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Megafusion vor dem Aus

Noch ist die Entscheidung offiziell nicht gefallen. Aber die Zeichen mehren sich, dass die EU-Kommission die geplante Mega-Börsenfusion mit der New Yorker Börse NYSE in der kommenden Woche ablehnen wird. Völlig zu Unrecht, heißt es bei der Deutschen Börse.

Von Brigitte Scholtes |
    Die Fusion der Deutschen Börse mit der New York Stock Exchange wird immer unwahrscheinlicher. Die EU-Kommission bleibt offenbar skeptisch und wird in den nächsten Tagen das Zusammengehen aus wettbewerbsrechtlichen Gründen wohl ablehnen. Erwartet wird eine Entscheidung für den kommenden Dienstag oder Mittwoch. Beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse gestern Abend kritisierte deren Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Gentz die EU-Kommission deshalb:

    "Es ist für uns schwer nachzuvollziehen, dass die zuständige Generaldirektion für Wettbewerb in der Europäischen Kommission die globale Dimension des schon bestehenden und rasant weiter wachsenden und sich entwickelnden Wettbewerbs auch auf dem Börsensektor zu negieren scheint. Zusätzlich will sie offenbar den in sich austauschbaren und substituierbaren Derivatemarkt zwischen börsengehandelten und nicht börsengehandelten Produkten als voneinander völlig unabhängig betrachten. Das ist für uns eigentlich nicht nachvollziehbar."

    Die EU-Kommission meint, die beiden Börsen nähmen im Handel mit Derivaten eine dominierende Position ein. Doch daran möchten die beiden Partner festhalten – sie argumentieren, dass man nicht nur den börslichen, sondern auch den außerbörslichen Handel als Maßstab nehmen müsse. Und dann betrage der Anteil der beiden Partner nur 4 Prozent. Auch Fred Irwin, der Präsident der deutsch-amerikanischen Handelskammer AmCham, kann die EU-Kommission nicht verstehen –mit Blick auf die amerikanische Börsenaufsicht SEC:

    "Die SEC, Securities and Exchange Commission, hat diesen merger genehmigt. Und die sind viel strenger als die EU. Anscheinend haben die einen anderen Input als die SEC."

    Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni verwies auf die zukünftige Aufstellung der weltweiten Finanzsysteme: Die Fusion mit der New Yorker Börse sei ein Beitrag, das europäische Gewicht in der Welt zu erhöhen, zumal die aufstrebenden Wachstumsmärkte schon in vielen Bereichen Europa und den USA ebenbürtig bis überlegen seien:

    "Es ist eine Frage der kurzen Zeit, bis die führenden asiatischen und lateinamerikanischen Börsenorganisationen nicht nur eine regionale, sondern eine globale Ambition haben werden".

    Wie es nach einem Scheitern der geplanten Fusion weitergehen könnte, das interessiert natürlich auch die Mitarbeiter der Deutschen Börse. Deren Betriebsratsvorsitzende Irmtraud Busch mahnt:

    "Wir wissen nicht genau, ob es denn einen Plan B gibt für den Fall, dass die Fusion scheitert. Wenn es ihn noch nicht gibt, dann wird man ihn schnellstens aufstellen müssen. Wir haben in unserer Stellungnahme ja auch gesagt, dass wir nicht unbedingt das Heil in einer Fusion sehen, weil wir ja auch wissen, dass die Deutsche Börse ja schon in Kooperationen mit der Börse Wien, mit der Börse Helsinki zum Beispiel arbeitet und ja auch die Clearstream sich entsprechend auch schon mit ausländischen Partnern zusammengetan hat. In diese Richtung müsste man ganz sicher weiterdenken".