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Medizintechnik
MRT der Zukunft

Tumorbildungen oder Plaque-Ablagerungen entdecken Mediziner oft erst, wenn sie schon eine kritische Größe erreicht haben. Ein sensibleres bildgebendes Verfahren könnte die neue Xenon-Biosensoren-Methode bieten. Dessen Entwicklung ist in eine neue Phase getreten.

Von Peter Kaiser | 20.01.2014
    "Das ist eine verkleinerte Version eines klinischen MR-Tomografen. Und jetzt werden wir eine Messung starten, und dann ein kurzes, aber intensives Geräusch hören."
    Konzentriert tippt Leif Schröder ein paar Zahlen am Computer ein, dann startet die Messung. Im Inneren des Mini-MRT befindet sich eine Gewebeprobe aus lebenden Zellen.
    Schon seit geraumer Zeit arbeiten weltweit verschiedene Forschergruppen an besseren bildgebenden Verfahren für die medizinische Diagnostik. Im Fokus stehen dabei Weiterentwicklungen an Magnetresonanztomografen. Ziel ist es, von den derzeitigen grauen MRT-Gewebebildern zu hochauflösenden vielfarbigen Abbildungen zu kommen. Auf diese Weise sollen winzigste krankmachende Details zum Vorschein kommen. Am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin-Buch ist es dem Team um Leif Schröder nun gelungen, dieser Vision näher zu kommen.
    "Das Neue an diesem Schritt ist, dass wir hier das erste Mal die Biosensoren an lebenden Zellen getestet haben."
    Leif Schröders Biosensoren sind Moleküle, die maßgeschneidert für ein bestimmtes Zielmolekül hergestellt werden, von dem man weiß, dass es mit Krankheiten wie Krebs verbunden ist.
    "Und wir machen jetzt wie beim Schlüssel-Schloss-Prinzip ein entsprechendes Gegenstück, was an dieses Zielmolekül bindet, und dieses Gegenstück ist der sogenannte Biosensor."
    Der Test an den lebenden Zellen im MRT war zeitaufwendig und kompliziert. Stefan Klippel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am FMP - und maßgeblich an diesem Schritt beteiligt - beschreibt, was die Schwierigkeiten waren.
    "Das Komplizierte an dem Punkt war eigentlich, einen Versuchsaufbau zu entwickeln, mit dessen Hilfe man Zellen im MRT untersuchen kann. Weil man normalerweise das Problem hat, dass die die ganze Prozedur nicht lange überleben. Das heißt, wir haben sozusagen eine Art Bioreaktor entwickelt, und in dem Bioreaktor wurden die Zellen dann gezüchtet, und mit diesen neuen Biosensoren markiert. Und wir konnten das Verfahren zum ersten Mal auf der Grundlage dieses Aufbaus testen. Es ist immer noch eine Invitro-Anwendung an lebenden Zellen allerdings."
    Es wird noch dauern, aber bald wird ein Patient als ersten Schritt vor dem zukünftigen MRT-Screening das ungiftige Edelgas Xenon einatmen. Xenon kommt in der Atemluft vor, und wird in manchen Kliniken heute als nebenwirkungsfreies Narkosegas eingesetzt.
    "In unserem Fall wäre es allerdings so, dass wir eine Menge verabreichen würden, die unterhalb der Narkosewirkung liegen würde."
    Das Edelgas wird sich im Patientenkörper verteilen. Zeitgleich werden dem Patienten die Biosensoren injiziert, die nun zu den Krebszellen etwa oder Artherioskleroseplaques wandern, an die sie andocken werden. Hat der konventionelle MRT früher Wasserstoff-atome detektiert, so erkennt der mit der neuen Technik aufgerüstete MRT nun die Xenonatome, die ein stärkeres Signal liefern. Als hätte man ein Radio von Langwelle auf Kurzwelle geschaltet, empfängt eine Hochfrequenzantenne nun die Frequenzen der Xenonatome aus den Gewebeschichten. Weil diese sich je nach Zell- und Gewebetyp leicht unterscheiden, kann der Computer daraus ein farbiges Bild errechnen.
    "Der Aspekt mit den vielfarbigen Bildern zielt darauf ab, dass die Sensoren relativ empfindlich sind auf ihre molekulare oder zelluläre Umgebung. Wir konnten zum Beispiel auch in unseren Daten sehen, dass sich das Signal des Sensors ändert, wenn der sich außerhalb der Zelle befindet, und dann in die Zelle hineingeht. Dementsprechend wird man von der chemischen Synthese her die Sensoren so herstellen können, dass zum Beispiel ein Sensor auf eine bestimmte Krebsart bindet, und in der einen Farbe darstellbar ist, und ein anderer Sensor, der für andere Krebszellen zum Beispiel spezialisiert hergestellt wird, in einer anderen Farbe später dargestellt werden kann."
    Mit dem konventionellen MRT-Screening werden Tumore erst detektiert, wenn sie meistens schon aus rund einer Milliarde Zellen bestehen und somit einen Zentimeter groß sind. Mit der neuen Technik sieht man Krebsherde schon früher. Leif Schröder schätzt...
    "...so um die paartausend Zellen, das heißt also 1000 Mal sensitiver, als man das im Moment machen könnte."
    Die jetzt vollzogenen Tests an den lebenden Zellen lassen hoffen, dass das Xenon-Biosensoren-Verfahren bald einsetzbar sein wird. Als nächsten Schritt planen die Forscher Tests an Mäusen, das sogenannte Maus-Modell. Im weiteren Verlauf der Entwicklung wird eine Zusatzapparatur genügen, um gängige MRT-Scanner aufzurüsten. Die Vorteile von allem liegen auf der Hand: je eher ein Krankheitsherd erkannt wird, umso eher überlebt der Patient. Zudem wird die Behandlung billiger, weil effektiver therapiert werden kann.