Vor 1300 Jahren zu Ehren des Heiligen Michael gegründet, war der Ort mal Heimat einer Benediktinergemeinschaft, mal Pilgerstätte, mal Trutzburg gegen die benachbarten Engländer oder staatliches Gefängnis. Heute leben die Menschen vom Tourismus, von der küstennahen Landwirtschaft und der Muschel- und Austernzucht. Zu den Alltagssorgen gehört, dass die Bucht zu versanden droht. Der Mythos des meeresumspülten Felsenklosters steht auf dem Spiel. Ein weiterer Eingriff in die Kulturlandschaft schien geboten.
"Magischer Glaubensberg", "Pyramide des Abendlandes" - der Mont-Saint-Michel fasziniert von jeher Besucher und Betrachter. Den Blick auf die Küste der Normandie gerichtet, den Ärmelkanal im Rücken ragt die Insel empor. Keine 900 m Umfang hat der Granitfelsen, auf dem sich das Kloster zum Himmel reckt.
"Wie ein Pferd im Galopp, so rasend schnell" sei der Gezeitenwechsel schreibt Victor Hugo. Das Wasser zieht sich kilometerweit zurück, um mit Macht und viel Sediment zurückzukehren in die enge Bucht. Ein Tidenhub von bis zu 15 Metern macht die Felseninsel zu einem Faszinosum.
Naturschauspiel und Glaube gehen eine besondere Liaison ein in der Bucht des Mont-Saint-Michel. Hier soll der Bischof von Avranches vor 1.300 Jahren zunächst begriffsstutzig gewesen sein. Dreimal musste ihm der Erzengel Michael erscheinen, bis der Bischof glaubte, was er sah und bis er tat, wie ihm geheißen: Eine Kapelle zu errichten auf dem Felsen. Seit Glaube über Unglauben siegte, ist viel geschehen am Mont-Saint-Michel: Mal Benediktinerkloster, mal Trutzburg gegen englische Machtansprüche, mal Staatsgefängnis zu Zeiten der Revolution. Und immer: Magnet für Pilger und Touristen.
Die letzten drei Benediktiner sind fort gegangen, die "Bruderschaft zu Jerusalem" hat ihren Platz eingenommen. Ein junger Orden, der ganz bewusst belebte Orte sucht. Mit 3 Millionen Touristen jährlich erfüllt der Mont-Saint-Michel dieses Kriterium.
Bruder Francois kam, wie sie alle, durch die schmalen Gassen , den steilen Berg hinauf. Ein Tagestourist war er nicht, denn er blieb.
"Magischer Glaubensberg", "Pyramide des Abendlandes" - der Mont-Saint-Michel fasziniert von jeher Besucher und Betrachter. Den Blick auf die Küste der Normandie gerichtet, den Ärmelkanal im Rücken ragt die Insel empor. Keine 900 m Umfang hat der Granitfelsen, auf dem sich das Kloster zum Himmel reckt.
"Wie ein Pferd im Galopp, so rasend schnell" sei der Gezeitenwechsel schreibt Victor Hugo. Das Wasser zieht sich kilometerweit zurück, um mit Macht und viel Sediment zurückzukehren in die enge Bucht. Ein Tidenhub von bis zu 15 Metern macht die Felseninsel zu einem Faszinosum.
Naturschauspiel und Glaube gehen eine besondere Liaison ein in der Bucht des Mont-Saint-Michel. Hier soll der Bischof von Avranches vor 1.300 Jahren zunächst begriffsstutzig gewesen sein. Dreimal musste ihm der Erzengel Michael erscheinen, bis der Bischof glaubte, was er sah und bis er tat, wie ihm geheißen: Eine Kapelle zu errichten auf dem Felsen. Seit Glaube über Unglauben siegte, ist viel geschehen am Mont-Saint-Michel: Mal Benediktinerkloster, mal Trutzburg gegen englische Machtansprüche, mal Staatsgefängnis zu Zeiten der Revolution. Und immer: Magnet für Pilger und Touristen.
Die letzten drei Benediktiner sind fort gegangen, die "Bruderschaft zu Jerusalem" hat ihren Platz eingenommen. Ein junger Orden, der ganz bewusst belebte Orte sucht. Mit 3 Millionen Touristen jährlich erfüllt der Mont-Saint-Michel dieses Kriterium.
Bruder Francois kam, wie sie alle, durch die schmalen Gassen , den steilen Berg hinauf. Ein Tagestourist war er nicht, denn er blieb.
Klosterleben
Bei besonders starken Fluten reicht das Meer bis an die Granitfelsen, bis an die Befestigungsmauern und bis ans untere Stadttor, die "Porte d'Avancée". Durch dieses Tor kam Bruder Francois, als er vor sieben Jahren das Mutterhaus in Paris verließ, um am Mont-Saint-Michel eine Dependance seiner "Fraternités monastique de Jerusalem" einzurichten.
" Als ich ankam sah ich einen Finger, der zum Himmel zeigte. Ich spiele auf die goldene und spitz zulaufende Michaels-Figur an, die oben auf dem Dach der Abteikirche steht. Die zeigt nach oben und verdeutlicht, was für unsere Existenz grundlegend ist: unser Leben hier unten ist nicht das eigentliche Ziel. Unser Leben ist doch eigentlich Christus und Gott geweiht. "
Der 50-jährige Mönch und Priester trägt eine dunkle Kutte und Sandalen. Im Gesicht ein gestutzter Vollbart. Gemeinsam mit vier Brüdern richtet er sein Leben an zwei Polen aus:
" Wir haben die Vorstellung, dass das schönste Gesicht Gottes durch den Menschen sichtbar wird. Wir finden Gott inmitten der Menschen. So teilen wir unsere Tage auf: in Zeiten, in denen wir alleine, zurückgezogen leben und beten und in Zeiten, in denen wir uns den Menschen öffnen, hier ganz besonders bei den Gottesdiensten inmitten der Besuchermengen. "
Es ist kurz nach sieben Uhr. Prior Francois hat bereits die morgendliche Andacht besucht. Die Touristenmassen kommen erst in zwei Stunden. In der riesigen Klosteranlage ist es noch still und dunkel, die viele Säle sind zugeschlossen. In der Abtei ist Francois nur ein geduldeter Gast, die Zellen der Mönche liegen abgetrennt in einem engen Seitentrakt. Die Klosteranlage und die Abteikirche gehören dem Staat. In Frankreich verlaufen zwischen Kirche und Staat immer noch klare Grenzen.
Hinter der ersten wuchtigen Türe tastet sich Francois erst mal zum Lichtschalter vor. Im wahrsten Sinne des Wortes "auf Knopfdruck" offenbart sich eine unterirdische, vorromanische Krypta mit dicken Säulen. Unter uns der Fels, über uns auf drei Etagen die Abtei. Hier befand sich im 8. Jahrhundert der erste Gebetsraum überhaupt auf dem Mont-Saint-Michel - die Keimzelle des Felsenklosters.
Ein schmuckloses, breites Treppenhaus führt hinauf in den "Saal der Gäste". Die Benediktinermönche empfingen hier vom 13. Jahrhundert an Ritter und Adelige. In diesem Raum der Hochgotik scheint die Schwerkraft aufgehoben zu sein:
" Dieser Saal ist besonders schön. Zarte Säulen führen zu Kreuzrippengewölben. Durch hohe Fenster fällt anmutiges Licht. Ein Raum, in dem man sich wohl fühlt und durchatmen kann.
Im Mittelalter waren die Wände nicht so nackt wie heute. Sie waren mit Kalk verputzt und mit geometrischen Figuren bemalt. Und das alles mit lebhaften Farben, die so richtig reingeknallt haben.
Das entspricht so gar nicht dem Bild vom Mittelalter als strenger und schmuckloser Epoche, das uns das 19. Jahrhundert vermitteln wollte. "
Die Felseninsel bot wenig Grundfläche für einen ausladenden Bau. Am Mont-Saint-Michel strebt deshalb alles in die Höhe. Eben wie bei einer Pyramide. Genau über dem "Saal der Gäste", das Refektorium. Bruder Francois geht zielstrebig auf den offenen Kamin zu, der fast die gesamte Schmalseite des turnhallengroßen Saales einnimmt. Das Refektorium sei einer der wenigen Räume gewesen, der geheizt werden konnte, meint er. Kein Luxus in dieser zugigen Insellage, wenn man einigermaßen angenehm essen wollte:
" Heute sind die Mahlzeiten ja etwas sehr funktionelles geworden. Man nimmt halt Kalorien und Vitamine zu sich. Ganz anders noch bei den Mönchen: sie gedachten beim Essen der Schöpfung. Man nahm die Gaben des Herrn an und feierte dessen Großzügigkeit. Wichtig war auch, dass man gemeinsam das gleiche Essen zu sich nahm. Es war bezeichnend für das Klosterleben, dass alles zum festen Ritual wurde. "
Auf der obersten Ebene der Abtei etwa 100 Meter über dem Meeresspiegel liegen neben dem Refektorium auch die Abteikirche und der Kreuzgang. In der Kirche treffen sich Brüder und Schwestern dreimal am Tag zum Gottesdienst: zum Frühgebet, zur Mittagsmesse und zur abendlichen Vesper. Gottesdienste, die auch für Touristen offen sind. Im Kirchenschiff zeigt "Frère Francois" auf die Arkaden und kleinen Gewölbefenster, es sind die letzten romanischen Bauelemente. Der Chor ist nach Blitzeinschlägen und Bränden in spätgotischem Stil wieder aufgebaut worden.
