Donnerstag, 28. März 2024


lyrix-Jahresgewinner aus dem Ausland

Internationale Nachwuchsdichter treffen sich bei Schreibwerkstatt in Berlin.

20.04.2011
    Nun stehen auch die sieben lyrix-Preisträger 2010 aus dem Ausland fest. Aus Brasilien, Polen, Bosnien und Herzegowina, der Ukraine, Portugal und Ungarn werden sie im Juni nach Berlin reisen, um dort gemeinsam mit den zwölf deutschen Jahresgewinnern ein langes Wochenende mit Schreibwerkstatt und Preisverleihung zu verbringen. Im Vorfeld nehmen die ausländischen Preisträger an einem Sprachkurs teil, um ihre Deutschkenntnisse zu vertiefen.


    Die ausländischen lyrix-Preisträger 2010 in alphabetischer Reihenfolge:



    Beatriz Albuquerque aus Amadora, Portugal
    Oficinas de S.Jose, Jahrgangsstufe 10
    "lyrix"-Monat: August
    Leitmotiv: Warten auf das was kommt

    Warten

    Ich warte.
    Ich warte auf die Zukunft,
    die so weit weg ist.
    Ich warte auf die Sätze,
    die mir alles erklären.
    Auf die Augen,
    die mich verstehen!
    Ich warte auf die richtigen Leute,
    die einzelnen Momente, die ich nie vergessen werde.
    Warte auf unbeschreibliche Geschichten…

    Worauf warte ich wirklich?
    Ich brauche nur den Willen.
    Eine Bewegung kann alles verändern,
    und ein Lächeln auch.
    Aber ich warte…immer noch…



    Valentyna Bilokrynytska aus Tscherkassy, Ukraine
    Cherkaska himnazija Nr. 31, Jahrgangsstufe 10
    "lyrix"-Monat: Mai
    Leitmotiv: Wie immer

    Mein Kaffee

    Mein Kaffee.
    Wie immer stark.
    Wie immer süß.
    Und wie immer perfekt.

    Er schmeckt
    nach verbotener Frucht.
    Er zergeht
    in meinem eisigen Blut.
    Er riecht
    nach Eukalyptus.
    Mit einem Tropfen bitteren Zimtes.

    Mein Kaffee.
    Wie immer stark.
    Wie immer süß.
    Und wie immer perfekt.

    Er brennt
    ruhig und gelassen.
    Er heizt
    meine arme Tasse.
    Er wartet
    auf deinen Atem.
    Mit einem Tropfen Schokolade.

    Du kommst.
    Wie immer stark.
    Wie immer süß.
    Und wie immer zu spät.



    Anna Dyga aus Gogolin, Polen
    Publiczne Liceum Ogólnoksztalcace, Jahrgangsstufe: 11
    "lyrix"-Monat: Juni
    Leitmotiv: Verfehlungen

    Eigentlich

    Erst denken, dann handeln
    Und dann das dumme Gefühl im Bauch
    Wie fühlt sich denn das ja an, das Blöde
    Zuerst kriegt man steife Beine
    Oder – besser gesagt
    Unsere Verfehlungen gehen in die Füße
    Um wegzulaufen
    Das Rauchen
    Die Disco
    War nicht so schlimm
    Die Religion passt
    Ist eigentlich toll
    Es ist ja so Vieles unklar
    In unserem polnischen Geschichtsbuch

    Aber wenn wir dann sehen das Ganze
    Nicht das was wir wollten, planten
    Eigentlich wollten wir das ja
    Ja eigentlich schon
    Aber das passt jetzt nicht so gut
    Wie das andere
    Das würde besser passen
    Jetzt ist es aber da
    Unbequem irgendwie
    Und das Gefühl
    Im Bauch, an der Leber
    Weglassen
    Verlassen
    So, so – selber entscheiden
    Ist ja schon gut
    Die Zeit vergeht
    Alles wird wie früher
    Oder nicht?



    Katalin Élõ aus Gyõr, Ungarn
    Révai Miklós Gimnázium és Kollégium, Jahrgangsstufe 12
    "lyrix"-Monat: April
    Leitmotiv: Kinderfragen

    Fragen unter dem Kirschbaum

    Mammaa…

    Warum hat der
    Kirschbaum so viele Blumen?

