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Machtkampf am Golf
Iran befreit sich aus der Isolation

Saudi-Arabien und der Iran sind Konkurrenten - wirtschaftlich, politisch, strategisch und ideo­lo­gisch. Seit dem Amtsantritt von Irans Prä­sidenten Hassan Rohani vor zwei Jahren verschieben sich die Gewichte. Die Islamische Republik könnte dabei vor allem von Fehlern und dem Ver­sagen der USA profitieren.

Von Reinhart Baumgart | 25.04.2015
    Irans Präsident Hassan Rohani spricht zur UNO-Vollversammlung.
    Irans Präsident Hassan Rohani spricht zur UNO-Vollversammlung. (AFP / Timothy A. Clary)
    In der entscheidenden Phase der Atomgespräche von Lausanne startete Saudi-Arabien Ende März massive Luftangriffe auf den Jemen. Die Luftschläge Riads richten sich militärisch gegen die Huthi-Rebellen. Politisch und strategisch sollen sie aber vor allem Teheran treffen. Die Islamische Republik ist mit ihren 80 Millionen Einwohnern die größte außenpolitische Herausforderung Saudi-Arabiens. Der langjährige saudische Geheimdienstchef, Turki al-Faisal, sagte gegenüber der britischen BBC:
    "Der Iran ist bereits vielerorts ein zerstörerischer Spieler in der arabischen Welt: Jemen, Syrien, Irak, Libanon, Palästina, Bahrein. Auch wenn die Angst vor iranischen Massenvernichtungswaffen enden sollte, bedeutet das nicht das Ende unseres Ärgers mit dem Iran."
    Riad und Teheran sind Konkurrenten - wirtschaftlich, politisch, strategisch und ideologisch. Seit dem Amtsantritt von Präsident Rohani vor zwei Jahren verschieben sich die Gewichte.
    Die Saudis seien über die Entwicklungen zutiefst frustriert, urteilt der iranische Regimekritiker Davoud Bavand. Sie handelten deshalb nicht vernünftig.
    Woher dieser Frust kommt, erklärt Sadegh Zibakalam von der Uni Teheran.
    "Israelis und Saudis haben immer fest damit gerechnet, dass der Druck der USA auf den Iran verhindert, dass der Iran stärker werden und in der Region eine wichtigere Rolle übernehmen könnte."
    Washington verhandelt mit Teheran. Die Islamische Republik profitiert dabei vor allem von Fehlern und dem Versagen der USA. Zum Beispiel im Irak, wo der iranische Einfluss seit dem Rückzug der amerikanischen Besatzer Ende 2011 immer größer geworden ist. Riad ist beunruhigt.
    "Es scheint so, als weite der Iran seine Besetzung Iraks aus. Das ist inakzeptabel." erklärt Ex-Geheimdienstchef Turki al-Faisal.
    Wie die Mehrheit der Iraner sind knapp zwei Drittel der rund 36 Millionen Iraker 12er Schiiten. Jahrzehntelang wurden sie von der sunnitischen Minderheit benachteiligt. Seit dem Sturz von Saddam Hussein vor 12 Jahren haben sie das Sagen. Teheran redet mit. Und nicht nur dort. Libanon, Syrien und Jemen sind weitere Beispiele.
    "Für Saudi-Arabien ist der sogenannte schiitische Halbmond eine Art Pfeil im Herzen der arabischen Gemeinschaft." stellt der regimekritische Publizist Bavand fest.
    Teherans möglicher Einfluss auf schiitische Bevölkerungsgruppen in arabischen Ländern wird als potentielle Bedrohung wahrgenommen.
    In Saudi-Arabien selbst stellen Schiiten zwischen 10 und 15 Prozent der Gesamtbevölkerung von rund 28 Millionen Menschen. Die ergiebigsten Ölquellen befinden sich im Osten des Landes, wo vorwiegend Schiiten leben, die sich häufig diskriminiert und politisch zurückgesetzt fühlen. Anstatt auf politische Teilnahme setzten die saudischen Autokraten auf Unterdrückung im Innern und den Export von sunnitischem Extremismus nach außen, analysiert der regimenahe Politikwissenschaftler Mohammed Marandi von der Uni Teheran.
    "15 der 19 Attentäter vom 11. September 2001 seien Saudis gewesen, die allesamt Anhänger der extrem-konservativen Islamauslegung des Wahabismus gewesen seien. Boko Haram in Nigeria folgt dem Wahabismus. Fakt ist, dass die Saudis seit drei Wochen den Jemen bombardieren und die westlichen Staaten dazu schweigen. Fakt ist auch, dass die Terrormiliz "Islamischer Staat" von Ländern wie Saudi-Arabien geschaffen wurde."
    Wie groß der iranische Einfluss auf die Huthi-Rebellen im Jemen wirklich ist, sei nicht klar, meint der Politologe Sadegh Zibakalam. Teheran unterstellt Riad, in Syrien und dem Irak die Terrormiliz Islamischer Staat zu unterstützen, die im Iran Da'esh genannt wird.
    "Dem Druckmittel Da'esh gegen die Schiiten begegnet Teheran mit dem Druckmittel der Huthi-Rebellen im Jemen. Iran sagt zu den Saudis, wenn ihr von uns verlangt, die Huthis nicht zu unterstützen, dann unterstützt ihr auch nicht Da'esh."
    Riad und Teheran sind nicht nur politische und ideologische Gegner, sondern auch knallharte wirtschaftliche Konkurrenten. Für beide Länder ist der Verkauf von Öl und Gas die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle. Würde der Iran in vollem Umfang ohne hinderliche Sanktionen auf den Weltmarkt zurückkehren, dann könnte das mittel- bis langfristig die starke Stellung Saudi-Arabiens auf dem Öl- und Gasmarkt gefährden.