Durch eine kleine Seitentür strebt der Padre von der Kirche zu seinem Lieblingsplatz: zum Kreuzgang. Der Rundgang rahmt eine Rasenfläche und einen Brunnen ein. Schmale Säulen verleihen dem Ort eine besondere Leichtigkeit. Hier möchte sich Francois hinsetzen. Der 50-Jährige, der als junger Mann als Werbekaufmann gearbeitet hat, kommt ins Nachdenken über sein außergewöhnliches Leben. Er hat auf manches bewusst verzichtet:
" Wir haben Armut gelobt. Manchmal wünsche ich mir schon, mehr in den Genuss des technischen Fortschritts zu kommen. Ich träume von einem eigenen Computer, um unabhängiger arbeiten zu können. Im Kloster muss ich ihn mit anderen Brüdern teilen.
Wir haben auch die Ehelosigkeit versprochen. Natürlich gibt es Momente, in denen der Verzicht auf Frau und Kinder schmerzt und es wird einem bewusst, auf was man verzichtet hat.
Aber wir finden Trost im gemeinsamen Leben mit den Brüdern, die auf das Gleiche verzichtet haben. Das gehört zum spirituellen Ringen des Mönches und ist normal.
" Wie eine Terrasse schwebt der Kreuzgang über der Klosteranlage. "Zwischen Himmel und Erde", schwärmt Francois über seinen Lieblingsplatz im Kloster. Eigentlich hätte dem offenen Kreuzgang noch ein geschlossener Kapitelsaal angefügt werden sollen, doch der Hundertjährige Krieg habe das verhindert. Zum Glück für heutige Zeitgenossen:
" Das führt dazu, dass die westliche Seite des Kreuzganges ins Leere führt und heute eine Glasfront ist. Dahinter sehen wir die ganze Bucht, die bretonische Küstenlinie und am Horizont regelmäßig bezaubernde Sonnenuntergänge. Das lädt uns zur Beschaulichkeit ein und lässt uns über die Schöpfung nachdenken, was auf dem Mont-Saint-Michel sehr wichtig ist. "
Zurückgezogen und doch mitten drin im Trubel der Gezeiten haben die Mönche des Mont-Saint-Michel von jeher gelebt. Zu den vornehmsten Aufgaben des mittelalterlichen Klosters zählte das Studieren, das Sammeln von religiösem und weltlichem Wissen. Die Buchkunst stand hoch im Kurs, die kostbarsten Bände sammelten sich in der Abtei. 4000 an der Zahl waren es als der Sturm der Revolution über die Bucht hinwegfegte, 200 handgeschriebene Kostbarkeiten darunter.
Diesen Schatz galt es zu schützen vor Feuer und Plünderung als das Kloster geschlossen wurde und der säkulare Arm um sich schlug. Und so wurden die Bücher vom Mont-Saint-Michel in den Umbruchmonaten am Ende des 18. Jahrhunderts in die nahe Bischofsstadt Avranches gebracht. Bis heute sind sie dort und zeugen von der künstlerischen und intellektuellen Kraft der Benediktiner.
" Als ich ankam sah ich einen Finger, der zum Himmel zeigte. Ich spiele auf die goldene und spitz zulaufende Michaels-Figur an, die oben auf dem Dach der Abteikirche steht. Die zeigt nach oben und verdeutlicht, was für unsere Existenz grundlegend ist: unser Leben hier unten ist nicht das eigentliche Ziel. Unser Leben ist doch eigentlich Christus und Gott geweiht. "
Der 50-jährige Mönch und Priester trägt eine dunkle Kutte und Sandalen. Im Gesicht ein gestutzter Vollbart. Gemeinsam mit vier Brüdern richtet er sein Leben an zwei Polen aus:
" Wir haben die Vorstellung, dass das schönste Gesicht Gottes durch den Menschen sichtbar wird. Wir finden Gott inmitten der Menschen. So teilen wir unsere Tage auf: in Zeiten, in denen wir alleine, zurückgezogen leben und beten und in Zeiten, in denen wir uns den Menschen öffnen, hier ganz besonders bei den Gottesdiensten inmitten der Besuchermengen. "
Es ist kurz nach sieben Uhr. Prior Francois hat bereits die morgendliche Andacht besucht. Die Touristenmassen kommen erst in zwei Stunden. In der riesigen Klosteranlage ist es noch still und dunkel, die viele Säle sind zugeschlossen. In der Abtei ist Francois nur ein geduldeter Gast, die Zellen der Mönche liegen abgetrennt in einem engen Seitentrakt. Die Klosteranlage und die Abteikirche gehören dem Staat. In Frankreich verlaufen zwischen Kirche und Staat immer noch klare Grenzen.
Hinter der ersten wuchtigen Türe tastet sich Francois erst mal zum Lichtschalter vor. Im wahrsten Sinne des Wortes "auf Knopfdruck" offenbart sich eine unterirdische, vorromanische Krypta mit dicken Säulen. Unter uns der Fels, über uns auf drei Etagen die Abtei. Hier befand sich im 8. Jahrhundert der erste Gebetsraum überhaupt auf dem Mont-Saint-Michel - die Keimzelle des Felsenklosters.
Ein schmuckloses, breites Treppenhaus führt hinauf in den "Saal der Gäste". Die Benediktinermönche empfingen hier vom 13. Jahrhundert an Ritter und Adelige. In diesem Raum der Hochgotik scheint die Schwerkraft aufgehoben zu sein:
" Dieser Saal ist besonders schön. Zarte Säulen führen zu Kreuzrippengewölben. Durch hohe Fenster fällt anmutiges Licht. Ein Raum, in dem man sich wohl fühlt und durchatmen kann.
Im Mittelalter waren die Wände nicht so nackt wie heute. Sie waren mit Kalk verputzt und mit geometrischen Figuren bemalt. Und das alles mit lebhaften Farben, die so richtig reingeknallt haben.
Das entspricht so gar nicht dem Bild vom Mittelalter als strenger und schmuckloser Epoche, das uns das 19. Jahrhundert vermitteln wollte. "
Die Felseninsel bot wenig Grundfläche für einen ausladenden Bau. Am Mont-Saint-Michel strebt deshalb alles in die Höhe. Eben wie bei einer Pyramide. Genau über dem "Saal der Gäste", das Refektorium. Bruder Francois geht zielstrebig auf den offenen Kamin zu, der fast die gesamte Schmalseite des turnhallengroßen Saales einnimmt. Das Refektorium sei einer der wenigen Räume gewesen, der geheizt werden konnte, meint er. Kein Luxus in dieser zugigen Insellage, wenn man einigermaßen angenehm essen wollte:
" Heute sind die Mahlzeiten ja etwas sehr funktionelles geworden. Man nimmt halt Kalorien und Vitamine zu sich. Ganz anders noch bei den Mönchen: sie gedachten beim Essen der Schöpfung. Man nahm die Gaben des Herrn an und feierte dessen Großzügigkeit. Wichtig war auch, dass man gemeinsam das gleiche Essen zu sich nahm. Es war bezeichnend für das Klosterleben, dass alles zum festen Ritual wurde. "
Auf der obersten Ebene der Abtei etwa 100 Meter über dem Meeresspiegel liegen neben dem Refektorium auch die Abteikirche und der Kreuzgang. In der Kirche treffen sich Brüder und Schwestern dreimal am Tag zum Gottesdienst: zum Frühgebet, zur Mittagsmesse und zur abendlichen Vesper. Gottesdienste, die auch für Touristen offen sind. Im Kirchenschiff zeigt "Frère Francois" auf die Arkaden und kleinen Gewölbefenster, es sind die letzten romanischen Bauelemente. Der Chor ist nach Blitzeinschlägen und Bränden in spätgotischem Stil wieder aufgebaut worden.
Durch eine kleine Seitentür strebt der Padre von der Kirche zu seinem Lieblingsplatz: zum Kreuzgang. Der Rundgang rahmt eine Rasenfläche und einen Brunnen ein. Schmale Säulen verleihen dem Ort eine besondere Leichtigkeit. Hier möchte sich Francois hinsetzen. Der 50-Jährige, der als junger Mann als Werbekaufmann gearbeitet hat, kommt ins Nachdenken über sein außergewöhnliches Leben. Er hat auf manches bewusst verzichtet:
" Wir haben Armut gelobt. Manchmal wünsche ich mir schon, mehr in den Genuss des technischen Fortschritts zu kommen. Ich träume von einem eigenen Computer, um unabhängiger arbeiten zu können. Im Kloster muss ich ihn mit anderen Brüdern teilen.
Wir haben auch die Ehelosigkeit versprochen. Natürlich gibt es Momente, in denen der Verzicht auf Frau und Kinder schmerzt und es wird einem bewusst, auf was man verzichtet hat.
Aber wir finden Trost im gemeinsamen Leben mit den Brüdern, die auf das Gleiche verzichtet haben. Das gehört zum spirituellen Ringen des Mönches und ist normal.