    Und warum sind
    sie so weiß?

    Und warum verwelken
    sie so schnell?
    Was geschieht dann
    mit den Blumen?
    Sterben sie?

    Langsamer, Schatz…
    Jede Blume muss
    einmal verwelken.
    Aber danach kommen
    schon die Früchte,
    die wir so gern essen.

    Aber warum sind
    die Kirschen noch nicht da?

    Und wenn sie kommen,
    warum sind sie sooo
    lange nur grün und hart?

    Sie brauchen doch Zeit.
    Oder bist du auch
    als Erwachsen geboren?



    Edin Ibreljic aus Zenica, Bosnien und Herzegowina
    Prva gimnazija, Jahrgangsstufe 12
    "lyrix"-Monat: Dezember
    Leitmotiv: Erfindungen, die die Welt (nicht) braucht

    Neuer Tag

    Heute bin ich an einem Armen vorbeigegangen
    Mit traurigen Augen hat er mich betrachtet
    Er hat mich um Hilfe geben, die Träne war in seinen Augen
    Die Hand war ausgestreckt und leer.

    Ich hatte Chance ihm Geld zu geben,
    Aber ich bin weitergegangen,
    Als ob ich blind und elend gewesen wäre.

    Heute habe ich trauriges Gesicht
    Von einem kleinen Mädchen gesehen
    Ich habe ihm nichts gesagt.

    Aber nur ein Wort
    Konnte das Lächeln entlocken,
    Aber als ob ich blind gewesen wäre.

    Heute hatte ich Chance
    Mensch zu sein, besser zu sein,
    Aber ich war taub und blind.

    Heute reue ich mit Herz und Seele,
    Heute reue ich wegen Chancen, die ich verpasst habe
    Schon morgen kann ich so viel,
    Weil mich morgen die neuen Chancen erwarten.

    Mich erwartet ein neuer Tag.



    Haris Poturkovic aus Zenica, Bosnien und Herzegowina
    Prva gimnazija u Zenici, Jahrgangsstufe 11
    "lyrix"-Monat: Juni
    Leitmotiv: Verfehlungen

    Verfehlungen

    Verfehlt,
    Den Elfmeter verfehlt,
    verloren, verfehlt.
    Die Liebe verfehlt,
    für immer, verfehlt.
    Es scheint so als ob ich den Zug meines Lebens verfehlt habe,
    fünf Minuten zu spät, verfehlt.
    Und ich sag mir immer wieder, das war das letzte mal,
    doch es pasiert wieder, verloren, für immer zu spät, verfehlt.
    Wie lange geht`s so weiter?
    Es scheint nicht lange, ich sehe das Licht am Ende des Tunnels.
    ...nur eine Enttäuschung, denn wieder sagt eine Stimme: Verfehlt!
    Nein, hier bin ich richtig!
    Hier lerne ich aus meinen Fehlern, hier kann ich nur gewinnen.
    Und die Stimme schwindet...schwindet...für immer...



    Isabella von Wallwitz aus São Paulo, Brasilien
    Colégio Visconde de Porto Seguro, Jahrgangsstufe 6
    "lyrix"-Monat: Oktober
    Leitmotiv: Brücken bauen

    Die Sängerin und der Zuschauer

    Alle schauen her,
    im Raum herrscht Stille.
    Ich gerate in Panik
    und bleib’ einfach stehen.
    Kein Teil von mir traut sich,
    ich krieg’ keinen Ton raus.
    Plötzlich hab’ ich Angst...
    Meine Haut brennt,
    ich bin aufgeregt.

    Ich warte.
    Auf einmal sehe ich,
    wie er den Blick auf mich richtet.
    Aus der Ferne höre ich
    den Rhythmus erklingen.
    In meinem Innern fühle ich
    die Melodie, die aus mir kommt
    und den ganzen Raum erfüllt.

    Sein Gesicht erleuchtet sich.
    Eine Verbindung entsteht
    und die Brücke wird gebaut.
    Der Abstand verschwindet,
    ich hab’ keine Angst mehr.
    Meinem Gesang lasse ich freien Lauf
    und fühle wie wir zusammen
    nur einer sind.