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Medizinerausbildung auf dem Prüfstand

Im Saarland machen jährlich etwa 250 Mediziner und Medizinerinnen ihren Abschluss. Damit liegt das Bundesland weit über dem, was es an medizinischem Nachwuchs benötigt. Ein Luxus, den sich das finanziell klamme Saarland nicht länger leisten sollte. So sehen das zumindest von der Landesregierung bestellte Gutachter.

Von Tonia Koch | 06.09.2011
    David Bardens studiert im zehnten Semester Humanmedizin und vertritt die Studierenden im Fakultätsrat. Er hat für die Vorschläge der Gutachter nur ein Kopfschütteln übrig.

    "Wir sind geschockt, dass darüber diskutiert wird. Ich finde, die medizinische Fakultät ist ja eigentlich was Essenzielles für die Region. Auch im Anbetracht des Ärztemangels ist es sehr kurssichtig zu sagen, wir schließen aus Kostengründen die medizinische Fakultät."

    32 Millionen Euro ließen sich nach Berechnungen der Gutachter jährlich einsparen, wenn das Saarland die Medizinerausbildung auf den westdeutschen Schnitt absenken würde. Weniger Studierende aber seien nicht gleichbedeutend mit weniger medizinischem Lehrpersonal, weil in die Struktur der medizinischen Fakultät nicht nach Belieben eingegriffen werden könne, argumentiert der Dekan, Professor Michael Menger. Bereits jetzt sei die medizinische Fakultät neben Greifswald und Halle eine der kleinsten in der deutschen Hochschullandschaft.

    "Wir haben jetzt schon für jedes Fach nur einen Fachvertreter und wir können natürlich nicht sagen, jetzt tun wir da die Hälfte weg und du hast als Medizinstudierender keine Neurologie mehr, kein Orthopädie, keine Krebsheilkunde, sondern eben nur noch einen Gynäkologen oder einen Physiologen etc., das heißt sie können das nicht beliebig klein schneiden."

    Die überschaubare Größenordnung habe ihre Vorteile, sagt David Bartens.

    "Das bedeutet, dass wir ein hervorragendes Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Professoren haben."

    Die Mindestanzahl an Studierenden, die von der medizinischen Fakultät nach der sogenannten Kapazitätsverordnung alljährlich aufgenommen werden müssen, liegt augenblicklich bei 295. Diese Zahl bemisst sich nach dem zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Personal. Das bedeutet, dass eine Verringerung der Studienanfänger also nur dann erreicht werden kann, wenn auch das medizinische Personal der Universitätsklinik reduziert wird. Es müsste daher in den laufenden Betrieb des Klinikums eingegriffen werden, um das Angebot an Medizinstudienplätzen einzuschränken. Das aber will der saarländische Wirtschaftsminister, der im Saarland gleichzeitig Wissenschaftsminister ist, auf keinen Fall. Christoph Hartmann:

    "Das Universitätsklinikum ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Wenn sie die Universitätsklinik des Saarlandes auf ein Kreiskrankenhaus herunterzoomen würden gewissermaßen, würden sie wahrscheinlich 2000 Mitarbeiter freisetzen müssen und 100 Millionen an Umsätzen verlieren."

    Eine Möglichkeit, die Finanzierung der medizinischen Fakultät sicher zu stellen, wären Ausgleichzahlungen der anderen Bundesländer, die im Saarland ausgebildete Mediziner aufnehmen, argumentiert Professor Menger.

    "Wenn wir für die anderen Bundesländer so viel Leistung bringen, ein Großteil der Mediziner fangen ja nicht im Saarland an, sondern irgendwo anders, dann wollen wir in Anführungsstrichen eine finanzielle Kompensation dafür haben."

    Der saarländische Wissenschaftsminister aber sucht nach anderen Wegen, wie er vor dem Hintergrund steigender Studierendenzahlen die Finanzierung seiner Hochschulen sichern kann, er setzt auf den Bund.

    "Ich glaube, dass wir nicht in der Lage sein werden, ohne eine Unterstützung des Bundes zusätzliche Studierende aufzunehmen. Will heißen, man kann sich überlegen, ob das Kooperationsverbot wieder aufgehoben wird, was meine Meinung ist, oder ob es zusätzliche Umsatzsteuerpunkte für die Hochschulen für die Bildung geben wird, was auch eine Möglichkeit wäre."

    Das bestehende Kooperationsverbot untersagt es der Bundesregierung, die Hochschulen direkt finanziell zu unterstützen, worüber die Hochschulrektoren alles andere als glücklich sind. Die Rektoren begrüßen daher Überlegungen des Bundes, das bestehende Kooperationsverbot dadurch zu unterlaufen, indem die Kosten für ausländische Studierende komplett von Berlin übernommen werden. Volker Linneweber, Präsident der Universität des Saarlandes:

    "Wir haben über 15 Prozent internationale Studierende. Und man kann die Vollkosten relativ leicht bestimmen, das sind etwa 10.000 Euro pro Student und Jahr."

    Bis 2013 sind die saarländischen Hochschulen finanziert. Wie es danach weiter gehen soll, wie das Profil der Hochschulen aussehen soll, wie viele Studienplätze angeboten werden können und wer was finanziert, weiß im Moment niemand. Erst im kommenden Jahr will der Minister Pläne vorlegen.