" Wie eine Terrasse schwebt der Kreuzgang über der Klosteranlage. "Zwischen Himmel und Erde", schwärmt Francois über seinen Lieblingsplatz im Kloster. Eigentlich hätte dem offenen Kreuzgang noch ein geschlossener Kapitelsaal angefügt werden sollen, doch der Hundertjährige Krieg habe das verhindert. Zum Glück für heutige Zeitgenossen:
" Das führt dazu, dass die westliche Seite des Kreuzganges ins Leere führt und heute eine Glasfront ist. Dahinter sehen wir die ganze Bucht, die bretonische Küstenlinie und am Horizont regelmäßig bezaubernde Sonnenuntergänge. Das lädt uns zur Beschaulichkeit ein und lässt uns über die Schöpfung nachdenken, was auf dem Mont-Saint-Michel sehr wichtig ist. "
Zurückgezogen und doch mitten drin im Trubel der Gezeiten haben die Mönche des Mont-Saint-Michel von jeher gelebt. Zu den vornehmsten Aufgaben des mittelalterlichen Klosters zählte das Studieren, das Sammeln von religiösem und weltlichem Wissen. Die Buchkunst stand hoch im Kurs, die kostbarsten Bände sammelten sich in der Abtei. 4000 an der Zahl waren es als der Sturm der Revolution über die Bucht hinwegfegte, 200 handgeschriebene Kostbarkeiten darunter.
Diesen Schatz galt es zu schützen vor Feuer und Plünderung als das Kloster geschlossen wurde und der säkulare Arm um sich schlug. Und so wurden die Bücher vom Mont-Saint-Michel in den Umbruchmonaten am Ende des 18. Jahrhunderts in die nahe Bischofsstadt Avranches gebracht. Bis heute sind sie dort und zeugen von der künstlerischen und intellektuellen Kraft der Benediktiner.
Avranches
Ganz hinten im Lesesaal der alten Bibliothek im Rathaus von Avranches führt ein schmaler Gang zu einer Türe. Drei Drehknöpfe und ein Handgriff weisen sie als Tresortür aus. Jean-Luc Leservoisier führt einen langbärtigen Schlüssel in das Schloss ein und dreht behutsam an einem der Drehknöpfe. Den Code für das Zahlenschloss hat der 60-jährige Konservator bestens im Kopf.
Ein Strahlen zieht sich über das Gesicht des zierlichen Mannes. Hier geht es zu "seinem Schatz", den er ein Berufsleben lang behütet und bearbeitet hat.
Der Platz in dem begehbaren Tresor-Raum reicht gerade, um sich einmal umzudrehen. In den Regalen lagern 200 Handschriften vom Mont-Saint-Michel. Manuskripte, die die dortigen Benediktiner selbst niedergeschrieben haben oder Geschenke aus anderen europäischen Klöstern.
" Viele dieser Handschriften haben sehr gelitten und befinden sich in einem schlechten Zustand. Sie erlebten wilde Geschichten, etwa den Transport vom Mont-Saint-Michel nach Avranches. Nachlässig in Koffern und Kisten verpackt waren sie der Feuchtigkeit, dem Wind und dem Salz ausgeliefert. Jetzt werden sie nach und nach restauriert."
In den Regalen steht ein speckiger Lederband neben dem anderen: jahrhundertealte Abschriften von Bibeln, Übersetzungen griechischer Philosophen ins Lateinische, Stundenbücher, aber auch wissenschaftliche Werke zur Geografie, Astronomie oder Medizin.
Jean-Luc Leservoisier hat sich dünne, weiße Handschuhe übergestreift. Behutsam und respektvoll blättert er die alten Pergament-Seiten. Sie sind aus Schafsleder und sehr empfindlich:
" Die Mönche hatten vertraglich verpflichtete Bauern, die Schafsherden hielten. Für ein handgeschriebenes Buch mit 400 großformatigen Seiten brauchten die Mönche etwas 100 Lederstücke. Die Benediktiner aßen zwar kein Schafsfleisch, das gaben sie vielleicht den armen Pilgern, aber sie brauchten das Leder! "
Leservoisier zieht eine Handschrift heraus, die in ihrer Größe an einem wuchtigen Atlas erinnert. Das "Cartulaire" aus dem 12. Jahrhundert. Eine Urkundensammlung, die die Besitztümer der Benediktinerabtei Mont-Saint-Michel auflistet:
" Die Originalurkunden sind am 6. Juni 1944 bei der Landung der Alliierten in Saint Lo verbrannt . Gott sei Dank haben wir diese uralte Abschrift. Das "Kartulaire" belegt die wirtschaftliche Bedeutung des Klosters, beinhaltet aber auch auf den ersten Seiten die wichtige Gründungsurkunde des Mont-Saint-Michel. Die Abtei wurde materiell immer gut durch die Herzöge der Normandie und der Bretagne versorgt, hatte Ländereien in beiden Regionen und sogar in England! "
Wenige Schritte vom Alten Rathaus entfernt hat Jean-Luc Leservoisier einen zweiten Arbeitsplatz , im modernen Museum "Scriptorial". Der Konservator stand Pate bei Aufbau und Konzeption des Handschriftenmuseums.
Vor allem, wenn er Kindern die alte Buchkunst beschreiben kann, ist er in seinem Element. Dann schlägt sein Herz höher.
Mit diesem Museum, das vor zwei Jahren eröffnet wurde, ist Leservoisiers Traum in Erfüllung gegangen: Die kulturhistorische Tradition des Mont-Saint-Michel und der ehemaligen Bischofsstadt Avranches auf moderne Art und Weise zu präsentieren.
Alte Geschichten, alte Bücher, geheimnisvolle Erinnerungen: Für die Kinder ist das faszinierend. Zum Schluss des Rundgangs führt der Hüter des Schatzes seine kleinen Gästen in eine verdunkelte Schatzkammer: auf 15 Originalhandschriften, die unter Panzerglas liegen, fallen gebündelte Lichtstrahlen. Der Konservator bleibt vor dem ältesten Werk der Mont-Saint-Michel-Bibliothek stehen. Drei Seiten aus einem Evangeliar, das im 8. Jahrhundert vom englischen Canterbury in die normannische Bucht gelangte.
"Das ist absolut faszinierend, denn das sind losgelöste Blätter aus einer abgenutzten Bibel, die eigentlich vor vielen Jahrhunderten entsorgt werden sollte. So wie man das eben mal mit alten Büchern macht. Diese Seiten überlebten, weil mit ihnen ein neuer Bucheinband ausgestopft wurde. Also purer Zufall, dass es sie noch gibt und sehr beeindruckend."
Und doch: Nur wenige Menschen führt der Weg nach Avranches. Gerade einmal 35.000 Besucher im ersten Jahr. Kein Vergleich zu den 3 Millionen Gästen, die jährlich zum Mont-Saint-Michel pilgern. Dabei erlaube das "Scriptorial" einen guten Einblick in die Mentalität und die Religion der Menschen in dieser Region, so Jean-Luc Leservoisier. Er wurde bei Avranches geboren und lebte die meiste Zeit in dieser Ecke:
" Als Kind musste ich mehrfach an den Pilgerwanderungen quer durch die Bucht zum Mont-Saint-Michel mitmachen. Ich wurde ja in einer kirchlichen Einrichtung erzogen. Avranches hing noch im 19. Jahrhundert sehr dem französischen Königtum an. Also bis zum heutigen Tag eine sehr konservative Ecke! "
Ein Landstrich, wo sich Gegensätze reiben und zwei Regionen berühren: ein tief verwurzelter Katholizismus einerseits und Laizismus andererseits, die Normandie und die Bretagne. Es sei ein ewiges Mit- und Gegeneinander dieser beiden "Stämme", meint Leservoisier schmunzelnd. Er muss es wissen, denn er ist als Normanne mit einer Bretonin verheiratet:
" Die Bewohner der Normandie gelten als vorsichtig, manchmal sogar als schüchtern. Aber sie pochen sehr auf ihr persönliches Recht, das hat schon der französische Schriftsteller Guy de Maupassant thematisiert. Wenn man ihnen nur eine Kleinigkeit wegnimmt, rennen sie gleich vor Gericht.
Die Bretonen dagegen lebten sehr viel länger in der Unabhängigkeit und gelten auch als fröhlicher. Die treffen sich gerne zum feiern und tanzen.
Aber sie stellen bei der Zentralregierung in Paris auch klarere Forderungen, manchmal jedoch übertreiben sie auch ein bisschen: sie sind wahnsinnig dickköpfig"
Fels, Kloster, Landschaft - die Anziehungskraft des Mont-Saint-Michel speist sich aus vielen Dingen. Und nicht nur die spirituelle Strahlkraft ist berühmt. So weltabgewandt das Klosterleben vormals war, so weltoffen zeigt sich heute die Tourismusbranche an diesem Ort.
Die Zahl der "Eingeborenen" am Mont-Saint-Michel liegt bei gerade 30. In der Ferienzeit kommen 1000 Kellner, Wattführer, Parkwächter und sonstige Saisonarbeiter dazu. Der Tourismus ist, neben der Landwirtschaft und der Austern- und Muschelzucht, der wichtigste Wirtschaftszweig an der normannischen Bucht. Am Mont-Saint-Michel sind es wenige Familien, die sich das ganz große Geschäft teilen.
