Die sehr junge Karin, gerade vollständig verstört nach dem Tod des eigenen Kindes, hilflos und psychisch völlig überfordert mit der Trauerarbeit, lernt die Gruppe bei einem dieser öffentlichen Auftritte kennen und schließt sich den "Idioten" an. Innerhalb der Gruppe selber allerdings scheint auch eine Art psychologischer Terror zu herrschen; vor allem, weil Stoffer, als Quasi-Besitzer des Hauses der Kommune auch eine Art geistiger Führer, sich in der Theorie des Exzesses auch an letzte Grenzen und über sie hinaus wagt: wenn er etwa Pornos produzieren will für die Kundschaft mit dem Traum vom ultimativen Kick – Idioten zuzuschauen beim Sex.
Die Suche nach dem "inneren Idioten", jenem Punkt am tiefsten Abgrund der Seele, wo (vielleicht) jeder sich selber erst dann findet, wenn ihn von außen her niemand mehr versteht, ist für diesen schockierenden Verführer vor allem politisches Programm: in der Porno-Gesellschaft, die längst jedes Bild erträgt.
Die Sehnsucht und die Verzweiflung dieser Sinnsucher in der Maske des Wahnsinns ist dem Theater allemal bekannter als gemeinhin dem Film; und wo immer in jüngerer Zeit die Bühne von Behinderten erobert wurde, im Bremer "Blaumeier"-Atelier etwa oder von den Gruppen "Station 17" und "Babylon" in den Alsterdorfer Anstalten in Hamburg, war zuweilen ja genau dieser Moment der letzten Wahrhaftigkeit zu entdecken. Nur aneignen kann sich der Normalo den eben nicht. Und unvermindert schmerzt darum der latente Zynismus, der halt naturgemäß und unvermeidlich in der Darstellung liegt; bei von Trier wie jetzt auch bei Kriegenburg. Wobei der Theatermacher durchaus deutlicher die Grenzen benennt, hinter denen für ihn (für unsereinen also) nichts mehr zu holen ist außer perverser Spekulation.
Kriegenburgs grundsätzliche Ironie aller handwerklichen Konvention gegenüber, im Theater wie im Film, bekommt der Aufführung eher gut – und sie hat die schönsten Momente dann, wenn einer oder eine "aussteigt", von der Idioten- in die Normalo-Rolle oder in entgegengesetzter Richtung wechselt, wie per Kippschalter an- und ausgeknipst. Wobei gerade das ja Handwerk im Theater ist: "Brüche spielen" wird von Beginn der Schauspielschule an verlangt. Gebrochen wird diese Form von Virtuosität dann aber ihrerseits am stark improvisiert wirkenden Grundton der Aufführung; auf deren Proben übrigens, wie unter Dogma-Bedingungen, extrem wenig Zeit verwandt wurde. Einige der "Außen"-Szenen (Begegnungen mit Verwandten der Kommune-Mitglieder oder mit Personen der näheren Umgebung in der Gemeinde) sind zudem sozusagen outgesourced – jeweils jemand aus dem Publikum liest die fremden Texte ins Spiel der Kommunarden. Und über allem thront, natürlich, auch die Video-Kamera, deren Live-Bild alles unterminiert, was wir "wirklich" zu sehen meinen.
Auch gibt’s im Spiel-Raum (einer Art schmucklos-unaufgeräumtem Zimmer mit diversen Türen- und Fensterblicken nach draußen) fast kein Licht, dessen Quelle nicht von den Akteuren selbst betätigt werden könnte; nur für "Außen"-Szenen gibt’s richtiges (also falsches) Theater-Licht. Mit all diesen Dogma-Zitaten und Ironien lässt Kriegenburg durchaus entspannt und leichthin hantieren; und noch das triste Ende (wenn Karen nach Hause zurück kehrt und versucht, sich dort der Trauer durch Idiot-Spielen zu entziehen) kommt hier wie eine misslungene Probe daher: in der das Mädchen alle Rollen am Tisch im Elternhause selber spielen muss. Dann verlöscht die Aufführung, als habe sie keinen Schluss – und lässt so ziemlich schnell vergessen, dass sie eigentlich ja gar kein "Stück" hatte, nur eine Situation; und auch keinen wirklichen Text, nur Worte.
Aber manchmal sehen ja auch andere Inszenierungen dieses Regisseurs ein bisschen so aus, als sei gerade das in den mutigsten Augenblicken sein Theater-Dogma.