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''Maltrodextren-Fondant an Spinat''

Chemie. - Viele Köche verderben den Brei, aber viele Partner verbessern das Kochen. Mit diesem abgewandelten Sprichwort wirbt das Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven für das europäische Projekt Inicon, das seit Jahresbeginn läuft. Inicon steht für ''Introduction of innovative Technologies in modern gastronomy for modernisation of cooking'' und das auf drei Jahre angelegte Projekt verfügt über einen Etat von 1,1 Millionen Euro. Im Projekt arbeiten Lebensmittelchemiker, Verfahrenstechniker, Kochwissenschaftler, Hersteller von Aromen und renommierte Küchenchefs aus der Bundesrepublik, Spanien, Frankreich, England und Portugal zusammen. Gentechnische Methoden und Produkte haben bei Inicon keine Chance, gefragt sind hingegen kühne Produktvisionen wie heiße Eiscreme. Am vergangenen Wochenende trafen sich die Teilnehmer zu Arbeitsgesprächen mit praktischem Teil in der Pariser Kochschule ''Ecole Supérieur de Cuisine francaise''.

    Von Suzanne Krause

    In der Versuchsküche der Pariser Kochschule präsentieren die Verantwortlichen vom Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven erste Arbeitsproben: da bleibt gekrönten Küchenchefs wie dem Bremer Jürgen Schmidt und dem Pariser Christian Conticini der Mund offen. Denn serviert wird ihnen Spinat mit Krokant und Zuckerguss. Oliver Schmidt erklärt seinem Vater diesen kulinarischen Prototyp.

    Dreht sich nicht um Komposition, sondern es geht darum, dass Du hier ein Fondant auf Spinat hast, der keine Süßkraft besitzt. Dabei verwenden wir Maltrodextren, eine gesättigte Zuckerlösung ohne Süßkraft. Die Idee. Auf Spinat ist das nicht sehr glücklich, aber über einem Berliner hätte das mehr Sinn gemacht.

    Als Überraschungsangriff auf ihre sensiblen Geschmacksnerven werten die Starköche auch die Vorspeise: mag das kaltgepresste Lachsöl mit seinem hohen Omega-3-Fettsäuren-Anteil noch so gesund sein, dem Eisbergsalat mit Shrimps und Estragon gibt es eine ziemlich fischige Note. Da stößt die Karamellsauce auf mehr Interesse: sie wird aus Zicchorien-Wurzeln gewonnen, ist alles andere als zuckersüß, dafür aber ballaststoffreich.

    Das ist als Thema nicht uninteressant, weil es natürlich, wenn es angereichert ist mit Ballaststoffen, einen interessanten physiologischen Nährwert hat, der wiederum ein Verkaufsargument in heutiger Zeit werden kann.

    Doch auf dem Menüplan des europäischen Forschungsprojektes stehen nicht nur neue Kochrezepte. Getestet wird gleichfalls, welche neuen Technologien Küchenstars die Arbeit erleichtern könnten. Beispiel Filtration: statt aufwändig mit Eiweiß, lässt sich eine Brühe auch mit dem Tiefenfilter aus der Fruchtsaftindustrie klären. Claudia Krienes vom Technologie Transfer Zentrum Bremerhaven:

    Manchmal muss man zurück zu Wurzeln gehen und dann entdeckt man, dass ein Kaffeefilter ausreicht, um z.B. Fett von Brühe abzufiltern. Das geht sekundenschnell und man muss die Brühe nicht kaltstellen, um das Fett bequem abschöpfen zu können, und dann neu aufzukochen, was mit geschmacklichen Verlusten verbunden wäre.

    Den Rahmen für die Projektforschung steckt der Wunschzettel, auf dem die Küchenchefs ihre Visionen zum Thema Küchenreform festhielten. Unter ihnen der englische Zwei-Sterne-Koch Heston Blumenthal.

    Ich habe 20, 30 Wünsche notiert. Ich bat die Projektleiter beispielsweise darum, eine Methode zu finden, um Geschmacksstoffe bei niedrigen Temperaturen zu übertragen. Die Industrie macht das, wir Küchenchefs tun uns schwer damit. Außerdem möchte ich mehr Kenntnisse haben über neue Verdickungsmittel. Und schauen, welche Fabrikationsmittel der Industrie für mich einsetzbar sein könnten. Wenn ich mit diesen neuen Geräten gut umgehen könnte, gäbe mir das viel Freiraum für meine Menü-Innovationen.

    Prognosen, wie die Küche von morgen aussehen und schmecken wird, will das Inicom-Team derzeit nicht abgeben: die Projektarbeit läuft noch zweieinhalb Jahre. Nur eine Prämisse steht fest: die Küche soll besser werden. Diesem ehrgeizigen Ziel hat sich auch seit bald 20 Jahren Hervé This verschrieben: This ist weltweit einziger Inhaber eines wissenschaftlichen Koch-Lehrstuhls, angesiedelt in der Pariser Sorbonne.

    In den Kochbüchern wimmelt es von Fehlern. Es ist doch unwürdig, falsche Kochmethoden weiter zu geben. Die wissenschaftliche Seite beim Kochen muss besser erforscht und gewürdigt werden. Heute steht die Forschung doch auf einem anderen Stand als im 19. Jahrhundert. Und die Frage, warum die Küche verbessert werden soll, lässt sich einfach beantworten: der Mensch ist so gebaut, dass er immer etwas Neues entdecken möchte.