Ein Strahlen zieht sich über das Gesicht des zierlichen Mannes. Hier geht es zu "seinem Schatz", den er ein Berufsleben lang behütet und bearbeitet hat.
Der Platz in dem begehbaren Tresor-Raum reicht gerade, um sich einmal umzudrehen. In den Regalen lagern 200 Handschriften vom Mont-Saint-Michel. Manuskripte, die die dortigen Benediktiner selbst niedergeschrieben haben oder Geschenke aus anderen europäischen Klöstern.
" Viele dieser Handschriften haben sehr gelitten und befinden sich in einem schlechten Zustand. Sie erlebten wilde Geschichten, etwa den Transport vom Mont-Saint-Michel nach Avranches. Nachlässig in Koffern und Kisten verpackt waren sie der Feuchtigkeit, dem Wind und dem Salz ausgeliefert. Jetzt werden sie nach und nach restauriert."
In den Regalen steht ein speckiger Lederband neben dem anderen: jahrhundertealte Abschriften von Bibeln, Übersetzungen griechischer Philosophen ins Lateinische, Stundenbücher, aber auch wissenschaftliche Werke zur Geografie, Astronomie oder Medizin.
Jean-Luc Leservoisier hat sich dünne, weiße Handschuhe übergestreift. Behutsam und respektvoll blättert er die alten Pergament-Seiten. Sie sind aus Schafsleder und sehr empfindlich:
" Die Mönche hatten vertraglich verpflichtete Bauern, die Schafsherden hielten. Für ein handgeschriebenes Buch mit 400 großformatigen Seiten brauchten die Mönche etwas 100 Lederstücke. Die Benediktiner aßen zwar kein Schafsfleisch, das gaben sie vielleicht den armen Pilgern, aber sie brauchten das Leder! "
Leservoisier zieht eine Handschrift heraus, die in ihrer Größe an einem wuchtigen Atlas erinnert. Das "Cartulaire" aus dem 12. Jahrhundert. Eine Urkundensammlung, die die Besitztümer der Benediktinerabtei Mont-Saint-Michel auflistet:
" Die Originalurkunden sind am 6. Juni 1944 bei der Landung der Alliierten in Saint Lo verbrannt . Gott sei Dank haben wir diese uralte Abschrift. Das "Kartulaire" belegt die wirtschaftliche Bedeutung des Klosters, beinhaltet aber auch auf den ersten Seiten die wichtige Gründungsurkunde des Mont-Saint-Michel. Die Abtei wurde materiell immer gut durch die Herzöge der Normandie und der Bretagne versorgt, hatte Ländereien in beiden Regionen und sogar in England! "
Wenige Schritte vom Alten Rathaus entfernt hat Jean-Luc Leservoisier einen zweiten Arbeitsplatz , im modernen Museum "Scriptorial". Der Konservator stand Pate bei Aufbau und Konzeption des Handschriftenmuseums.
Vor allem, wenn er Kindern die alte Buchkunst beschreiben kann, ist er in seinem Element. Dann schlägt sein Herz höher.
Mit diesem Museum, das vor zwei Jahren eröffnet wurde, ist Leservoisiers Traum in Erfüllung gegangen: Die kulturhistorische Tradition des Mont-Saint-Michel und der ehemaligen Bischofsstadt Avranches auf moderne Art und Weise zu präsentieren.
Alte Geschichten, alte Bücher, geheimnisvolle Erinnerungen: Für die Kinder ist das faszinierend. Zum Schluss des Rundgangs führt der Hüter des Schatzes seine kleinen Gästen in eine verdunkelte Schatzkammer: auf 15 Originalhandschriften, die unter Panzerglas liegen, fallen gebündelte Lichtstrahlen. Der Konservator bleibt vor dem ältesten Werk der Mont-Saint-Michel-Bibliothek stehen. Drei Seiten aus einem Evangeliar, das im 8. Jahrhundert vom englischen Canterbury in die normannische Bucht gelangte.
"Das ist absolut faszinierend, denn das sind losgelöste Blätter aus einer abgenutzten Bibel, die eigentlich vor vielen Jahrhunderten entsorgt werden sollte. So wie man das eben mal mit alten Büchern macht. Diese Seiten überlebten, weil mit ihnen ein neuer Bucheinband ausgestopft wurde. Also purer Zufall, dass es sie noch gibt und sehr beeindruckend."
Und doch: Nur wenige Menschen führt der Weg nach Avranches. Gerade einmal 35.000 Besucher im ersten Jahr. Kein Vergleich zu den 3 Millionen Gästen, die jährlich zum Mont-Saint-Michel pilgern. Dabei erlaube das "Scriptorial" einen guten Einblick in die Mentalität und die Religion der Menschen in dieser Region, so Jean-Luc Leservoisier. Er wurde bei Avranches geboren und lebte die meiste Zeit in dieser Ecke:
" Als Kind musste ich mehrfach an den Pilgerwanderungen quer durch die Bucht zum Mont-Saint-Michel mitmachen. Ich wurde ja in einer kirchlichen Einrichtung erzogen. Avranches hing noch im 19. Jahrhundert sehr dem französischen Königtum an. Also bis zum heutigen Tag eine sehr konservative Ecke! "
Ein Landstrich, wo sich Gegensätze reiben und zwei Regionen berühren: ein tief verwurzelter Katholizismus einerseits und Laizismus andererseits, die Normandie und die Bretagne. Es sei ein ewiges Mit- und Gegeneinander dieser beiden "Stämme", meint Leservoisier schmunzelnd. Er muss es wissen, denn er ist als Normanne mit einer Bretonin verheiratet:
" Die Bewohner der Normandie gelten als vorsichtig, manchmal sogar als schüchtern. Aber sie pochen sehr auf ihr persönliches Recht, das hat schon der französische Schriftsteller Guy de Maupassant thematisiert. Wenn man ihnen nur eine Kleinigkeit wegnimmt, rennen sie gleich vor Gericht.
Die Bretonen dagegen lebten sehr viel länger in der Unabhängigkeit und gelten auch als fröhlicher. Die treffen sich gerne zum feiern und tanzen.
Aber sie stellen bei der Zentralregierung in Paris auch klarere Forderungen, manchmal jedoch übertreiben sie auch ein bisschen: sie sind wahnsinnig dickköpfig"
Fels, Kloster, Landschaft - die Anziehungskraft des Mont-Saint-Michel speist sich aus vielen Dingen. Und nicht nur die spirituelle Strahlkraft ist berühmt. So weltabgewandt das Klosterleben vormals war, so weltoffen zeigt sich heute die Tourismusbranche an diesem Ort.
Die Zahl der "Eingeborenen" am Mont-Saint-Michel liegt bei gerade 30. In der Ferienzeit kommen 1000 Kellner, Wattführer, Parkwächter und sonstige Saisonarbeiter dazu. Der Tourismus ist, neben der Landwirtschaft und der Austern- und Muschelzucht, der wichtigste Wirtschaftszweig an der normannischen Bucht. Am Mont-Saint-Michel sind es wenige Familien, die sich das ganz große Geschäft teilen.
Mère Poulard
Die Touristen folgen der sich hinaufschlängelnden "Grande Rue", die eigentlich eine ganz enge Gasse ist. Sie führt hoch zur Abtei. Souvenirläden, Imbissbuden, Eisstände und Restaurants säumen den Weg. Das ganze Jahr über verkauft und rühmt man hier den Mont-Saint-Michel. Heiliges und Mittelalterliches geht über die Ladentheke: Plastikschwerter, Spielzeug-Ritter, Kitschfigürchen des Heiligen Michael.
Am Anfang dieser Konsummeile liegt das "Mère Poulard". An dieser Stelle noch sehr unscheinbar frisst sich dieses Hotel-Restaurant den ganzen Klosterberg hoch wie eine Krake.
Bei der Begrüßung hat Eric Vannier das Handy noch am Ohr, - ein vielbeschäftigter Mann. Er hat das renommierte "Mère Poulard" vor 20 Jahren aufgekauft.
Seither pflegt der 55-Jährige die Geschichte um die angeblich so rührige und gastfreundliche Anne Poulard, genannt "Mutter Poulard":
" Sie hat 50 Jahre ununterbrochen am Ofen verbracht. Ohne Urlaub, und die 35-Stunden-Woche hat es auch noch nicht gegeben. Sie hat 700 Kochrezepte zusammengetragen. Viele basieren auf dem berühmten Omelette. Das ist ja eigentlich ein einfaches Gericht, aber Anne Poulard hat es kombiniert: mit Gemüse, mit Fisch oder Fleisch, oder auch als Dessert. Mal mit Äpfeln oder Ananas, mal mit Calvados flambiert oder mit Schokolade überzogen. "
Mit dieser kleinen "Show" werden die Gäste, unter ihnen viele US-Amerikaner und Asiaten, am Eingang empfangen. Vor der offenen Küche schlägt ein Mitarbeiter den ganzen Abend lang in glänzenden Kupfertöpfen Teig fürs Omelette. Dahinter lodert ein offenes Feuer, in dem ein Teil der Eierkuchen gebacken wird. Das Ganze ist so recht nach dem Geschmack von Vannier: Event und Wohlfühlatmosphäre, das öffnet den Geldbeutel.
