Dienstag, 23. April 2024

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Medizinstudium
"PJler werden als billige Helferlein auf Station gesehen"

Im Praktischen Jahr sollen angehende Ärzte ihr Handwerk lernen. Doch die Praxis sei ernüchternd, sagte der Medizinstudent Eric Twomey im Dlf. In einer Onlinepetition fordern die Studierenden mehr Geld - und Aufgaben, die über Routinetätigkeiten hinausgehen.

Eric Twomey im Gespräch mit Stephanie Gebert | 16.01.2019
    Medizinstudenten in der Berliner Charité während einer Übung in der "Simulierten Rettungsstelle".
    Faire Bedingungen für das praktische Jahr der Mediziner, das fordert die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (picture alliance / dpa-Zentralbild / Britta Pedersen )
    Stephanie Gebert: Das praktische Jahr gehört zum Medizinstudium wie das akademische Viertelstündchen zur Vorlesung. In diesen 48 Wochen sollen die angehenden Ärzte für den Alltag üben. Dafür werden sie an eine Klinik gehen und im Dienstplan eingesetzt. Zu oft aber sind die Bedingungen bei diesen PJs, wie die Mediziner ihr Praxisjahr abkürzen, nicht fair. Das jedenfalls bemängelt die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Sie heute zu einer bundesweiten Demo für bessere Bedingungen aufgerufen und eine Onlinepetition gestartet. Mitinitiator ist Eric Twomey, den wir im Krankenhaus erreichen. Ich grüße Sie!
    Eric Twomey: Hallo!
    Gebert: Wenn ich mir Ihren Forderungskatalog anschaue, da scheitert es für die PJler offenbar schon an ganz profanen Dingen wie einem eigenen Spind in der Klinik oder einem eigenen Zugang zum Computersystem.
    Twomey: Das ist richtig. Leider ist nicht immer alles gewährleistet. Natürlich ist das unterschiedlich von Station zu Station, aber Sie haben recht, ja.
    "PJler sollen mit BAföG-Höchstsatz entschädigt werden"
    Gebert: Handfester sind aber auch Forderungen, die Sie aufgestellt haben, neben dem Spind und dem Computersystem, nach mehr Geld.
    Twomey: Genau. Das ist richtig. Wir fordern in unserer Petition, dass alle PJler in ihrem PJ mit dem BAföG-Höchstsatz entschädigt werden. Das liegt daran, dass der BAföG-Satz ja so errechnet wird, dass er quasi existenzsichernd den Lebensunterhalt eines Studierenden sichern soll, und wir sind der Meinung, dass dieser Satz mindestens auch PJlern zur Verfügung gestellt werden sollte, damit diese sich dann vollumfänglich auf ihre Ausbildung konzentrieren können.
    Gebert: Momentan sind das 400 Euro, die Sie bekommen als PJler. Das reicht nicht aus.
    Twomey: Das ist in Göttingen der Fall und an einigen anderen Uniklinika. Das unterscheidet sich aber auch. Es gibt auch Unikliniken, die gar nichts zahlen, beispielsweise die Charité in Berlin oder die TU München. Das reicht natürlich nicht aus. Von so wenig Geld kann keiner leben, und wenn man 40 Stunden in der Woche arbeiten muss und sich dann parallel noch Nebentätigkeiten suchen muss, dann ist das natürlich sehr schwierig für alle Beteiligten.
    Nicht nur Haken halten und Blut abnehmen
    Gebert: Aber Sie sind ja schließlich noch Medizinstudent und als solcher auch eingesetzt. Im Studium bekommt man nun mal kein Geld.
    Twomey: Ja, das stimmt, das ist richtig, heißt ja aber nicht, dass es sich nicht ändern kann. Letztendlich arbeiten wir ja auch 40 Stunden die Woche auf Station. Wir nehmen Blut ab, legen Zugänge, halten Haken im OP, und aus unserer Sicht sollte diese Anstrengung, diese Arbeitsleistung auch vergütet werden.
    Gebert: Kommen wir mal zu diesen Tätigkeiten, die Sie gerade beschrieben haben. Ihre Kritik läuft auch darauf hinaus, dass Sie sagen, im praktischen Jahr werden Sie oftmals – und ich zitiere jetzt mal aus Ihrer Pressemitteilung: "für stumpfe Routinetätigkeiten wie Blutabnahme oder Botengänge eingesetzt". Ich frage mal ein bisschen ketzerisch: Sind Sie sich dafür zu schade?
    Twomey: Nein, keinesfalls. Das haben wir absichtlich so provokativ formuliert. Natürlich gehört das zur Ausbildung dazu, gar keine Frage, und diese Tätigkeiten müssen gemacht werden, die müssen von allen Ärzten und von auch Pflegern und auch den PJlern gleichermaßen getragen werden. Worum es uns geht, ist die Tatsache, dass es leider an vielen Ausbildungsstellen dazu führt, dass PJler nur für solche Tätigkeiten eingesetzt werden, als billige oder kostenlose Helferlein auf Station gesehen werden und ihnen eben nicht Dinge beigebracht werden, die sie eigentlich lernen sollen.
    Adäquat geführte Anamnesegespräche mit Patienten
    Gebert: Was wäre das denn zum Beispiel?
    Twomey: Na ja, es geht um Untersuchungstechniken, um ein adäquat geführtes Anamnesegespräch mit Patienten, all diese Dinge. Darin sollen wir ja geschult werden und nicht darin, wie man zum hundertsten oder tausendsten Mal Blut abnimmt. Das lässt sich recht schnell erlernen.
    Gebert: Muss man sowas allgemein verpflichtend regeln, oder kommt es nicht auch ein bisschen auf die jeweilige Situation, den Tag, die Patienten in den Kliniken an?
    Twomey: Ja, natürlich, gar keine Frage. Also wenn ich ein bestimmtes Krankheitsbild sehe als Stationsarzt oder Oberarzt und ich denke, okay, das könnte der PJler oder die PJlerin jetzt mal gut anhand dieses Patienten oder dieser Patientin erlernen, bietet sich das natürlich an, aber auch Dinge wie Seminare oder Nachbesprechung, sowas sollte auch grundlegend implementiert werden.
    Mindeststandards in den Kliniken gesetzlich regeln
    Gebert: Wenn wir uns mal die Entwicklungen anschauen in den vergangenen Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten: Es gibt im Internet inzwischen Seiten wie PJ-Ranking, auf denen Kliniken und Stationen bewertet werden. Hat sich da nicht in den letzten Jahren der Druck tatsächlich auch aufgebaut und damit einiges verbessert für Sie als PJler?
    Twomey: Nun gut, ich kann natürlich jetzt nur die letzten zwei, drei Jahre überblicken, in denen ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Da kann ich Ihnen schon recht geben, da gibt es einiges, was quasi von unten herauf die Kliniken miteinander vergleicht und dann damit natürlich auch in die Pflicht nimmt. Wünschenswert wäre es aus unserer Sicht, das Ganze auch gesetzlich zu regeln, zumindest ein paar Mindeststandards, die man erwarten können sollte, und alles andere darf dann sehr gerne der Markt regeln.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.