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Masken als Zeichen des Terrors
"Eine Eskalation der Grausamkeit"

Bilder des Terrors erreichen uns in diesen Tagen aus vielen Teilen der Welt. Der Bochumer Literatur- und Medienwissenschaftler Manfred Schneider sagte im DLF, die Gewalttäter glichen einander - alle trügen sie schwarze Sturmmasken und seien mit Kalaschnikow-Gewehren bewaffnet. Die Taten seien an die Öffentlichkeit gerichtet - als eine Art von Bekenntnis zu einer internationalen Grausamkeit und Brutalität.

Manfred Schneider im Gespräch mit Michael Köhler |
    Michael Köhler: Welche Bilder haben uns in den letzten 36 Stunden erreicht? Da ist nicht nur die Nachricht, es ist nicht nur das schreckliche Ereignis; es sind wesentlich auch Bilder eines neuen Typus von routiniert globalen Mordgesellen. Sie faseln irgendwas vom Propheten, sie morden wütig Journalisten, Passanten, nehmen Geiseln, attackieren die freiheitlich-pluralen Gesellschaften des entwickelten Westens - jene Gesellschaften, die Macht in Recht transformiert haben, die sich eine rechtsstaatliche Ordnung, Verfassung gegeben haben und die zwischen Staat und Religion trennen, kurz, die eine Rechtskultur und eine Kultur des Rechts besitzen. - Den Bochumer Literaturwissenschaftler Manfred Schneider habe ich gefragt: Zählt zum Unheimlichen auch diese neue universelle Maske des Mörders?
    Manfred Schneider: Ja. Inzwischen muss man ja beinahe von einer internationalen Männermode unter den Mordgesellen sprechen, denn sie tragen eine schwarze Sturmmaske, sind mit einem Kalaschnikow-Gewehr bewaffnet, sind auch sonst schwarz gekleidet und sind in ihren Bewegungen nicht zu unterscheiden von den Genossen und Spießgesellen in anderen Ländern, in anderen Konflikten, in anderen grauenhaften Auftritten.
    Masken der Mörder als Trend
    Köhler: Das klingt wie eine Art Formular oder Mode, dass man sich einfach überstülpt und anzieht. Heißt das, dass der Unterschied zu früheren Zeiten ist, es gibt keine Bekennerschreiben mehr und auch sonst keine Ideologien oder Mitteilungen oder Zeichen, die lesbar wären als Hinweis auf eine eindeutige Herkunft?
    Schneider: Ja, das ist so. Wir haben in der Vergangenheit nur solche Auftritte von gewalttätigen Menschen erfahren, die ihr Gesicht gezeigt haben, wenn man jetzt gerade mal von Bankräubern absieht. Aber in den großen kriegerischen Konflikten sind die Täter, die Akteure erkennbar an Uniformen und dergleichen. Inzwischen sind sie alle mehr oder weniger gleich gekleidet. Den Unterschied macht, dass heute alle diese Aktionen im Bild erscheinen. Jeder der in einer Großstadt eine Gewalttat begeht, rechnet damit, dass die Sache durch irgendeine Kamera festgehalten wird, und insofern sind alle diese Taten und Handlungen an eine internationale Öffentlichkeit gerichtet und es ist eine Art von Bekenntnis zu einer internationalen Grausamkeit und Brutalität, die eigentlich mehr oder weniger gegen die Welt selber aufbegehrt.
    Köhler: Nach James Foleys Hinrichtung, medienwirksam, muss etwas sendbar und kommunikabel sein?
    Schneider: Darum geht es, diese schrecklichen Taten, und da gibt es ja auch eine Eskalation der Grausamkeit und der Brutalität. Alle diese Taten sind für das Bild gemacht und werden als Bilder in die Welt hinausgeschickt, und wahrscheinlich ist außer der Welt der Hauptadressat die eigene Bezugsgruppe, in der sich diese Leute, die sonst ihr Gesicht verloren haben, ein Ansehen geben als besonders grausam, grauenhaft.
    Nationale Motive oder einfach nur Hass
    Köhler: Fängt nicht das Problem schon damit an, dass man nicht weiß, was sie wollen, wie man sie auch bezeichnen soll? Was sind es überhaupt, sind es Terroristen, Dschihadisten, sind es Fanatiker, Faschisten, Terroristen? Da fängt es schon an, dass man sich schwertut.
    Schneider: Alle diese äußeren Merkmale, die Art des Auftretens, sind international und man muss eben auch da sagen global, und es lässt sich im Grunde genommen jedes Motiv darauf schreiben, und ebenso Freiheit, Gott, nationale Motive, oder einfach nur Hass. Und darüber hinaus ist über diese Leute kaum etwas in Erfahrung zu bringen, außer sie werden durch die Geheimdienste oder durch irgendeine Nachlässigkeit am Ende doch identifiziert.
    Köhler: Also wäre dann auch eine Wahrheit, die wir daraus lesen, dass der Versuch, darin zu lesen und nach Gründen zu suchen, scheitert, weil wir dem schlechthin Bösen und Gräuelhaften ins Gesicht gucken?
    Schneider: Ja, das ist wohl so. Damit müssen wir uns abfinden. Natürlich gibt es immer bestimmte biografische Momente, Augenblicke, Bezüge, die solche Leute auf einen Weg dieser extrem grausamen Handlungen bringen, aber am Ende gibt es kein Äquivalent zwischen diesem grauenhaften, brutalen Auftreten und einem inneren, einem psychischen oder einem politischen.
    Köhler: Die Masken des Tötens, die Zeichen des Terrors - der Bochumer Literaturwissenschaftler Manfred Schneider war das.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.