Der Geschäftsmann gibt sich mit offenem weißem Hemd, dunkelblauem Anzug, zurückgekämmtem dunklen Haar und Dreitagebart bewusst leger und weltgewandt. In einem der Speisesäle, die alle in dezentem Rot gehalten sind, bleibt er vor einer Wand stehen. Sie sind alle lückenlos mit Plakaten und eingerahmten Fotos berühmter Gäste behängt. Er rechnet die Zahl der Promis auf 3000 hoch.
" Unser Restaurant wurde von Margret Thatcher sehr geschätzt. Mitterrand war genauso hier wie der frühere Präsident Georges Clemenceau. Als Schriftsteller kann ich Hemingway erwähnen, bei den Malern Picasso. "
Eric Vannier kam in der Kleinstadt Pontorson gleich hinter den Poldern der Bucht auf die Welt. " Hier liegen die Wurzeln meiner Kindheit. Ich habe in der Bucht das Laufen und an der Nachbarinsel, dem "Mont Tombelaine", das Schwimmen gelernt. Hier habe ich 15 wichtige Jugendjahre verbracht. "
In Paris studierte er Politik und Jura. Er verdiente das erste Geld in der Industrie, kam zurück und investierte das Ersparte als junger Mann in ein kleines Restaurant auf dem Mont-Saint-Michel. Der Grundstein für ein beachtliches Imperium. Der Vater von vier Kindern, der in dritter Ehe verheiratet ist, macht keinen Hehl aus seinem geschäftlichen Erfolg.
" In diesen 30 Jahren habe ich ein zusammenhängendes Firmengefüge geschaffen: sieben Hotels und Restaurants, genau so viele Geschäftsläden und vier Museen. Allesamt auf dem Mont-Saint-Michel. Also alles rund um den Tourismus und die Gastronomie.
Das ist doch nicht schlecht gelaufen. "
Zusätzlich vermarktet Vannier von Paris aus unter der Marke "Mère Poulard" weltweit normannische Kekse, Honig, Fleischpasteten und Cidre. Von der französischen Hauptstadt aus dirigiert er seine Geschäfte, an der normannischen Bucht sucht er regelmäßig Bodenhaftung.
Bereits mit 30 Jahren hatten ihn die "Montois", die wenigen Einwohner der Klosterinsel, auch zum Bürgermeister gemacht. Bis zum Jahr 2001 bekleidete er dieses einflussreiche Ehrenamt. Nur eine Legislaturperiode lang musste er diese Aufgabe an einen lokalen Rivalen, der ebenfalls etliche Restaurants und Läden besitzt, abgeben. Seit den Kommunalwahlen im April ist Vannier auch wieder der politische Chef. Oligarchische Verhältnisse auf dieser Klosterinsel!
Der 55-Jährige spricht da lieber von "Wirtschaftsförderung":
" Der Mont-Saint-Michel ist ein wichtiges Instrument, um die regionale Wirtschaft zu stützen. Zu den Eintausend Beschäftigten AUF dem Mont-Saint-Michel kommen nochmals etliche Tausend im Hinterland.
Hier ist alles eine Frage des Gleichgewichts: zwischen der Natur, der reichen Geschichte, dem kulturellen Erbe, der Spiritualität und eben der Arbeit der Menschen. "
Der letzten Eiszeit sind der Ärmelkanal und die Bucht am Mont-Saint-Michel zu verdanken. Ebbe und Flut tanzen hier besonders wilde Tänze, das Meer zieht sich bis zu zehn Kilometer zurück, um mit aller Macht zurückzukehren. Aber mehr und mehr kommt der Felseninsel die Brandung abhanden. Die Gezeiten spülen viel Sand in die Bucht.
Das "Wunder des Abendlandes" sitzt auf dem Trockenen.
Vor zwei Jahren wurde ein Projekt in Gang gesetzt, das dem Felsen seinen maritimen Charme sichern soll. Ein Millionenvorhaben mit künstlicher Wasserspülung, Stauwehr und gefräßigen Stahlschaufeln.
Am Anfang dieser Konsummeile liegt das "Mère Poulard". An dieser Stelle noch sehr unscheinbar frisst sich dieses Hotel-Restaurant den ganzen Klosterberg hoch wie eine Krake.
Bei der Begrüßung hat Eric Vannier das Handy noch am Ohr, - ein vielbeschäftigter Mann. Er hat das renommierte "Mère Poulard" vor 20 Jahren aufgekauft.
Seither pflegt der 55-Jährige die Geschichte um die angeblich so rührige und gastfreundliche Anne Poulard, genannt "Mutter Poulard":
" Sie hat 50 Jahre ununterbrochen am Ofen verbracht. Ohne Urlaub, und die 35-Stunden-Woche hat es auch noch nicht gegeben. Sie hat 700 Kochrezepte zusammengetragen. Viele basieren auf dem berühmten Omelette. Das ist ja eigentlich ein einfaches Gericht, aber Anne Poulard hat es kombiniert: mit Gemüse, mit Fisch oder Fleisch, oder auch als Dessert. Mal mit Äpfeln oder Ananas, mal mit Calvados flambiert oder mit Schokolade überzogen. "
Mit dieser kleinen "Show" werden die Gäste, unter ihnen viele US-Amerikaner und Asiaten, am Eingang empfangen. Vor der offenen Küche schlägt ein Mitarbeiter den ganzen Abend lang in glänzenden Kupfertöpfen Teig fürs Omelette. Dahinter lodert ein offenes Feuer, in dem ein Teil der Eierkuchen gebacken wird. Das Ganze ist so recht nach dem Geschmack von Vannier: Event und Wohlfühlatmosphäre, das öffnet den Geldbeutel.
Der Geschäftsmann gibt sich mit offenem weißem Hemd, dunkelblauem Anzug, zurückgekämmtem dunklen Haar und Dreitagebart bewusst leger und weltgewandt. In einem der Speisesäle, die alle in dezentem Rot gehalten sind, bleibt er vor einer Wand stehen. Sie sind alle lückenlos mit Plakaten und eingerahmten Fotos berühmter Gäste behängt. Er rechnet die Zahl der Promis auf 3000 hoch.
" Unser Restaurant wurde von Margret Thatcher sehr geschätzt. Mitterrand war genauso hier wie der frühere Präsident Georges Clemenceau. Als Schriftsteller kann ich Hemingway erwähnen, bei den Malern Picasso. "
Eric Vannier kam in der Kleinstadt Pontorson gleich hinter den Poldern der Bucht auf die Welt. " Hier liegen die Wurzeln meiner Kindheit. Ich habe in der Bucht das Laufen und an der Nachbarinsel, dem "Mont Tombelaine", das Schwimmen gelernt. Hier habe ich 15 wichtige Jugendjahre verbracht. "
In Paris studierte er Politik und Jura. Er verdiente das erste Geld in der Industrie, kam zurück und investierte das Ersparte als junger Mann in ein kleines Restaurant auf dem Mont-Saint-Michel. Der Grundstein für ein beachtliches Imperium. Der Vater von vier Kindern, der in dritter Ehe verheiratet ist, macht keinen Hehl aus seinem geschäftlichen Erfolg.
" In diesen 30 Jahren habe ich ein zusammenhängendes Firmengefüge geschaffen: sieben Hotels und Restaurants, genau so viele Geschäftsläden und vier Museen. Allesamt auf dem Mont-Saint-Michel. Also alles rund um den Tourismus und die Gastronomie.
Das ist doch nicht schlecht gelaufen. "
Zusätzlich vermarktet Vannier von Paris aus unter der Marke "Mère Poulard" weltweit normannische Kekse, Honig, Fleischpasteten und Cidre. Von der französischen Hauptstadt aus dirigiert er seine Geschäfte, an der normannischen Bucht sucht er regelmäßig Bodenhaftung.
Bereits mit 30 Jahren hatten ihn die "Montois", die wenigen Einwohner der Klosterinsel, auch zum Bürgermeister gemacht. Bis zum Jahr 2001 bekleidete er dieses einflussreiche Ehrenamt. Nur eine Legislaturperiode lang musste er diese Aufgabe an einen lokalen Rivalen, der ebenfalls etliche Restaurants und Läden besitzt, abgeben. Seit den Kommunalwahlen im April ist Vannier auch wieder der politische Chef. Oligarchische Verhältnisse auf dieser Klosterinsel!
Der 55-Jährige spricht da lieber von "Wirtschaftsförderung":
" Der Mont-Saint-Michel ist ein wichtiges Instrument, um die regionale Wirtschaft zu stützen. Zu den Eintausend Beschäftigten AUF dem Mont-Saint-Michel kommen nochmals etliche Tausend im Hinterland.
