, und nachdem die Lunge mit diesem Eiweiß vollgefüllt war, haben wir dann die Luftröhre darüber mit dem Ballon verschlossen. "

    Verschlossen mit dem winzigen Silikonballon und der Eiweißsubstanz - konkret mit Albumin, einem Bestandteil der Blutflüssigkeit - reagierte die Lunge des Ungeborenen umgehend mit Wachstum.

    " Wir haben sehen können, dass wir das Lungenvolumen haben verdoppeln können. Der Ballon hat ungefähr vier bis fünf Tage in der Luftröhre gesessen. In so geringer Zeit so ein Erfolg. "

    Die kleine Miriam kam in der 33. Schwangerschaftswoche zur Welt, konnte beatmet werden und ihre Lungen funktionieren heute normal. Allerdings: Es handelt sich bei der Operationsmethode um experimentelle Medizin, das heißt, es ist noch nicht klar, ob das Verfahren bei jedem Fetus Wirkung zeigt. Deshalb betont Professor Thomas Kohl:

    " Die fetalchirurgischen Patienten werden so ausgesucht, dass sie ohne Behandlung kaum eine Überlebenschance haben, dass man davon ausgehen muss, dass die Mehrheit von dem Eingriff nur profitieren kann. "

    Und auch die Risiken für die Schwangere sind überschaubar. Es sind in erster Linie: das Narkoserisiko - aber natürlich kann es bei dieser pränatalen Operation - wie bei allen minimalinvasiven Eingriffen- auch zu Blutungen oder Infektionen kommen. Miriams Mutter hatte keine Komplikationen. Für Professor Thomas Kohl, Leiter des Deutschen Zentrums für Fetalchirurgie, in Bonn wird diese erstmals durchgeführte Operation im Mutterleib nicht die einzige bleiben.

    " Im Grunde ist es so, dass dieses Problem des frühen vorzeitigen Blasensprungs in Deutschland vermutlich mehrere hundert Male auftritt. Leider ist es so, dass in vielen Fällen ein Abbruch der Schwangerschaft durchgeführt wird, vor allen Dingen, weil auf die schlechte Prognose bezüglich der Lungenentwicklung hingewiesen wird, aber auch auf das Risiko einer Infektion. Trotzdem wird es zahlreiche Schwangere geben, die die Schwangerschaft fortsetzen werden, das sind diejenigen, die wir informieren über die neue Behandlungsmethode, um die Prognose solcher Kinder zu verbessern. "