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Magnet für die besten Mathematik-Studenten

Diesmal warten die Studenten und Dozenten hier mit dem Feiern nicht bis zum Jahresende. Denn ihr Studiengang - die Budapest Semesters in Mathematik - existiert nun seit 20 Jahren. Darum wird das Jahr 2005 ein Jubiläumsjahr, wobei schon jetzt reichlich Champagner fließt. ....

Von Anat Kalman |
    1985, vier Jahre vor der politischen Wende, wurde dieses Mathematiksemester von dem Budapester Mathematikprofessor György Petruska und dem amerikanischen Mathematiker Paul D. Humke vom St. Olaf- College in Minnesota ins Leben gerufen. Ein Austauschprogramm sollte es ursprünglich sein, doch mittlerweile nehmen 70 Universitäten und Colleges aus aller Welt an diesem Programm teil. Unter anderem auch so renommierte, wie die amerikanischen Universitäten Yale und Harvard. Der Weg junger Mathematikstudenten führt seither von West nach Ost. Jährlich kommen 100 bis 12O Studenten an die Donau. Aus den USA, Canada, aus Japan , Indien, Schweden und Israel. Die 22 jährige Susan ist eine von ihnen. Sie stammt aus Ohio und wird auch im Sommersemester noch bleiben. Besser und kreativer als hier - so erklärt sie - könne Mathematik nicht unterrichtet werden.

    Hier herrscht eine ganz besondere Atmosphäre in der Mathematik. Vor allem für Graphentheorie und Kombinatorik und so. Natürlich kann man das auch in den USA studieren, aber hier sind die Spezialisten, die aus der Schule des legendären Paul Erdös kommen und dieses Programm erlaubt uns eben, diese große Tradition vor Ort kennen zu lernen.

    Mathematik ist in Ungarn so etwas wie eine Volksleidenschaft. Nicht nur, dass Ungarn viele Nobelpreisträger in diesem Fach aufweisen kann. Es ist auch das EU-Land mit den meisten Mathematikwettbewerben. Jährlich nehmen bis zu 5OOO Schüler mit 5O.OOO Lösungsvorschlägen daran teil. Und wer zu den ersten zehn Gewinnern gehört, darf ohne Aufnahmeprüfung an der Budapester Eötvös-Lorand-Universität Mathematik studieren. Das dortige Programm die Budapest Semesters in Mathematik gibt ausländischen Mathematikstudenten dann ab dem 4. Semester einen Einblick in die Spezialbereiche, die in Ungarn besonders gepflegt werden: wie Kombinatorik, Zahlentheorie, Graphentheorie, Mengenlehre und ³Vermutung und Beweis². Unterrichtet wird auf Englisch, die Methode ist Ungarisch und die Examen verlaufen nach amerikanischem Modell, erklärt Miklos Dezsö, der Leiter des BSM- Programms

    In Ungarn verlangt man vor allem in den ersten Studienjahren sehr viel mehr von den Studenten als vergleichsweise in den USA oder in den anderen Ländern Europas. Sie lernen aber nicht nur quantitativ mehr. Sie werden sehr viel früher über die reinen Übungen hinaus zu Problemlösungen rangezogen. Kreativität und Eigenverantwortung werden von Anfang an geschult. Uns geht es hier um die absolute Virtuosität auf dem Gebiet der theoretischen Problemlösung.

    Davon profitieren Medizin, Wirtschaft und Technik. Von medizinischen Simulationen über das Design von Bauteilen bis hin zur Straßen- und computertechnischen Wegplanung. Der kürzeste Weg zu neuen Projekten führt über die Mathematik - über die Berechnungen zur mathematischen Beschreibung natürlicher und technischer Vorgänge. Und eben darin liegt die Stärke der ungarischen Mathematikausbildung - meint Miklos Deszö

    Es gibt in Moskau auch so ein Programm, wie das hier. Denn die Russen sind natürlich die Besten. Doch ich kann ohne falsche Bescheidenheit sagen, dass wir diese Konkurrenz nicht fürchten. Wir arbeiten hier ja auch mit sehr kleinen Gruppen zusammen. Auf 60 Studenten kommen 24 Lehrbeauftragte. Das heißt, wir unterstützen jeden Einzelnen in seiner ganz spezifischen Arbeit.

    Billig ist dieses Budapester Semester in Mathematik allerdings nur für Amerikaner und Kanadier. Denn ein Semester kostet allein an Studiengebühren rund 2000 Dollar. Im Vergleich zu den üblichen 5000 Dollar in den USA ist das noch wenig. Diese Summe schreckt darum vor allem europäische Studierende ab. Sie kommen nur vereinzelt mit amerikanischen Stipendien über die USA hierher. Trotzdem kann das BSM -Progamm über mangelndes Interesse nicht klagen. Immer mehr Fullbright-Stipendiaten und Doktoranten bewerben sich in Budapest, obwohl die Plätze sehr knapp sind. Denn mehr als 60 Studenten pro Semester will Miklos Deszö zur Zeit nicht aufnehmen.

    Der Andrang ist schon sehr groß. Darum wählen wir in sehr strengen Auswahlverfahren auch nur die Besten aus. Auch das erlaubt uns letztlich, das hohe Niveau hier zu halten.