Hier ist alles eine Frage des Gleichgewichts: zwischen der Natur, der reichen Geschichte, dem kulturellen Erbe, der Spiritualität und eben der Arbeit der Menschen. "
Der letzten Eiszeit sind der Ärmelkanal und die Bucht am Mont-Saint-Michel zu verdanken. Ebbe und Flut tanzen hier besonders wilde Tänze, das Meer zieht sich bis zu zehn Kilometer zurück, um mit aller Macht zurückzukehren. Aber mehr und mehr kommt der Felseninsel die Brandung abhanden. Die Gezeiten spülen viel Sand in die Bucht.
Das "Wunder des Abendlandes" sitzt auf dem Trockenen.
Vor zwei Jahren wurde ein Projekt in Gang gesetzt, das dem Felsen seinen maritimen Charme sichern soll. Ein Millionenvorhaben mit künstlicher Wasserspülung, Stauwehr und gefräßigen Stahlschaufeln.
Entsandungsprojekt
Über diesen Fahrdamm, der das Festland mit der Klosterinsel verbindet, ist auch Bruno Legendre vor über 20 Jahren gefahren worden. Damals noch ein Kind hat er zum ersten Mal zusammen mit seinen Eltern den Mont-Saint-Michel besucht.
Solange schon kennt der heute 31-jährige Ingenieur die "Pyramide des Abendlandes" schon.
" Ich habe den Mont-Saint-Michel wie viele andere auch schon als Kind mit meinen Eltern kennen gelernt. Wir besuchten ihn in den Sommerferien und ich war beeindruckt von dem außergewöhnlichen Ort.
Als Jugendlicher war ich nicht mehr hier. Aber als dieses Bauprojekt ausgeschrieben und kompetente Leute gesucht wurde, sagte ich mir: für dieses technische Abenteuer lohnt es sich, in diese schöne Region umzuziehen. "
So zog er mit Frau und Kinder aus dem Loiretal an den Ärmelkanal. Der smarte Ingenieur ist als Sprecher der Bauträgergesellschaft eingestellt worden, die mit ihrem Projekt der Versandung der Bucht Einhalt gebieten will. In diesem Konsortium haben sich die Regionen Normandie und Bretagne, sowie die angrenzenden Departements und Gemeinden zusammengeschlossen. Jetzt gehört es zu Legendres Aufgaben, das Millionenprojekt der Öffentlichkeit zu erklären.
Am besten geht das derzeit von der Baustelle am Flüsschen Cuesnon aus. Drei Baukräne schieben sich in die Postkartensicht zum Mont-Saint-Michel. Darunter frisst sich eine tiefe Baugrube in das Flussbett des Cuesnon. Er ist einer von drei Flüssen, die in die Bucht münden. Für das neue Stauwehr werden einsehbare Kammern mit riesigen, drehbaren Stahlschaufeln eingebaut. Sie werden künftig das Hin- und Her von Fluss- und Meereswasser regulieren.
" Dieses soll das Meereswasser, das die Flut mit sich führt, speichern. Nach der Flut, wenn sich das Meer zurückzieht, werden die Schleusentore geöffnet, um so mit dem aufgestauten Wasser nachzuspülen. Nach jeder Flut, also zweimal am Tag, 700 Mal im Jahr, kann sich der Cuesnon mit größerer Kraft in die Bucht ergießen und so auch den Mont-Saint-Michel befreien. "
Eine Toilettenspülung im Großformat!
Für den jungen Ingenieur gleicht das vor zwei Jahren begonnene Projekt einer Rettungsaktion. Zu dem Stauwehr kommen drei weitere Elemente, die das Meer rund um den küstennahen Mont-Saint-Michel wieder in Schwung bringen sollen. Der feste Fahrdamm zur Insel kommt weg und wird durch eine filigrane Brücke ersetzt. Entlang des Cuesnon entsteht ein weiträumiges Rückhaltegebiet. Und geparkt wird in ein paar Jahren nicht mehr am Fuß des Klosterberges, sondern an der Küste unweit des neuen Stauwehrs.
Noch sprießen hier Kopfsalate und Getreidehalme. , wächst Getreide. In wenigen Jahren werden bis zu 4000 Autos und Wohnmobile die Polderfläche zustellen.
Bruno Legendre verspricht sich von dem neuen Parkgelände vor allem das Ende der kilometerlangen Staus, die es derzeit noch auf dem Zufahrts-Damm zur Insel gibt. Keine Blechlawine verschandele dann mehr den Blick auf Inseldorf und Abtei.
Mit Büschen und künstlichen Deichen werde das Terrain versteckt und in die Landschaft eingefügt.
" Wir möchten die Besucher dazu bringen, am besten zu Fuß ganz entspannt zur Klosterinsel zu laufen, um so den Mont-Saint-Michel auf sich wirken zu lassen. Für die anderen wird auf der 2,5 km langen Strecke vom Parkplatz zur Insel ein Pendelverkehr eingerichtet. "
Eine perfekte Touristenlenkung.
Der französische Staat lässt sich dieses auf der Welt einmalige Entsandungsprojekt 200 Millionen Euro kosten. Die Europäische Union finanziert mit.
Das Ziel: Bis spätestens 2020 soll sich der Meeresboden entlang der Klosterinsel um fast einen Meter absenken. Wenn das Meer heutzutage den Mont-Saint-Michel nur an 50 Tagen umspült, soll das in Zukunft wieder an 150 Tagen im Jahr der Fall sein.
"Wir möchten damit die Anziehungskraft des Klosterfelsen sichern", begründet Bruno Legendre den neuerlichen Eingriff des Menschen in das Gezeitenspiel an der normannischen Bucht. Immerhin kommen an Spitzentagen bis zu 30.000 Gäste.
Legendre, der mit der ganzen Familie an die Küste gezogen ist, verzichtet an solchen Tagen auf einen privaten Ausflug am Mont-Saint-Michel. Wenn er mit Frau und seinen beiden Kindern mal zur Abtei hochsteigen will, wählt er besucherarme Zeiten:
" Man trifft vielleicht mal auf einen der wenigen Einwohner oder die Leute der Bruderschaft, den Bürgermeister oder einen Gastwirt. Die bilden schon ein eigenes "Völkchen". Ende Februar, Anfang März, wenn die Tage etwas länger werden, ist es besonders schön, und man erlebt die Einsamkeit, eine Umgebung, die mich alles andere vergessen lässt. Das ist angenehm und es entspannt."
Oben auf dem Felsen die alte Klosteranlage, unten im Meer junge Fische. Zweimal am Tag spült die Flut frisches Plankton und allerlei kleines Meeresgetier in diese Kinderstube für Fische, die hier ihre erste Lebensphase verbringen, bevor es ins offene Meer geht. Dadurch ist das Wasser in der Bucht besonders nährstoffreich.
30 Kilometer westlich vom Mont-Saint-Michel liegt "Le Vivier-sur-Mer", bereits auf bretonischem Territorium. 70 kleine Firmen züchten hier qualitätsgeprüfte Schalentiere, etwa ein Fünftel aller französischen Miesmuscheln stammt aus dieser Gegend.
An Holzstämmen aufgezogen prägen sie in langen Reihen die Wattlandschaft. Anderthalb Jahre wird die Muschel gepflegt, bis sie ihren Weg in die Küche findet.
Solange schon kennt der heute 31-jährige Ingenieur die "Pyramide des Abendlandes" schon.
" Ich habe den Mont-Saint-Michel wie viele andere auch schon als Kind mit meinen Eltern kennen gelernt. Wir besuchten ihn in den Sommerferien und ich war beeindruckt von dem außergewöhnlichen Ort.
Als Jugendlicher war ich nicht mehr hier. Aber als dieses Bauprojekt ausgeschrieben und kompetente Leute gesucht wurde, sagte ich mir: für dieses technische Abenteuer lohnt es sich, in diese schöne Region umzuziehen. "
So zog er mit Frau und Kinder aus dem Loiretal an den Ärmelkanal. Der smarte Ingenieur ist als Sprecher der Bauträgergesellschaft eingestellt worden, die mit ihrem Projekt der Versandung der Bucht Einhalt gebieten will. In diesem Konsortium haben sich die Regionen Normandie und Bretagne, sowie die angrenzenden Departements und Gemeinden zusammengeschlossen. Jetzt gehört es zu Legendres Aufgaben, das Millionenprojekt der Öffentlichkeit zu erklären.
Am besten geht das derzeit von der Baustelle am Flüsschen Cuesnon aus. Drei Baukräne schieben sich in die Postkartensicht zum Mont-Saint-Michel. Darunter frisst sich eine tiefe Baugrube in das Flussbett des Cuesnon. Er ist einer von drei Flüssen, die in die Bucht münden. Für das neue Stauwehr werden einsehbare Kammern mit riesigen, drehbaren Stahlschaufeln eingebaut. Sie werden künftig das Hin- und Her von Fluss- und Meereswasser regulieren.
" Dieses soll das Meereswasser, das die Flut mit sich führt, speichern. Nach der Flut, wenn sich das Meer zurückzieht, werden die Schleusentore geöffnet, um so mit dem aufgestauten Wasser nachzuspülen. Nach jeder Flut, also zweimal am Tag, 700 Mal im Jahr, kann sich der Cuesnon mit größerer Kraft in die Bucht ergießen und so auch den Mont-Saint-Michel befreien. "
Eine Toilettenspülung im Großformat!
