Wenn Juri Estrin seine Mauern zieht, wäre ein Maurer zunächst wohl skeptisch, denn der Werkstoffwissenschaftler vom Institut für Werkstoffkunde und Werkstofftechnik legt seine Steine nicht etwa flach aufeinander, sondern stellt jeden einzeln auf die Spitze - und zwar so, dass sich die Seitenflächen etwas überlappen. Außerdem verzichtet Estrin dabei ganz auf Mörtel. Mit dem Ergebnis wäre auch der Bauherr vielleicht zunächst nicht uneingeschränkt einverstanden, denn die resultierende Fläche ist nicht glatt, weil die Spitzen der Bauwürfel heraus ragen. Allerdings ist die Wand extrem stabil. Lediglich die äußeren Endsteine müssen mit einer Metallstange gesichert werden, damit sie nicht herausfallen - alle anderen sitzen bombenfest. Estrins Trick ist die Verwendung der dritten Dimension für seine Konstruktionen:
"Die Bausteine bilden quasi eine Ebene, wenn man so will - und in der dritten, in der z-Richtung sozusagen, existiert diese Verzahnung, diese Behinderung gegen die Bewegung von Elementen."
Dieses Prinzip der "geometrischen Selbstverzahnung" funktioniert mit allen Elementen mit regelmäßiger geometrischer Form. Zuerst erprobten die Clausthaler Ingenieure das Konzept an Pyramiden aus vier gleichseitigen Dreiecken, so genannte Tetraedern:
"Dann haben wir gesehen, dass andere Polyeder, also reguläre Körper, auch die gleiche Eigenschaft besitzen, dass sie allein anhand ihrer Geometrie und Anordnung zu einer Struktur zusammengesetzt werden können, man könnte sagen, zu einer Verbundplatte, aus der kein einzelnes Element rausgeholt werden kann - sie arretieren sich gegenseitig."
Doch es geht auch weicher, fand Estrin heraus: Die Wissenschaftler entwickelten eigens Bausteine mit einer geschwungenen Oberfläche aus abwechselnd konkaven und konvexen Wölbungen. Aus solchen Kacheln ließe sich beispielsweise ein Hitzeschild für Raumfähren zusammenfügen, bei dem einzelne Elemente zerstört werden können, ohne dass dabei der gesamte Schild zerbricht. Bis zu einem Viertel der Kacheln könnten ausfallen, ohne dass die Stabilität des Gesamtobjekts gefährdet wäre.
"Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, ganz unterschiedliche Materialien innerhalb einer Struktur miteinander zu kombinieren. Man gibt nur den Bausteinen die richtige Geometrie und dann kann man zum Beispiel Stahl und Kunststoff miteinander kombinieren, Keramik und Kunststoff, Keramik und Metall, man könnte auch aktive Elemente mit einbauen, die als Sensoren wirken. Man kann diese Struktur mit vielen Funktionen füllen, wenn man will."
Ein weiteres Plus der geometrischen Selbstverzahnung ist, dass ihre Stabilität unabhängig von der Größe der Bausteine ist. So könnten Nanometer große Elemente Schutzüberzüge für andere Materialien errichten, während aus großen Bausteinen ganze Häuser rasch auf- und bei Bedarf auch komplett wieder abgebaut werden können, weil auf Mörtel verzichtet werden kann. Als sie das ganze Potenzial ihrer Entdeckung erkannt hätten, so schmunzelt Juri Estrin, seien er und seine Kollegen selbst sehr überrascht gewesen.
[Quelle: Matthias Hennies]
"Die Bausteine bilden quasi eine Ebene, wenn man so will - und in der dritten, in der z-Richtung sozusagen, existiert diese Verzahnung, diese Behinderung gegen die Bewegung von Elementen."
Dieses Prinzip der "geometrischen Selbstverzahnung" funktioniert mit allen Elementen mit regelmäßiger geometrischer Form. Zuerst erprobten die Clausthaler Ingenieure das Konzept an Pyramiden aus vier gleichseitigen Dreiecken, so genannte Tetraedern:
"Dann haben wir gesehen, dass andere Polyeder, also reguläre Körper, auch die gleiche Eigenschaft besitzen, dass sie allein anhand ihrer Geometrie und Anordnung zu einer Struktur zusammengesetzt werden können, man könnte sagen, zu einer Verbundplatte, aus der kein einzelnes Element rausgeholt werden kann - sie arretieren sich gegenseitig."
Doch es geht auch weicher, fand Estrin heraus: Die Wissenschaftler entwickelten eigens Bausteine mit einer geschwungenen Oberfläche aus abwechselnd konkaven und konvexen Wölbungen. Aus solchen Kacheln ließe sich beispielsweise ein Hitzeschild für Raumfähren zusammenfügen, bei dem einzelne Elemente zerstört werden können, ohne dass dabei der gesamte Schild zerbricht. Bis zu einem Viertel der Kacheln könnten ausfallen, ohne dass die Stabilität des Gesamtobjekts gefährdet wäre.
"Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, ganz unterschiedliche Materialien innerhalb einer Struktur miteinander zu kombinieren. Man gibt nur den Bausteinen die richtige Geometrie und dann kann man zum Beispiel Stahl und Kunststoff miteinander kombinieren, Keramik und Kunststoff, Keramik und Metall, man könnte auch aktive Elemente mit einbauen, die als Sensoren wirken. Man kann diese Struktur mit vielen Funktionen füllen, wenn man will."
Ein weiteres Plus der geometrischen Selbstverzahnung ist, dass ihre Stabilität unabhängig von der Größe der Bausteine ist. So könnten Nanometer große Elemente Schutzüberzüge für andere Materialien errichten, während aus großen Bausteinen ganze Häuser rasch auf- und bei Bedarf auch komplett wieder abgebaut werden können, weil auf Mörtel verzichtet werden kann. Als sie das ganze Potenzial ihrer Entdeckung erkannt hätten, so schmunzelt Juri Estrin, seien er und seine Kollegen selbst sehr überrascht gewesen.
[Quelle: Matthias Hennies]