Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Mazedonisch-serbische Grenze
Profit aus der Not der Flüchtlinge

Die Grenzen sind geschlossen, weiter wollen die Flüchtlinge trotzdem. Von ihrer Not profitieren andere: Einige in der mazedonisch-serbischen Grenzregion verdienten sich ein Zubrot als Schleuser, erzählt ein Dorfbewohner. Sie machten das, weil es dort keine Arbeit gebe.

Von Stephan Ozsvath | 08.04.2016
    Flüchtlinge versuchen, in Mazedonien einen Zug Richtung Serbien zu nehmen.
    Flüchtlinge versuchen, in Mazedonien einen Zug Richtung Serbien zu nehmen. (dpa-Bildfunk / EPA / Georgi Licovski)
    Vom Schulhof des kleinen Albaner-Dorfs Vaksince an der mazedonisch-serbischen Grenze dringen Kinder-Stimmen hoch zum alten Steinbruch. Dort warten 45 Migranten darauf, dass es dunkel wird.
    "Dann gehen wir nach Serbien", sagt Husnain aus Kabul. "Wir sind vor fünf Tagen her gekommen. Mit dem Zug." Griechen hätten die ganze Gruppe da rein gesetzt. Und egal, ob die mazedonische oder die serbische Grenze geschlossen sei, er gehe weiter.
    Mit dem Zug über die Grenze
    Er spricht nicht gut Englisch, es sind nur Brocken. Aber es wird doch deutlich, was er sagen will: Die Griechen hätten sie in einem Güterzug weiter geschickt – gegen Bakschisch. "100 Euro pro Person", erzählt der Afghane. Das Ziel sei Serbien, hätten sie gesagt, aber der Zug sei nur bis Mazedonien gefahren.
    Jetzt will er nach Deutschland, sagt der Afghane. In der Migranten-Gruppe sind einige Menschen vom Hindukusch, Leute aus Sri Lanka, Iraker und welche vom Maghreb, ein Algerier, der schon drei Jahre in Offenburg gelebt hat, wie er sagt, und Marokkaner – die meisten sind junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren, nur wenige Frauen warten bei dem mazedonischen Dorf auf ihre Chance, über die Grenze zu kommen.
    "Ich komme aus Marokko, ich heiße Mohammed", sagt ein 26-Jähriger und zeigt Fotos seiner Familie. Sein Vater Achmed sei Polizist in Marokko. Seine Mutter und sein 19 Jahre alter Bruder lebten in Spanien.
    Not der Migranten wird zum Geschäft
    Dorthin will auch Mohammed, sagt er, Mazedonien hinter sich lassen. Im Dorf Vaksince wohnen nur etwa 1.000 Menschen - hier leben Albaner, es gibt ein paar Cafés, und ein paar Dorfbewohner verdienen sich offenbar auch ein Zubrot als Schleuser, erzählt dieser Mann.
    "Bestimmt 20 wurden verhaftet, die aus der Not der Migranten ein Geschäft gemacht haben. Es gibt hier sonst keine Jobs", sagt er. "Deswegen haben sie das gemacht."
    Schimpfend gesellt sich ein anderer dazu. Und er hat auch schon einen Schuldigen ausgemacht: Den Staat.
    "Hier bekommen Leute Probleme, werden verhaftet. Dabei muss der Staat etwas unternehmen. Die sollen gefälligst verhindern, dass die überhaupt herkommen. Aber der Staat selbst bringt sie her. Ich nicht."
    Einer der Dorfbewohner empört sich: wie es denn sein könne, dass mazedonische Taxifahrer aus Gevgelija an der mazedonisch-griechischen Grenze die Migranten 200 Kilometer weit, bis in die Dorfmitte nach Vaksince bringen könnten, ohne dass sie unterwegs angehalten würden.
    Der Weg der Illegalen über den Feldweg ist von Müll gesäumt: Plastikflaschen und griechische Zigaretten-Schachteln liegen im Gras, unnötiger Ballast. Dass hier Verbotenes geschieht, ist nicht neu. Der Pfad über den Berg ist eine alte Schmuggler-Route. Als der serbische Autokrat Milosevic noch an der Macht war, fanden hier Öl, Benzin und Zigaretten den Weg nach Miratovac - einem kleinen serbischen Dorf jenseits der Grenze. Es ist nur zwei Kilometer entfernt. Hinter dem Berg.