Für den jungen Ingenieur gleicht das vor zwei Jahren begonnene Projekt einer Rettungsaktion. Zu dem Stauwehr kommen drei weitere Elemente, die das Meer rund um den küstennahen Mont-Saint-Michel wieder in Schwung bringen sollen. Der feste Fahrdamm zur Insel kommt weg und wird durch eine filigrane Brücke ersetzt. Entlang des Cuesnon entsteht ein weiträumiges Rückhaltegebiet. Und geparkt wird in ein paar Jahren nicht mehr am Fuß des Klosterberges, sondern an der Küste unweit des neuen Stauwehrs.
Noch sprießen hier Kopfsalate und Getreidehalme. , wächst Getreide. In wenigen Jahren werden bis zu 4000 Autos und Wohnmobile die Polderfläche zustellen.
Bruno Legendre verspricht sich von dem neuen Parkgelände vor allem das Ende der kilometerlangen Staus, die es derzeit noch auf dem Zufahrts-Damm zur Insel gibt. Keine Blechlawine verschandele dann mehr den Blick auf Inseldorf und Abtei.
Mit Büschen und künstlichen Deichen werde das Terrain versteckt und in die Landschaft eingefügt.
" Wir möchten die Besucher dazu bringen, am besten zu Fuß ganz entspannt zur Klosterinsel zu laufen, um so den Mont-Saint-Michel auf sich wirken zu lassen. Für die anderen wird auf der 2,5 km langen Strecke vom Parkplatz zur Insel ein Pendelverkehr eingerichtet. "
Eine perfekte Touristenlenkung.
Der französische Staat lässt sich dieses auf der Welt einmalige Entsandungsprojekt 200 Millionen Euro kosten. Die Europäische Union finanziert mit.
Das Ziel: Bis spätestens 2020 soll sich der Meeresboden entlang der Klosterinsel um fast einen Meter absenken. Wenn das Meer heutzutage den Mont-Saint-Michel nur an 50 Tagen umspült, soll das in Zukunft wieder an 150 Tagen im Jahr der Fall sein.
"Wir möchten damit die Anziehungskraft des Klosterfelsen sichern", begründet Bruno Legendre den neuerlichen Eingriff des Menschen in das Gezeitenspiel an der normannischen Bucht. Immerhin kommen an Spitzentagen bis zu 30.000 Gäste.
Legendre, der mit der ganzen Familie an die Küste gezogen ist, verzichtet an solchen Tagen auf einen privaten Ausflug am Mont-Saint-Michel. Wenn er mit Frau und seinen beiden Kindern mal zur Abtei hochsteigen will, wählt er besucherarme Zeiten:
" Man trifft vielleicht mal auf einen der wenigen Einwohner oder die Leute der Bruderschaft, den Bürgermeister oder einen Gastwirt. Die bilden schon ein eigenes "Völkchen". Ende Februar, Anfang März, wenn die Tage etwas länger werden, ist es besonders schön, und man erlebt die Einsamkeit, eine Umgebung, die mich alles andere vergessen lässt. Das ist angenehm und es entspannt."
Oben auf dem Felsen die alte Klosteranlage, unten im Meer junge Fische. Zweimal am Tag spült die Flut frisches Plankton und allerlei kleines Meeresgetier in diese Kinderstube für Fische, die hier ihre erste Lebensphase verbringen, bevor es ins offene Meer geht. Dadurch ist das Wasser in der Bucht besonders nährstoffreich.
30 Kilometer westlich vom Mont-Saint-Michel liegt "Le Vivier-sur-Mer", bereits auf bretonischem Territorium. 70 kleine Firmen züchten hier qualitätsgeprüfte Schalentiere, etwa ein Fünftel aller französischen Miesmuscheln stammt aus dieser Gegend.
An Holzstämmen aufgezogen prägen sie in langen Reihen die Wattlandschaft. Anderthalb Jahre wird die Muschel gepflegt, bis sie ihren Weg in die Küche findet.
Muschelzüchter
Das gegerbte Gesicht von Alain Chevalier verrät viel über seinen Beruf: Meist schuftet der drahtige Mann draußen in der Bucht, um den Muschelpark zu pflegen. "Wir sind die Bauern der Bucht", meint der 60-Jährige. Die Jahreszeiten und vor allem die Meeresgezeiten bestimmen, wann und was gearbeitet wird. Das Wetter spielt kaum eine, der Lustfaktor gar keine Rolle.
Alain Chevalier, sein jüngerer Sohn Geoffroy und ein Mitarbeiter haben auf dem Firmengelände an der Küste eine kleine Barkasse bestiegen. Das Boot hängt noch im Schlepptau eines Traktors. Dann geht's los....Jetzt bei fallendem Meeresspiegel brettert das Gefährt über den feuchten Sand.
Der Traktor wagt sich so weit ins flache Meer, bis die profilstarken Reifen zur Hälfte im Wasser eingetaucht sind:
" Jetzt setzen wir das kleine Aluminiumboot ins Wasser, damit wir zu unseren konzessionierten Muschelgebieten in die Bucht fahren können. Der Traktor wartet hier auf uns. Wenn das Meer wieder ansteigt, kommen wir wieder her, um zurück in den Hafen zu fahren. "
Alain Chevalier steuert im Stehen das offene Motorboot und blickt über die Wasseroberfläche. Der Fahrtwind pfeift, alle ziehen ihre Mützen und Kappen tiefer. Höchstens zwei Meter Wasser liegen unter der Barkasse. Links und rechts Tausende von Holzpfählen mit Muscheln, sagt Chevalier. Nur sehen kann man sie noch nicht. Das Meer ist noch zu hoch.
Es sei ein Wettlauf mit den Gezeiten. Man brauche das fallende Wasser, um noch rauszukommen, die Ebbe um an den Muschelbänken zu arbeiten. Heute bleiben dafür gerade mal drei Stunden.
Die Flut bringe regelmäßig frische Nahrung für die Muscheln mit:
" Zum einen das Plankton, das von der offenen See kommt und auf das die Muscheln ganz gierig sind.
Außergewöhnlich in der Bucht ist außerdem , dass bei den hohen Fluten zusätzlich ein Wiesenstreifen an der Küste überschwemmt wird. Von dort nimmt das Wasser winzige Zweizeller mit. Die Muscheln filtern sich die besonders gerne aus dem Wasser. "
Nach einer Stunde erreicht das Boot die Parzellen, die Alain und seinem Bruder Patrick gehören.
70 Züchter haben in der Bucht ihre Plätze.
Jetzt gibt das fallende Meer bereits ein paar Zentimeter der Pfähle frei. Fein aufgereiht wie in einer Obstplantage kommen sie zum Vorschein. Fünf Meter lang sind die Stäbe, von denen jetzt erst einmal die Hälse zu sehen sind. Mit einer Hälfte stecken sie tief im Meeresboden, die andere Hälfte ragt ins Wasser oder bei Ebbe in die frische Luft.
Um die Stämme sind dicke Pakete mit jungen Muscheln gewickelt und festgenagelt.
Vom Boot aus stülpt die Besatzung jedem einzelnen Muschelpaket mit Hilfe eines Metallgestänges ein Kunststoffnetz über. Das hält sie zusammen, wenn bei Niedrigwasser ein Sturm über die Bucht und die freistehenden Stämme fegt.
"Auf jedem Pfahl reifen etwa 60 Kilo Miesmuscheln heran", sagt Alain Chevalier während seine Hände flink und geschickt arbeiten.
Im Juli beginne in der Regel die Ernte:
" Die Muscheln muss mindestens vier Zentimeter groß sein. Der Anteil des Muschelfleisches am Gesamtgewicht muss 26 Prozent betragen.
Im Februar werden die Bedingungen für hochwertige Muschel dann nicht mehr erfüllt und wir hören mit der Ernte auf.
Dann geben die Muscheln nämlich ihre Eizellen ab und leeren sich. Es bleibt vom Inneren nichts mehr übrig, und wir können sie nicht mehr vermarkten. "
Vor der Ernte reifen die Muscheln über ein Jahr lang. Zunächst an waagrechten Seilen, später an aufrechten Stämmen.
Mittlerweile ist das Meer so weit gesunken, dass das Boot aufzuliegen droht. Alain Chevalier und seine Männer steigen mit ihren Gummihosen, die von der Zehenspitze bis zur Brust reichen, in das hüfthohe, 13 Grad kalte Wasser. Sie waten von Pfahl zu Pfahl und ziehen von Hand die Schutznetze nach unten. Die Sonne ist zu dieser Mittagsstunde durch die Wolken gebrochen, und die Muschelzüchter legen ihre Arbeitsjacken ab.
Bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts galt die Atlantikküste um La Rochelle und um die Ile d'Oleron als wichtigste Muschelgegend Frankreichs. Als ein gefährlicher Wurm die ganze Ernte zunichte machte, war der Wirtschaftszweig dort komplett bedroht.
So zog auch der Vater von Alain mit etlichen anderen Familien von der Charente, der alten Muschelgegend, nach Le-Vivier-sur-Mer. Meeresforscher hatten die Bucht am Mont-Saint-Michel als Ausweichstandort für die Aufzucht der Krustentiere empfohlen.
