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Mangel an Sauberkeit ist kein Kavaliersdelikt

Häufiges Händewaschen und Schutzhandschuhe tragen – mit "Putzfimmel" hat das wenig zu tun. Im Gegenteil: In Krankenhäusern und Altenheimen ist Hygiene unverzichtbar und ein Mangel an Sauberkeit ist kein Kavaliersdelikt. Wissen und Möglichkeiten zur Hygiene machen kontinuierlich Fortschritte, nicht jedoch das Verhalten.

Von Mirko Smiljanic |
    Deshalb widmete sich das Hygiene-Forum für Ärzte und Pflegepersonal vergangene Woche am Universitätsklinikum Bonn besonders den praktischen Problemen rund um Hygiene und Sauberkeit im Krankenhaus.

    Die Zahlen sind eindeutig: In Deutschland sterben jährlich etwa 2.400 Menschen an Infektionen, die sie sich auf einer Intensivstation zugezogen haben. Insgesamt sind Jahr für Jahr bis zu 800.000 Patienten von krankenhausbedingten Infektionen betroffen.

    " Wir haben hauptsächliche Probleme mit solchen Mikroorganismen, die auch selber bei Patienten und beim Personal vorkommen wie Staphylococcus aureus, der häufig Erreger sein kann von Wundinfektionen. Der kommt normalerweise auch auf der Haut vor, und wir sehen jetzt, dass in zunehmendem Maße auch im Zusammenhang mit einer Antibiotikabehandlung sich resistente Staphylococcus aureus herausbilden."

    Weitere Problemkeime – sagt Professor Martin Exner, Direktor des Institutes für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Universität Bonn – sind unter anderem Pseudomonas aeruginosa, das in Trinkwasserleitungen vorkommt. Die Keime werden beim Waschen der Patienten übertragen und lösen vor allem bei Menschen mit geschwächter Immunabwehr schwere Infektionen aus. Daneben spielen Pilze wie Candida und Aspergillus im Klinikalltag eine große Rolle, zunehmend auch Hepatitis B und C. Zur Vorsorge gibt es nur zwei Möglichkeiten: Antibiotika dürfen nur gezielte und sparsame eingesetzt werden, um Resistenzen zu vermeiden, außerdem müssen die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen wie häufiges Händewaschen, Desinfektion medizinischen Geräte und so weiter strikt eingehalten werden. Hier muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, sagt Martin Exner, fügt aber auch hinzu,…

    "…dass durch die Verdichtung von Arbeitsabläufen und durch den erheblichen Zwang, Personal einzusparen natürlich, sich natürlich auch Konsequenzen für das hygienisch sichere Verhalten zeigen. Wir sehen in internationalen Studien, dass das Infektionsrisiko für Patienten steigt, wenn Urlaubszeiten sind, weil dann von weniger Mitarbeitern gleich viel Arbeit geleistet werden muss. "

    Erschwerend kommt hinzu, sagt der Bonner Psychologe Professor Reinhold Bergler, dass hygienebewusste Menschen oft als "Sauberkeitsneurotiker abgestempelt werden." Auch gebe es eine Tendenz bei Ärzten und Pflegepersonal, "nicht beeinflussbare Faktoren" als besonders riskant einzustufen; nur selten seien sie sich dagegen bewusst, wie wichtig das eigene Verhalten sei. Ein Problem, das übrigens nicht nur für Krankenhäuser gilt, sondern auch für Alten- und Pflegeheime.

    "Wir haben gerade jetzt hier in Bonn eine Studie veröffentlicht, wo ein gut geführtes Altenheim ein Jahr lang prospektiv untersucht worden ist. Wir konnten hier feststellen, dass zumindest in bestimmten Bereichen Infektionsraten sich zeigen, die denen mit einer Klinik durchaus vergleichbar sind."

    Dem Personal in Altenheimen fehlt häufig noch der "medizinische" Blick, aus seiner Perspektive haben sie es nicht mit Patienten zu tun, sondern mit Bewohnern, denen ein erhöhter Betreuungsaufwand zu Gute kommt. Hier wird in den kommenden Jahren ein Bewusstseinswandel einsetzen müssen. Und für einen weiteren Bewusstseinswandel plädiert Martin Exner. Die hygienische Situation in Deutschland sei zwar im internationalen Vergleich ausgesprochen gut, ausruhen dürfe man sich auf diesen Lorbeeren aber nicht!

    "Wir brauchen sicher eine erhöhte Wachsamkeit ständig zu diesem Problem, denn Infektionen im Krankenhaus oder zum Beispiel im Pflegebereich sind die wichtigsten Komplikationen der medizinischen Behandlung schlechthin. Wir brauchen auch eine ständige Anpassung an neue Risiken, an neue Krankheitserreger, die sich ergeben können und müssen von daher auch eine entsprechende Finanzierung dieser Infrastruktur gewährleisten. "