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Medizin
Auslandsstudium im Inland

Wer in Deutschland Medizin studieren will, braucht einen NC von 1,0. Jahrelange Wartezeiten sind die Folge. Wer das vermeiden will, kann im Ausland studieren. Als Variante soll jetzt in Köln ein bulgarischer Campus als ausländische Niederlassung der bulgarischen Universität Sofia entstehen. Doch vieles ist noch völlig ungeklärt.

Von Meriem Benslim | 15.11.2016
    Medizinstudenten führen eine Notfallversorgung an einem Dummy im Rettungswagen durch.
    Kurz vor Semesterbeginn erfuhren die Studenten, dass der Campus noch gar keine Betriebsgenehmigung aus Bulgarien hat. (dpa / picture-alliance / Britta Pedersen)
    In einem unscheinbaren Bürogebäude im Kölner Süden soll der neue Campus entstehen. Auf zwei Etagen will die Vermittlungsagentur Studimed hier Mediziner ausbilden – ohne NC. Damit das funktioniert, soll der Campus als ausländische Niederlassung der bulgarischen Universität Sofia eröffnen, erklärt Hendrik Loll, Geschäftsführer von Studimed.
    "In Deutschland braucht man einen NC von 1,0, muss im Zweifel sieben Jahre warten. Das möchten viele Studierende nicht mitmachen und gehen deswegen ins Ausland. Um es den Studenten noch einfacher zu machen, haben wir einen Weg gefunden, am System der deutschen Unis vorbei, in Deutschland Mediziner-Ausbildungen stattfinden zu lassen, zumindest für den vorklinischen Teil also für die ersten zwei Jahre."
    Quasi ein Auslandsstudium im Inland. Nach den ersten zwei Jahren sollen die Studierenden an die medizinische Universität Sofia wechseln. 100 Bewerber will Hendrik Loll pro Semester ausbilden. Alles auf Englisch, wie im Ausland. Wer sich zuerst einschreibt, bekommt einen Platz. Kostenpunkt: Knapp 14.000 Euro Studiengebühren pro Jahr. Und einmalig dieselbe Vermittlungsprovision. Für diese Geschäftsidee hat Hendrik Loll schon auf zwei Etagen Seminarräume und ein Labor eingerichtet.
    Noch keine Betriebsgenehmigung
    "Wir haben einige Teamräume, in den sich die Studenten nach dem Kurs hinsetzen und das noch mal wiederholen."
    Rein hypothetisch. Denn Studenten gibt es hier noch gar nicht. Eigentlich sollte der Campus zum Wintersemester eröffnen. 100 Bewerber hatten fest mit dem Platz geplant. Kurz vor Semesterbeginn erfuhren sie, dass der Campus noch gar keine Betriebsgenehmigung aus Bulgarien hat.
    "Der Großteil der Studierenden ist nach Sofia gegangen, etwa 65 Studierende sind das, die machen dort das erste Semester und haben von der Universität eine schriftliche Erklärung bekommen, dass ein Wechsel ins zweite Semester nach Köln gewährleistet ist."
    Bisher hätte keiner der insgesamt 100 Studierenden Gebühren für den Medizin-Platz in Köln gezahlt, sagt Geschäftsführer Hendrik Loll. Die Gebühren seien erst fällig, wenn der Campus eröffne. Hendrik Loll plant nun im März zu starten, auch wenn immer noch keine Genehmigung aus Bulgarien vorliegt.
    "Der Ministerrat tagt jeden Donnerstag und wir gehen davon aus, dass es in den nächsten Donnerstagen eine Entscheidung gibt."
    Bulgarien greift durch und schließt Niederlassungen
    In Bulgarien zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Im Telefoninterview erklärt Krassimir Waltschew, Hauptsekretär des bulgarischen Bildungsministeriums:
    "Im Bildungsministerium ist kein Vorschlag über die Eröffnung einer Niederlassung der Medizinischen Universität Sofia in Köln eingegangen. Bei der Prüfung an der Universität haben unsere Prüfer über diese Niederlassung erfahren und die Universitätsleitung darauf hingewiesen, dass sie dem bulgarischen Gesetz nicht entspricht und deswegen alle Tätigkeiten dort eingestellt werden sollen."
    Das bulgarische Bildungsministerium hat jetzt an anderen Standorten in Europa hart durchgegriffen. Es hat zwei Niederlassungen der medizinischen Universität Sofia in Italien und auf Zypern geschlossen. Dort wurden bereits seit drei Jahren NC-freie Medizin-Plätze vergeben.
    "Diese Auslandsniederlassungen sind auch nicht nach dem bulgarischen Gesetz genehmigt worden. Bisher hat der Ministerrat keiner Hochschule eine Niederlassung im Ausland genehmigt. Die Ausbildung in einer solchen Niederlassung ohne eine solche Genehmigung ist gesetzwidrig."
    Knapp 60.000 Euro kostet das Medizinstudium
    Für den Campus in Köln fehlt außerdem noch die Genehmigung vom NRW-Wissenschaftsministerium. Doch Hendrik Loll lässt sich von seiner Geschäftsidee nicht abbringen. Er plant weiter im Sommersemester zu eröffnen. Erst kürzlich wurden weitere Interessenten über den halb fertigen Campus in Köln geführt. Zur Campus-Führung kamen auch Eltern, die sich für ihre Kinder informieren wollten, wie Regina Plag.
    "Ich bin hier, weil meine Tochter sich für einen Studienplatz interessiert in Medizin. Sieben Jahre muss sie hier auf einen Studienplatz warten. Und wir haben gesagt, sie soll eine Ausbildung machen und wenn sie dann immer noch sagt, sie möchte das machen, dann möchten wir unserer Tochter den Wunsch einfach erfüllen."
    Knapp 60.000 Euro müsste die Familie für ein Medizin-Studium in Köln und Sofia bezahlen. Doch abgesehen von den hohen Gebühren, bleibt abzuwarten, ob der NC-freie Medizin-Campus eine Betriebsgenehmigung aus Bulgarien bekommen wird.