" Wir waren gezwungen, in dieser Bucht neu anzufangen. Da gab's noch gar keine Muschelzucht. Wir sind "adoptierte Bretonen". In der Charente nennt man uns Bretonen, und hier sind wir immer noch die Leute aus der Charente. Also doch ein bisschen heimatlos.
Bevor wir kamen, lebten in Le-Vivier gerade mal 400 Menschen. Mittlerweile sind es 1.100, die alle direkt von der Muschelzucht leben. "
Egal, ob in der Charente oder in der Normandie: die Muschelzucht ist Familienarbeit geblieben. "So wie in der Landwirtschaft", meint Alain Chevalier, der jetzt in der fünften Generation Muscheln produziert. Sein 16-jähriger Sohn Geoffroy soll gemeinsam mit seinem Bruder Jean den Betrieb einmal übernehmen.
Geoffroy macht im nahen Saint-Malo bald ein Fachabitur. Ihm gefällt der Beruf des Muschelzüchters.
" Da kann ich in der Natur arbeiten und das Werk fortsetzen, das mein Vater und mein Onkel begonnen haben. Je älter ich werde, desto mehr sehe ich, wie riskant, aber auch schön diese Aufgabe ist. Für mich der beste Beruf! "
Nach vier Stunden hat der Traktor die Crew und das Alu-Boot wieder in die Werkshalle geschleppt. Hier werden in den Erntemonaten die Muscheln sortiert, geprüft, verpackt und versandt.
Hungrig von der Arbeit beißt Chevalier in ein dickes, belegtes Baguette und öffnet eine Bierdose. Ober er denn auch noch Muscheln genießen könne? Selbstverständlich, meint der 60-Jährige. Er bevorzuge die einfache Zubereitung, "nature" eben:
" Dazu nur ein Blättchen Lorbeer, ein bisschen Knoblauch, einen Tropfen Weißwein, und dann wartet man, bis sie im heißen Topf im eigenen Saft aufspringen. Dann schmecken sie super. "
Alain Chevalier, sein jüngerer Sohn Geoffroy und ein Mitarbeiter haben auf dem Firmengelände an der Küste eine kleine Barkasse bestiegen. Das Boot hängt noch im Schlepptau eines Traktors. Dann geht's los....Jetzt bei fallendem Meeresspiegel brettert das Gefährt über den feuchten Sand.
Der Traktor wagt sich so weit ins flache Meer, bis die profilstarken Reifen zur Hälfte im Wasser eingetaucht sind:
" Jetzt setzen wir das kleine Aluminiumboot ins Wasser, damit wir zu unseren konzessionierten Muschelgebieten in die Bucht fahren können. Der Traktor wartet hier auf uns. Wenn das Meer wieder ansteigt, kommen wir wieder her, um zurück in den Hafen zu fahren. "
Alain Chevalier steuert im Stehen das offene Motorboot und blickt über die Wasseroberfläche. Der Fahrtwind pfeift, alle ziehen ihre Mützen und Kappen tiefer. Höchstens zwei Meter Wasser liegen unter der Barkasse. Links und rechts Tausende von Holzpfählen mit Muscheln, sagt Chevalier. Nur sehen kann man sie noch nicht. Das Meer ist noch zu hoch.
Es sei ein Wettlauf mit den Gezeiten. Man brauche das fallende Wasser, um noch rauszukommen, die Ebbe um an den Muschelbänken zu arbeiten. Heute bleiben dafür gerade mal drei Stunden.
Die Flut bringe regelmäßig frische Nahrung für die Muscheln mit:
" Zum einen das Plankton, das von der offenen See kommt und auf das die Muscheln ganz gierig sind.
Außergewöhnlich in der Bucht ist außerdem , dass bei den hohen Fluten zusätzlich ein Wiesenstreifen an der Küste überschwemmt wird. Von dort nimmt das Wasser winzige Zweizeller mit. Die Muscheln filtern sich die besonders gerne aus dem Wasser. "
Nach einer Stunde erreicht das Boot die Parzellen, die Alain und seinem Bruder Patrick gehören.
70 Züchter haben in der Bucht ihre Plätze.
Jetzt gibt das fallende Meer bereits ein paar Zentimeter der Pfähle frei. Fein aufgereiht wie in einer Obstplantage kommen sie zum Vorschein. Fünf Meter lang sind die Stäbe, von denen jetzt erst einmal die Hälse zu sehen sind. Mit einer Hälfte stecken sie tief im Meeresboden, die andere Hälfte ragt ins Wasser oder bei Ebbe in die frische Luft.
Um die Stämme sind dicke Pakete mit jungen Muscheln gewickelt und festgenagelt.
Vom Boot aus stülpt die Besatzung jedem einzelnen Muschelpaket mit Hilfe eines Metallgestänges ein Kunststoffnetz über. Das hält sie zusammen, wenn bei Niedrigwasser ein Sturm über die Bucht und die freistehenden Stämme fegt.
"Auf jedem Pfahl reifen etwa 60 Kilo Miesmuscheln heran", sagt Alain Chevalier während seine Hände flink und geschickt arbeiten.
Im Juli beginne in der Regel die Ernte:
" Die Muscheln muss mindestens vier Zentimeter groß sein. Der Anteil des Muschelfleisches am Gesamtgewicht muss 26 Prozent betragen.
Im Februar werden die Bedingungen für hochwertige Muschel dann nicht mehr erfüllt und wir hören mit der Ernte auf.
Dann geben die Muscheln nämlich ihre Eizellen ab und leeren sich. Es bleibt vom Inneren nichts mehr übrig, und wir können sie nicht mehr vermarkten. "
Vor der Ernte reifen die Muscheln über ein Jahr lang. Zunächst an waagrechten Seilen, später an aufrechten Stämmen.
Mittlerweile ist das Meer so weit gesunken, dass das Boot aufzuliegen droht. Alain Chevalier und seine Männer steigen mit ihren Gummihosen, die von der Zehenspitze bis zur Brust reichen, in das hüfthohe, 13 Grad kalte Wasser. Sie waten von Pfahl zu Pfahl und ziehen von Hand die Schutznetze nach unten. Die Sonne ist zu dieser Mittagsstunde durch die Wolken gebrochen, und die Muschelzüchter legen ihre Arbeitsjacken ab.
Bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts galt die Atlantikküste um La Rochelle und um die Ile d'Oleron als wichtigste Muschelgegend Frankreichs. Als ein gefährlicher Wurm die ganze Ernte zunichte machte, war der Wirtschaftszweig dort komplett bedroht.
So zog auch der Vater von Alain mit etlichen anderen Familien von der Charente, der alten Muschelgegend, nach Le-Vivier-sur-Mer. Meeresforscher hatten die Bucht am Mont-Saint-Michel als Ausweichstandort für die Aufzucht der Krustentiere empfohlen.
" Wir waren gezwungen, in dieser Bucht neu anzufangen. Da gab's noch gar keine Muschelzucht. Wir sind "adoptierte Bretonen". In der Charente nennt man uns Bretonen, und hier sind wir immer noch die Leute aus der Charente. Also doch ein bisschen heimatlos.
Bevor wir kamen, lebten in Le-Vivier gerade mal 400 Menschen. Mittlerweile sind es 1.100, die alle direkt von der Muschelzucht leben. "
Egal, ob in der Charente oder in der Normandie: die Muschelzucht ist Familienarbeit geblieben. "So wie in der Landwirtschaft", meint Alain Chevalier, der jetzt in der fünften Generation Muscheln produziert. Sein 16-jähriger Sohn Geoffroy soll gemeinsam mit seinem Bruder Jean den Betrieb einmal übernehmen.
Geoffroy macht im nahen Saint-Malo bald ein Fachabitur. Ihm gefällt der Beruf des Muschelzüchters.
" Da kann ich in der Natur arbeiten und das Werk fortsetzen, das mein Vater und mein Onkel begonnen haben. Je älter ich werde, desto mehr sehe ich, wie riskant, aber auch schön diese Aufgabe ist. Für mich der beste Beruf! "
Nach vier Stunden hat der Traktor die Crew und das Alu-Boot wieder in die Werkshalle geschleppt. Hier werden in den Erntemonaten die Muscheln sortiert, geprüft, verpackt und versandt.
Hungrig von der Arbeit beißt Chevalier in ein dickes, belegtes Baguette und öffnet eine Bierdose. Ober er denn auch noch Muscheln genießen könne? Selbstverständlich, meint der 60-Jährige. Er bevorzuge die einfache Zubereitung, "nature" eben:
" Dazu nur ein Blättchen Lorbeer, ein bisschen Knoblauch, einen Tropfen Weißwein, und dann wartet man, bis sie im heißen Topf im eigenen Saft aufspringen. Dann schmecken sie super. "
Literatur
Die Reise Urians, Le Voyage d'Urien, in "André Gide - Sämtliche Erzählungen" , Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart 1965, Deutsch von Maria Schaefer-Rümelin
- Francois René de Chateaubriand, René, in "Französische Erzähler", Hrsg. Hugo Meier, Manesse Verlag Zürich,1997, Übertragen von Trude Geissler
- Francois René de Chateaubriand, René, in "Französische Erzähler", Hrsg. Hugo Meier, Manesse Verlag Zürich,1997, Übertragen von Trude Geissler