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Marina Weisband
"Chillt mal Eure Nuggets"

Mit peppigen Sätzen, frechen Themen und Tweets erreicht man Jugendliche - wollen uns Feuilletons weismachen. Unsere Kolumnistin Marina Weisband aber findet, dass guter Journalismus keine neuen Zauberformeln braucht. Der digitale Raum biete genug Möglichkeiten.

Von Marina Weisband | 29.06.2017
    Porträtfoto von Marina Weisband
    Marina Weisband (Lars Borges)
    "Eh jo, Chabos, chillt mal eure Nuggets und passt konkret auf. Mit diesen sieben Tipps pimpt ihr euren Content für die Gen Y."
    Das war - peinlich. Die Sätze, so wollen Langenscheidt und Feuilleton-Titel weiß machen, entspringe der Jugendsprache. Und wenn man die Jugend ansprechen will, etwa mit Journalismus oder für sein Produkt, greift man heute gern auf, was man für bei den Jugendlichen angesagt hält.
    Wir engagieren einen populären YouTuber, lassen ihn für ein Thema sprechen, für das er nicht so richtig brennt, dabei möglichst viel Jugendsprache und Anglizismen benutzen und - ach ja - schnelle Schnitte. Schnitt. Schnitt. Schnitt. Fertig ist der Jugend-frisst-dir-aus-der-Hand-Cocktail. Wenn es irgendwie geht, sollte gerappt werden, am besten für angesagte Jugendthemen wie ein Praktikum bei BMW oder Edeka.
    "Tweets nach jeden dritten Satz"
    Jugend-Plattformen großer Zeitungen wie Ze.tt oder Bento versuchen Journalismus für die nächste Generation zu machen, die angeblich eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne hat und sich weniger für Politik und Trübsinn interessiert.
    Deshalb sind sie gefüllt mit peppigen, frechen Themen, Listicals und eingebundenen Tweets nach jedem dritten Satz. Ein aktueller Artikel auf Bento erklärt jungen Erwachsenen, dass Aktien auch etwas für junge Leute mit wenig Kohle sind. Gespickt ist er mit bewegten Reaktions-Gifs nach jedem zweiten Satz und übertitelt mit einem sieben Jahre alten Meme.
    Es braucht "keine Zauberformeln"
    Müssen wir wirklich so tief in die Erbärmlichkeitskiste greifen, um wichtige Themen auch an die Generation Y zu vermitteln? Ich habe in dieses Thema zwar nur ein wenig Einblick – dadurch dass ich in meinem Beruf ständig mit Jugendlichen arbeite und dass ich vor gar nicht allzu langer Zeit selbst mal jugendlich war.
    Und aus dieser Zeit erinnere ich mich vor allen an eins: Als junger Mensch möchte man ernst genommen werden. Wie alle Menschen lesen Teens über die Themen, die sie für wichtig halten. Wie alle Menschen interessieren sich Teens eher für Themen mit einem emotionalen Bezug oder einem klaren Einfluss auf ihr eigenes Leben. Um Journalismus für die Jungen zu machen, braucht es keine Zauberformeln.
    Neben den genannten negativen Beispielen, gibt es auch viele positive. Die Reportagen des Y-Kollektivs von Funk oder der Blog Kliemannsland, der es irgendwie schafft, das Anlegen eines Kräutergartens einnehmend zu vermitteln. In den USA hat die Teen Vogue mit Reportagen und Meinungsartikeln zu aktuellen politischen Vorgängen bei Jugendlichen und Erwachsenen Aufsehen erregt.
    "LeserInnen auf Augenhöhe begegnen"
    Guter Journalismus für Jugendliche muss im Prinzip nur die Kriterien allgemein guten Journalismus erfüllen. Er muss seinen LeserInnen auf Augenhöhe begegnen und sie ernst nehmen. Die Autoren, die Reporter müssen mit Herz hinter der Aussage stehen, die sie treffen.
    Jugendliche respektieren bedeutet auch, zu beachten, dass sie stellenweise weniger Vorwissen haben und gerade bei Themen der jungen Zeitgeschichte weniger Assoziationen mitbringen. Also gilt es mehr Hintergrundwissen mit zu liefern. Gerade im digitalen Raum lässt sich da gut mit Links und Vertiefungen arbeiten.
    Und was die Kürze betrifft: Die Kürze sollte entstehen durch das Weglassen von Unnötigem. Aber es besteht kein Grund, alles ausnahmslos auf drei Minuten zu kürzen und alle zehn Sekunden einen Schnitt zu machen. Sonst erziehen wir das Aufmerksamkeitsdefizit in Hörern, das wir so befürchten. Ich würde ausführlicher darauf eingehen - aber meine Zeit ist um.