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Massentierhaltung im 'Südoldenburgischen'

Südoldenburg ist schon jetzt die Hochburg für Massentierhaltung in Deutschland. Nirgendwo gibt es so viele Ställe, in denen Geflügel und Schweine dicht gedrängt gehalten werden. Doch damit nicht genug; in der Stadt Friesoythe im Landkreis Cloppenburg stapeln sich die Anträge für weitere 21 Stall-Neu-Bauten. In ihnen wäre Platz für bis zu drei Millionen Tiere. Doch die Stadt winkt ab, will die Hälfte der Bauten nun verhindern. Allerdings sieht es so aus, als ob das Problem damit nur aufgeschoben und nicht aufgehoben würde.

Von Andreas Barnickel |
    Der Umwelt- und Planungsausschuss der Stadt Friesoythe hat erstmals die Hälfte der Bauanträge abgelehnt. Und das ist Neuland, denn bisher hatten die Kommunen im Südoldenburgischen keine Handhabe gesehen, Anträge für Stallneubauten zu verhindern. Die Begründung der Stadt Friesoythe lautet aber nun: Die Bevölkerung in den kleinen Ortschaften Gehlenberg und Neuvrees, in denen ein Großteil der Ställe gebaut werden sollte, sei schon jetzt extrem von der Massentierhaltung betroffen. Eine Gefährdung der Volksgesundheit sei nicht mehr auszuschließen. Der erste Stadtrat Dirk Vorlauf glaubt, die Bauanträge auch dann noch verhindern zu können, wenn die Antragsteller auf juristischem Wege versuchen, die nun abgelehnten Bauanträge durchzuboxen:

    Das könnte schwierig werden. Aber auf der anderen Seite müssen Sie sehen, dass wir im Raum Gehlenberg Neuvrees mit der Tierbesatzdichte eine Situation haben, die sie auch nicht in landesweite Muster stecken können. Also die Verwaltungsgerichte können bei der Beurteilung dieser Stallbauanträge nicht mit den Maßstäben herangehen wie in übrigen Städten und Gemeinden in Niedersachsen, wo Massentierhaltung kein Problem ist.

    Alerdings: Die Stadt kann nur ihr Einvernehmen erteilen, wie es im Amtsdeutsch heißt. Eine endgültige Entscheidung, ob die Anträge genehmigt oder abgelehnt werden, trifft der Landkreis, in diesem Fall der Landkreis Cloppenburg. Und der muss trifftige Gründe haben, um eine Baugenehmigung zu versagen. Herma Heyken von der Bezirksregierung Weser-Ems hält die von der Stadt Friesoythe vorgetragenen Gründe für wenig stichhaltig. Nicht zuletzt auch deshalb, weil eine Studie über mögliche Gesundheitsgefahren durch Massentierhaltung vom Land Niedersachsen erst im Laufe des nächsten Jahres vorgestellt werden soll:

    Aus unserer Sicht stellt es sich ein bisschen so dar, dass damit der schwarze Peter an den Landkreis weitergereicht werden soll. Denn die Gemeinde bzw. die Stadt kann das Einvernehmen nur versagen, wenn sie gute Gründe hat. Ob diese guten Gründe vorliegen und auch rechtlich standhalten, können wir aus heutiger Sicht noch nicht sagen, weil wir die Gründe nicht kennen.

    Die SPD-Fraktion in Friesoythe hatte sogar gefordert, Sonderbauflächen für Geflügelställe auszuweisen, und künftig nur in diesen Gebieten den Bau von Stallanlagen zu genehmigen. Nun mit diesem Steuerungsinstrument sei das Problem in den Griff zu bekommen. Doch das lehnte die CDU-Mehrheitsfraktion im Stadtrat ab. Die Sonderbauflächen seien der Tod der Landwirtschaft, sagt Liborius Hogarz von der Union. Besonders kleinere Betriebe könnten dann nicht mehr existieren. Man müsse jetzt zunächst das Raumordnungsverfahren des Landes Niedersachsen abwarten. Dann könne man überlegen, neue Flächen für Ställe auszuweisen, so Hogarz::

    Das heißt also mit anderen Worten, dass wir darüber nachdenken, ob noch irgendwo Ställe gebaut werden können. Und das Instrumentarium haben wir zur Zeit noch nicht. Und so lange wir dieses Instrumentarium noch nicht zur Verfügung haben - wir rechnen vielleicht im Frühjahr des nächsten Jahres damit - werden wir sämtliche Stallbauten in Neuvrees, Gehlenberg und Neuscharrel ablehnen.

    Die meisten Antragsteller betreiben keine landwirtschaftlichen Familienbetriebe, sondern Agrarfabriken. Kritiker wie Hans Meyer von der SPD-Stadtratsfraktion befürchten nun, dass das Problem nur vertagt wird. Die CDU hätte ihre Argumente auch schon bei früheren Projekten vorbringen können:

    Ich gehe mal davon aus, dass wird das nur als aufgeschoben betrachten können. Denn die Ablehnungsgründe, die hier jetzt angeführt werden für die Bauvorhaben in Neuvrees und Gehlenberg, die sind ja nicht neu, die kennen wir seit Jahren. Und auf dieser Rechtslage hätte man auch schon vor zwei oder drei Jahren Bauanträge ablehnen können.

    Herma Heiken von der Bezirksregierung geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie wirft der Stadt Friesoythe vor, sich klammheimlich dem Problem entziehen zu wollen:

    Aus unserer Sicht wäre es sehr viel sinnvoller, wenn die Stadt wieder Bauleitplanung betreiben würde - sprich, Sondergebiete ausweisen könnte. Dann hätte die Stadt wieder ein Instrument in der Hand und müßte nicht schwarzer Peter spielen.

    Die Meinung der Bevölkerung in den betroffenen Ortschaften ist gespalten. Landwirte fürchten um ihre Existenz, andere können den Gestank im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr riechen:

    Wir haben genug davon. Und wir müssen sehen, dass wir unseren Lebensraum nicht noch weiter verschandeln. Die Landwirtschaft muss sich weiter entwickeln und dann müssen auch Ställe kommen. Wovon sollen wir Landwirte sonst leben? Es gibt genug freie Flächen, wo noch Ställe hinkommen können. Und es ist in meinen Augen nicht verständlich, dass das nicht genehmigt wird. Ich würde mir natürlich wünschen, dass sie nicht kommen. Auch unter anderen Aspekten, zum Beispiel Tropenpark, dass man auf der einen Seite einem so tollen Projekt zustimmt und auf der anderen Seite solchen Ställen zustimmt.

    Denn das ist weiteres Dilemma, in dem sich die Kommunen im Südoldenburgischen befinden: Sie wollen verstärkt Touristen in die Tiermast-Region locken. So soll nur wenige Kilometer von Friesoythe entfernt ein riesiges Spass- und Tropenbad gebaut werden. Aber wie sich die Massentierhaltung mit all ihren Folgen und der Tourismus unter einen Hut bringen lassen - dazu weiß zur Zeit niemand so recht eine Antwort.