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"Meatballs" in New York
Ungesund, unvegan, unerhört untrendy

In New York City ist mittlerweile alles "organic", alles "bio". Eine Gegenbewegung sind die "Meatball"-Restaurants. Daniel Sharp ist einer der Großmeister der New Yorker Meatball-Szene, er denkt sich immer neue Varianten des Fleischbällchens aus.

Von Martin Becker | 22.12.2014
    "Ich habe die Idee des Meatballs immer gemocht. Ein gemütliches und dadurch beruhigendes Essen. Es gibt ihn in jeder Kultur, er ist also wirklich ein interkulturelles Phänomen."
    Wenn man durch New York läuft, trifft man sie überall: Leute mit einer Mission. Die Welt retten. Total erfolgreicher Künstler werden. Sich wenigstens die Miete fürs nächste Jahr zusammenkellnern. Daniel Sharp und ich sitzen nebeneinander in einer Kneipe in Brooklyn. Zufällig. Da ist dies Leuchten in seinen Augen, das nur Typen haben, die das große Ding planen. Und tatsächlich: Daniels Mission lautet: Der Welt das ideale Fleischbällchen schenken.
    "Jeder hat eine Geschichte über die Meatballs seiner Großmutter, seiner Mutter, seines Vaters. Eine kleine Erinnerung an die Kindheit. Das Thema löst einfach viele Emotionen auslöst."
    Hunderte von Meatball-Restaurants
    Mehr als ein Jahrzehnt arbeitete Daniel als Koch in Kalifornien und in Italien. Dann holte ihn ein guter Kumpel nach New York: Der hatte gerade einen kleinen Laden auf der Lower East Side eröffnet. "The Meatball Shop". Konzept: Fleischbällchen. Die Leute rannten ihnen die Bude ein. Und Daniel erfindet seitdem ständig neue Meatballs. Und hat in den letzten Jahren fünf weitere Lokale in New York miteröffnet.
    "Wir haben mal gezählt: Nach uns haben Hunderte von Meatball-Restaurants auf der ganzen Welt aufgemacht. Es ist angesagt und hält an, darauf sind wir wirklich stolz."
    Meatballs, die die Welt erobern
    Warum die Meatballs ausgerechnet jetzt von Manhattan aus die Welt erobern? Vielleicht gerade, weil sie voll ungesund, voll unvegan, voll unkorrekt sind. Daniel macht daraus keinen Hehl: So ein Fleischballen war schon immer eine mit Fett und Brot oder Reis gestreckte Mogelpackung. Das ist nun mal sein fluffiges Geheimnis.
    "Der Meatball ist wahrscheinlich der erste Etikettenschwindel der Geschichte. Denn Fleisch war früher knapp und kostbar und man musste ganze Familien mit möglichst wenig davon sattbekommen."
    Truthahn-Cranberry-Bällchen
    Daniel nimmt es spielerisch, wenn er sich neue Meatball-Kreationen ausdenkt: Zu Thanksgiving gab es beispielsweise Truthahn-Cranberry-Bällchen auf der Karte. Und ein Dauerbrenner ist der Buffalo-Chicken-Meatball: Sieht aus wie ein Fleischbällchen, schmeckt aber wie ein frittierter Hähnchenflügel. Auch privat ist der Meatball-Master übrigens ein Riesen-Fleischbällchen-Fan.
    "Ich esse viele Meatballs. Und wenn ich selbst ausgehe, will ich in anderen Restaurants eigentlich keine Meatballs bestellen. Andererseits will ich wissen, was andere sich einfallen lassen. Da draußen gibt es so viele verschiedene Meatballs, und ich bin ständig überrascht über die Variationen, die in unterschiedlichen Kulturen existieren."
    Und dann ist da noch das vielleicht pikanteste Geheimnis des grassierenden Meatball-Fiebers: "Der Name. Oft, erzählt Daniel, sitzen ältere Paare in einem der "Meatball Shops" und die Frau bestellt aufgeregt kichernd für ihren Mann einige frische "Balls". Dazu muss man wissen: „Balls" heißt in vulgärem Englisch nichts anderes als: Hoden. In diesem Sinne: Enjoy your meal!
    "Ich habe lange in spießigen Restaurants gearbeitet und will jetzt auch Spaß haben. Und die Gäste werden einfach nicht müde, diese Witze zu machen. Das hört niemals auf."